Bahnhofsgebäude – Politiker fühlen sich von Verkaufsplänen überrumpelt

Der Bahnhof verfällt seit vielen Jahren. Jetzt präsentierte ein potentieller Investor seine Pläne. Die Ausschussmitglieder stellten indes fest, dass sie gar nicht wissen, ob sie den Verkauf des Bahnhofgebäudes wollen. Foto: Westenberger Archiv

Kronberg (mw) – Wer gedacht hatte, zwischen Stadtrat, Magistrat und Kommunalpolitik herrsche eine fruchtbare offene Kommunikation, der hat sich geirrt. Zumindest wirkte das in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzauschusses vergangenen Donnnerstag, die zentrale Aufgabe betreffend, für das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude neben dem bereits im Bau befindlichen Kammermusiksaal und Hotel ein funktionierendes zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln, anders. Im Haupt- und Finanzausschuss machte es den Anschein, die HFA-Mitglieder wüssten selbst nicht mehr so recht, was sie einst über das Bahnhofsgebäude beschlossen hatten und fühlten sich überrollt von den Investorengesprächen im Hinterzimmer.

Vergessene „Sternstunde“

Damals, vor zirka sieben Jahren waren sie sich im Stadtparlament einig gewesen: Es ist richtig, dass die Stadt vor einem Investor, der mit der Deutschen Bahn um das Bahnhofsgebäude verhandelt hatte und handelseinig geworden war, das Vorkaufsrecht geltend machen soll. Man wollte sicher gehen, dass der Bahnhof nicht in Hände kommt, die ihn vielleicht nur als Abschreibungsobjekt nutzen, statt ihn mit Herzblut zu sanieren. Als „Sternstunde“ wurde damals im Rathaussaal das Glück bezeichnet, den Verkauf verhindert zu haben, auch wenn es die Stadt weiteres Verhandlungsgeschick und die Veräußerung zweier städtischer Immobilien im Brühl kostete, um einen Rechtsstreit mit dem Investor zu verhindern – hätte doch eine Klage seinerseits das Projekt der Bahnhofssanierung jahrelang blockieren können.

Investorpläne vor sieben Jahren

Soweit so gut, aber wie ging es dann weiter? Im stillen Kämmerlein des damaligen Ersten Stadtrats, Jürgen Odszuck, den es vor einem Jahr nach Heidelberg zog, wurde mit einem weiteren Kronberger Investor, der der Stadt den Hinweis auf den drohenden Verkauf des Bahnhofsgebäudes gegeben hatte, Gespräche geführt. Der Kronberger mit Referenzen in puncto Sanierung im Denkmalschutz stellte damals sein Konzept auch im Kronberger Boten vor. Am öffentlichen HFA-Abend verfolgte er die Diskussion als Besucher. Geplant hatte er seinerzeit ein Restaurant-Konzept, abgestimmt auf Familien und Schüler, das heißt bezahlbare Gastronomie, Aufteilung in Bistro und Loungebereich, der Verbleib des DB-Reisezentrums war ein wichtiger Punkt und die Möglichkeit, draußen unter dem Vordach ebenfalls bewirten zu können, außerdem morgens früh zu öffnen und auch To-go-Artikel etc. anzubieten sowie ein kleines Lebensmittelsortiment. Wie der damalige potentielle Investor im Gespräch mit dem Kronberger Boten mitteilte, sei im Obergeschoss auch die Idee für Sozialwohnungen entstanden. Warum es damals keine Lösung zwischen Investor und Stadtrat gab, wurde nicht öffentlich diskutiert: Wohl bestand aber die Schwierigkeit darin, ein passendes Verpachtungskonzept zu finden. Denn es war klar, das Bahnhofsgebäude sollte nicht wieder aus der Hand gegeben werden. Laut des damaligen Kronberger Interessenten strebte Odszuck, eine „Public Private Partnership“ an, bei der der private Partner die Verantwortung zur effizienten Erstellung der Leistung übernimmt, während die öffentliche Hand dafür Sorge trägt, dass gemeinwohlorientierte Ziele beachtet werden – ähnlich einem Miet- oder Pachtvertrag. Darauf konnte man sich allerdings nicht einigen. Ein solches Projekt brauche langfristige Sicherheit, da könne man nicht nur Pächter sein, so der damalige Interessent zu seinen Beweggründen, eine „Public Private Partnership“ abzulehnen.

Neu vorgestellte Pläne

Nun sind wieder viele Jahre ins Land gegangen – und immer mal wieder soll es Interessenten für das marode denkmalgschützte Bahnhofsgebäude gegeben haben, das die Stadt seinerzeit für 277.000 Euro (plus Gleis 3) erwerben konnte. Im HFA bezifferte der Erste Stadtrat Robert Siedler den ermittelten Marktwert des Bahnhofs ohne Gleis 3 auf 1,78 Millionen Euro, auf hundert Jahre Restlaufzeit gerechnet. Abzüglich eines Instandhaltungsrückstaus in Höhe von 1,38 Millionen Euro und etwa 20.000 Euro an Grunddienstbarkeiten sprach er von einem Ertragswert in Höhe von 280.150 Euro. Bis April diesen Jahres gab es seitens der Stadt keine neuen Entwicklungen zu vermelden: Dann aber verkündete der neue Erste Stadtrat, Robert Siedler, aus dem Magistrat, er habe mit einem Investor einen „Letter of Content“ abgeschlossen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das hehre Projekt Sanierung des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes nun zeitnah zu den anderen Bausteinen Kammermusiksaal und Hotel entwickelt werden könne. Der Investor werde sich zu einem späteren Zeitpunkt mit seinem Konzept noch vorstellen.

Das tat Konstantin Kovarbasic, der mit seiner Frau und seinen drei Kindern seit 2009 in der Kronberger Altstadt lebt, nun im Rahmen der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzauschusses überraschenderweise – ursprünglich angekündigt worden war allerdings nur, dass Erster Stadtrat Robert Siedler selbst die Eckdaten zu dessen Plänen skizzieren wollte.

Kovarbasics Pläne sehen ein Restaurant und ein Bistro im mittleren bis gehobenen Preissegment vor sowie die Errichtung eines 70 Quadratmeter großen Neubaus (anstelle des Containers), der das Reisezentrum als auch den Mini-Markt beherbergen soll. Er beschäftige sich seit zwei Jahren mit dem Bahnhof, sei vor einen Jahr auch schon mit Siedlers Vorgänger Odszuck im Gespräch gewesen und habe ein großes Team von Fachleuten, angefangen von Steuerberatern, Juristen, Architekten bis hin zu Projektleitern, die sich mit der Aufgabe beschäftigten, bis hin zu potentiellen Pächtern an der Hand, betonte er.

Verkauf als völlig neue Sachlage

Doch die KfB hatte im Vorfeld des HFA schon kundgetan, dass sie aufgrund der neuen Ausgangslage – für alle überraschend hatte der Erste Stadtrat nämlich in der jüngsten Stadtverordentenversammlung von einem Verkauf des Bahnhofsgebäudes gesprochen – gefordert, diese neue Sachlage erst einmal öffentlich zu machen mit der Chance, auch andere Interessenten anzusprechen und mehrere Konzepte zum Vergleich zu erhalten.

Die HFA-Mitglieder, die Grünen vorneweg, machten in der Ausschusssitzung nach Vorstellung der Pläne einen recht konsternierten Eindruck, schließlich hatte man damals doch ganz klar dafür votiert, das Bahnhofsgebäude in städtischer Hand zu belassen, um an dieser zentralen Stelle, dem Entrée der Stadt Kronberg, Herr der Stadtentwicklung zu bleiben. Oder nicht? Wenn überhaupt war doch von Erbbaurecht die Rede? Aber doch nie von einem Verkauf? Das jedenfalls fragte Mechthild Schwetje von den Grünen in die Runde. Siedler hatte zum Auftakt des Abends erklärt, dass die Rechtslage eine Verpachtung in Erbbaurecht gar nicht zulasse, da die DB Wegerechte innerhalb des Gebäudes habe, auf die sie nicht verzichten wolle. Dadurch stände die DB rechtlich im Grundbuch an erster Stelle, nicht der Eintrag zum begründeten Erbbaurecht. Somit sei die Verpachtung in Erbbaurecht nicht umsetzbar, da die Banken in diesem Falle dem Investor keine Kredite bewilligen würden.

Dann lagen wir jahrelang falsch?

„Dann lagen wir ja die ganzen letzten Jahre falsch“, stellten Grüne und KfB entsetzt fest. Immerhin habe der KfB-Antrag „dankenswerterweise dazu geführt, dass uns das Konzept heute vorgestellt wurde“, bemerkte Andreas Becker seitens der CDU dazu lakonisch. Nun sei erst einmal wichtig, in den Inhalt des „Letter of Content“, zwischen Investor und Stadtrat bereits geschlossen, einzusehen. Der soll den Stadtverordneten bis zur Stadtverordnetenversammlung heute, Donnerstag, vorgelegt werden. Denn auch die CDU verlieh ihren Befürchtungen Ausdruck, hier könnte Ähnliches wie beim Lokschuppen passieren, dessen Käufer zunächst auch kulturellen Nutzungen eingewilligt hatte, diese Option nach Weiterverkauf schließlich jedoch verloren ging. Das Nutzungskonzept müsse irgendwie „gesichert sein“. Nur wie? Die FDP und mit ihr Dietrich Kube unterstützte den KfB-Antrag und machte unmissverständlich klar: Das hier kann und darf nicht im stillen Kämmerlein entschieden werden. Am Bahnhof müsse die Chance bestehen, dass sich weitere Interessenten mit einem Konzept für eine Bahnhofssanierung einbringen können, sagte er. Acht Wochen müssten nach so vielen Jahren, in denen nichts passiert sei, allemal möglich sein, um weiteren Interessenten die Chance zu geben, sich mit einem „nachhaltigen Konzept um die Visitenkarten für die Stadt zu bewerben“. Ob das wohl möglich sei in so kurzer Zeit, wenn sich Herr Kovarbasic schon seit zwei Jahren mit dem Objekt beschäftigt habe, fragte Becker in die Runde. Kubes Antwort dazu: „Das ist kein Problem. Ein Profi macht das in drei Wochen!“ Auf jeden Fall müsse man hier in Verantwortung für das Gemeinwohl dafür sorgen, erst einmal mittels einer Findungskommission strategische Ziele für den Bahnhof zu ermitteln. „Nur weil ein netter Herr hier steht und sich schon so lange mit dem Gebäude beschäftigt hat, können wir nicht unser Eigentum hergeben“, kritisierte er.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht

Erster Stadtrat Robert Siedler gab zu bedenken, dass es eine hunderprozentige Sicherheit beim Verkauf niemals gebe, im Vertrag natürlich im Falle des Scheitern des Investors eine Rücktrittsklausel eingearbeitet werde, dass in diesem Fall das Gebäude zurück an die Stadt falle. „Ich bin mir sicher, wir haben hier ein belastbares Konzept vorliegen, das nachhaltig, zielführend und zukunftsträchtig ist“, betonte er zu Kovarbasics Plänen. Die SPD vermeldete in diesem Zusammenhang, dass andere Konzepte wohl ähnlich aussehen würden, sprich, schaue man sich im Taunus um, es sich in Bahnhöfen am Ende immer um Gastronomie oder öffentliche Nutzungen handele. Die SPD gab sich sogar überzeugt, dass es „bewundernswert sei, dass es jemanden gibt, der dafür ein Konzept vorlegt“.

Hausaufgaben

KfB und FDP untermauerten indes ihre Forderung, hier müsste zunächst ein offenes Angebot auf den Tisch, damit alle möglichen Interessenten wieder mit im Boot sind. Die dann vorliegenden Vorschläge seien vom Ersten Stadtrat zu bewerten und sollten danach im Ausschuss für Stadtentwicklung vorgestellt werden.

Eins wurde an diesem Abend der Überraschungen klar: Die Stadtverordneten sollten erst einmal ihre eigenen Ziele kennen und sich in den Nachbarstädten schlau machen, bevor sie selbst für weitreichende Entscheidungen verantwortlich zeichnen: Denn in Oberursel scheint das Konzept mit dem wunderschön sanierten Bahnhof doch aufzugehen? Und die Stadt Oberursel hat das in Eigenregie umgesetzt, oder nicht? Das jedenfalls war eine der vielen Fragen, die innerhalb der HFA-Sitzung ebenfalls aufkamen.



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