Vor 150 Jahren: Wie die Kronberger preußisch wurden

Kronberg (war) – Vor 150 Jahren mussten sich die Kronberger an neue Landesherren gewöhnen, gehörten sie doch ab 1866 zu Preußen. Zuvor hatten sie nach dem Aussterben des Kronberger Adelsgeschlechts ab 1704 bis 1803 dem Kurfürstentum Mainz und dann ab 1803 dem Fürstentum Nassau-Usingen unterstanden, aus dem schließlich 1806 durch Vereinigung mit Nassau-Weilburg das Herzogtum Nassau hervorging. Warum die Kronberger vor 150 Jahren an das Königreich Preußen fielen, darüber berichtete der Historiker und Leiter des Fachbereichs Kultur des Hochtaunuskreises Gregor Maier vor Kurzem auf Einladung des Kronberger Geschichtsvereins in der Stadthalle. Wenn auch Maier seinen hochinteressanten Ausführungen den etwas martialischen Titel „Rückhalt- und bedingungslose Einverleibung – Der Übergang des Herzogtums Nassau an Preußen 1866“ gegeben hatte, so konnte der Referent an dem Abend nachweisen, dass die neuen Landesherren keineswegs nur negativ gesehen, sondern eher ambivalent empfangen wurden. Insbesondere im ökonomischen Sektor erhofften sich gerade viele in der Wirtschaft agierende „Altnassauer“ eine positive Entwicklung unter Preußen. Daher Maiers Fazit: „Die – verglichen mit anderen Regionen – ruhige und reibungslose Eingliederung des Taunus in den preußischen Staat ist zum Teil Ausdruck der bejahenden Haltung, welche die politischen und gesellschaftlichen Meinungsführer rasch einnahmen; ebenso jedoch auch Ausdruck einer Resignation und eines Sich-Einfügens in Ereignisse jenseits des eigenen Einflussbereichs.“ Zunächst analysierte der Referent die politische Situation im Herzogtum Nassau vor 1866, das trotz der damals überall zügig einsetzenden Industrialisierung nur geringe Wirtschaftskraft besaß. In dem Land entwickelten sich laut Maier im Lauf der Zeit heftige innenpolitische Querelen zwischen dem spätabsolutistisch-konservativ agierenden Herrscherhaus und einem Teil des Bürgertums, das mehr politische Mitbestimmung und wirtschaftliche Freiheit einforderte. Dieser Konflikt gipfelte in den 1860er-Jahren, also am Ende der Nassauer Regierung, im offenen Machtkampf zwischen Herzog und Parlament. Auf der einen Seite stand der seit 1839 regierende erzreaktionäre Herzog Adolf, dem auf der anderen Seite spätestens seit Ende der 1850er-Jahren ein politisch aktives Bürgertum Paroli bot. Sammelbecken für die politische Mitbestimmung und wirtschaftliche Freiheit fordernden Bürger war die liberale Fortschrittspartei. „Hauptkonfliktfelder waren vor allem die bürgerlichen Freiheitsrechte sowie Zoll- und Handelsfragen. Hier war Herzog Adolf zu keinerlei Zugeständnissen bereit“, so Maiers Analyse. 1864 löste der Herzog kurzerhand den erst 1863 auf sechs Jahre gewählten Landtag auf, den die Fortschrittspartei in beiden Kammern dominierte, um Neuwahlen anzusetzen, die jedoch weiterhin keine Mehrheit für den konservativen Reformverein ergaben. In dieser politisch verfahrenen Situation begann im Juni 1866 der sogenannte deutsch-österreichische Krieg, in dem Österreich mit zahlreichen deutschen Verbündeten gegen Preußen ins Feld zog. Herzog Adolf von Nassau stand wie eine Reihe weiterer Herrscher deutscher Klein- und Mittelstaaten als treuer Verbündeter auf Seiten der Österreicher. Der Landtag hatte zwar zuvor den Herzog aufgefordert sich neutral zu verhalten, aber der Regent widersetzte sich diesem Verlangen und ließ seine Truppen für Österreich kämpfen. Die preußische Seite entschied die Kampfhandlungen jedoch innerhalb weniger Wochen für sich. Am 18. Juli besetzte preußisches Militär bereits die nassauische Hauptstadt Wiesbaden, nachdem Herzog Adolf kurz zuvor am 15. Juli aus seinem Schloss in Biebrich geflohen war. Der bisherige Wetzlarer Landrat Gustav von Diest übernahm am 31. Juli 1866 als preußischer Zivilkommissär die Verwaltung für das besetzte Herzogtum. Am 3. Oktober wurde das Herzogtum Nassau zusammen mit dem Kurfürstentum Hessen und der Freien Stadt Frankfurt sowie dem Königreich Hannover endgültig dem Königreich Preußen einverleibt. Diest hielt bereits im September 1866 fest: „Im Großen und Ganzen herrscht in Nassau Befriedigung über das Aufgehen des Kleinstaats in Preußen; und es wird bei einer festen, energischen und dabei wohlwollenden Administration, so Gott will, bald gelingen, dieses schöne Land auch innerlich zu einem preußischen zu machen.“

Laut Maier brachte die neue Regierung im Taunus ein erhebliches Mehr an Demokratie, denn Preußen übertrug sein System der Kommunalverwaltung sogleich auf die neu erworbenen Gebiete. „Das bedeutete eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung im Vergleich zur bisherigen nassauischen Gemeindeverfassung“. Im Frühjahr 1867, das heißt vor genau 150 Jahren, wurde das Amt Königstein, zu dem bislang Kronberg gehörte, mit den Ämtern Homburg und Usingen im Rahmen der Umorganisation zum neu eingerichteten Obertaunuskreis zusammengefasst. „Vor allem aber bot der von Preußen initiierte Norddeutsche Bund, dem die Bürger des ehemaligen Herzogtums Nassau nunmehr angehörten, die Möglichkeit, praktische Demokratie auszuüben, denn das Wahlrecht zum Reichstag des Norddeutschen Bundes war im Gegensatz zum preußischen Drei-Klassen-Wahlrecht erheblich moderner“, betonte der Referent. Bei den ersten Wahlen zum Reichstag des Norddeutschen Bundes Ende August 1867 konnte Apotheker Wilhelm Neubronner aus Kronberg 75 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, um so als Mitglied der Nationalliberalen Partei den Taunus im Reichstag bis 1871 zu vertreten.

Andererseits soll nicht verschwiegen werden, dass es mancherorts auch zu antipreußischen Demonstrationen bis hin zu Ausschreitungen kam. So wurden im benachbarten Königstein die preußischen Fahnen gewaltsam zerrissen. In Kronberg wurde dem bis dato konservativen und besonders herzogstreuen Dekan verübelt, dass er sich postwendend nach dem Regierungswechsel als großer Preußenfreund gebärdete.

Wie dem auch gewesen sei, gut 20 Jahre später begrüßten die meisten Kronberger es sehr, als sich Kaiserin Friedrich als ehemalige preußische Kronprinzessin 1888 entschied, vor Ort ihren Witwensitz zu nehmen. Von nun an kam ihr Sohn, Kaiser Wilhelm II; der in Personalunion auch König von Preußen war, recht häufig zu Besuch in die Burgstadt. Antipreußische Ressentiments hätte sich da wohl kaum noch jemand offen zu zeigen gewagt.



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