„Für wen ist die Kirche da?“ – Dr. Christof May im OTJ Schneidhain

Die Kirche mittendrin im gemeinsamen modernen Leben – warum sollte der Berg nicht auch einmal zum Propheten kommen? Dr. Christof May (rechts) war jedenfalls zum Offenen Treff für jedermann nach Schneidhain gekommen, um unter der Moderation von Dr. Christoph Lauer genau darüber zu diskutieren. Foto: Scholl

Schneidhain (gs) – Für das Jahr 2019 hat der Offene Treff für Jedermann (OTJ) mit dem Thema „Kirchen im Umbruch – Wie sieht die Zukunft der christlichen Volkskirchen aus?“ erneut ein Thema aufgegriffen, das viel diskutiert wird und die Menschen bewegt.

Im voll besetzten evangelischen Gemeindehaus konnte Dr. Christoph Lauer zur Auftaktveranstaltung Dr. Christof May, Bischofsvikar und Regens des Bistum Limburg, als Gastredner begrüßen. Die einleitenden Worte von Dr. Lauer beschäftigten sich bereits mit der Erkenntnis, dass „Glauben“ heute anders gelebt werde als in vergangenen Generationen und somit Veränderungen unterworfen sei. Viele Dinge, die früher selbstverständlich waren, z.B. Taufe oder kirchliche Heirat, sind es heute nicht mehr – jedoch erfolge die Entscheidung dafür heute sehr viel bewusster. Gottesdienste haben oft nur noch wenige Besucher, wobei sich in diesem Zusammenhang die Frage ergibt, ob die Kirchen nicht auf anderem Wege den Kontakt zu den Menschen suchen sollten.

Alte Grundwerte, moderne Vermittlung

Das war auch die Frage, der sich Dr. Christof May in seinem Vortrag „Kirche in der Gegenwart – Mehr als du siehst“ stellte. May vertrat in seinen Ausführungen eine sehr moderne und „offene“ Sicht auf die Arbeit der katholischen Kirche, ohne dabei die Grundwerte des kirchlichen Glaubens außer Acht zu lassen. Sein Blick in das kirchliche Leben vielerorts war geprägt von der Erkenntnis, dass viel zu oft an alten Gewohnheiten festgehalten und die Kirche oft auf die reine Liturgie reduziert werde.

„Kirche ist mehr, als du siehst“ waren seine zentralen Worte, denen seine Gedanken über eine „den Menschen zugewandte“ Kirche folgten. May möchte den Blick der Kirche wieder auf deren Grundauftrag gerichtet wissen – für die Menschen da zu sein und sie dort abzuholen, wo sie sind.

Alternative Angebote

Wenn es nicht mehr die eigentlichen Gottesdienste sind, die die Mehrheit der Gläubigen ansprechen, so sollte die Kirche alternative Angebote machen, um mit den Gläubigen ins Gespräch zu kommen. Ein guter Ansatz, der sich auch bereits bewährt hat, wäre die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen bei gemeinsamen Angeboten. Warum, so May, sollte die Kirche nicht auf einem Stadtfest mit einem Angebot zum Thema Glauben präsent sein? Warum sollte die Kirche nicht gemeinsam mit Sportvereinen als Veranstalter von z.B. Jugendfreizeiten auftreten?

Die Kirche als Initiator – mittendrin – gemeinsam mit anderen Institutionen, dies wäre der Weg, den May gerne gehen würde und für den er sich engagiert einsetzt. Einen grundlegenden Ansatzpunkt zur besseren Kommunikation der Kirche mit den Gläubigen sieht er darin, als Kirche auf die Menschen zuzugehen, sich als Kirche nicht klein zu machen, sondern den Menschen offen gegenüber zu treten und das Gespräch zu suchen. Fragen zuzulassen und den Menschen zuzuhören – sich als Kirche die Frage zu stellen „Für wen sind wir da?“.

Christof May vertrat seine moderne Sicht auf die katholische Kirche mit großer Offenheit und einem Charme, der ihm den Kontakt zu seinen Zuhörern sehr leicht machte. Sein Blick auf eine moderne Kirche, ohne den Glauben und die ihm innewohnenden Werte kleinzureden, fand bei den Besuchern sehr großen Anklang.

Sein Vortrag folgte dabei keinem starren Konzept, sondern war geleitet von Geschichten aus dem Leben, Erfahrungsberichten und seiner Überzeugung, dass die Kirche eben diese Lebensgeschichten aufnehmen und daraus ihr Handeln gegenüber den Gläubigen ableiten sollte. Ein Ansatz, der zutiefst religiös ist, jedoch in der Vergangenheit nicht wirklich gelebt worden sei. Mays Aussage „Es geht um den Menschen, nicht um den Systemerhalt“ fasste diese Sichtweise in einprägsame Worte.

Für die Menschen da sein

Dr. Christof May eröffnete für seine Zuhörer an diesem Abend den Blick auf eine Erneuerung der Kirche, die großen Zuspruch fand. Dies zeigten auch die vielfältigen Diskussionsbeiträge im Anschluss an den Vortrag. Er stellte sich Fragen zur Ökumene genauso offen und pragmatisch wie Fragen zur Toleranz des Islam oder der Sinnhaftigkeit des Zölibats. Es ergab sich eine rege Diskussion, die genau das erreichte, was Christof May in seinem Vortrag forderte: Die Kirche solle den Menschen zugewandt sein und sie dort „abholen“, wo es sinnvoll ist.



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