Bahnhofsgebäude-Verkauf: Offene Fragen und viele Emotionen

Kronberg (pu) – Nach dem vom 14. Juni datierten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung auf Antrag der Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ (KfB), „dass dem geplanten Verkauf des alten Bahnhofsgebäudes eine öffentliche Vermarktung nach den jetzt vorliegenden Bedingungen für einen Zeitraum von acht Wochen vorausgeht“ schienen die im Zuge einer hitzigen Parlamentssitzung vor dem Hintergrund einer mehrheitlich nicht gewollten längeren Verzögerung festgeklopften Eckdaten der Zeitschiene eindeutig: bis zur am heutigen Donnerstag geplanten Stadtverordnetenversammlung sollte eine Beschlussempfehlung des Magistrats vorliegen, mit welchem der Bieter die Stadt weiter verhandeln soll.

Vertagt

Am besagten Tag kurz vor den Sommerferien hatte der Großteil der Parlamentarier noch gehofft, mit der für heute erwarteten finalen Entscheidung für einen künftigen Eigentümer samt dessen Nutzungskonzept käme endlich durchschlagende Bewegung in die Angelegenheit, die ob des seit Jahren alles andere als schmucken Erscheinungsbildes des maroden Bahnhofsgebäudes der Bevölkerungsmehrheit unter den Nägeln brennt. Doch diese Hoffnung trog! Was sich in der letzten Woche aufgrund sich überschlagender Ereignisse schon andeutete (wir berichteten), ist nun Gewissheit: die Entscheidung über das Ergebnis des Bieterverfahrens zum Verkauf des Gebäudes „Bahnhof Kronberg“ musste vertagt werden (siehe dazu weiteren Bericht in dieser Ausgabe).

Wie Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) in der kurzfristig anberaumten jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) am letzten Donnerstag erklärte, in der eigentlich über die Magistratsempfehlung vom 3. September hätte beraten werden sollen, sei die Empfehlung zwar „per se nicht in Frage gestellt“, dennoch gäbe es nunmehr erheblichen Klärungsbedarf und Verständnisfragen bezüglich der Unterschutzstellung des sogenannten BASA-Gebäudes (Toiletten- und Technik-Gebäude aus Naturstein und südöstlich abgesetzt vom Bahnhofsgebäude), das die Denkmalbehörde im Gegensatz zu 2013 nicht nur anders bewertet habe, sondern es offenbar außerdem versäumte, die Stadt darüber „ins Benehmen zu setzen“. „Die Stadt hat dazu nie ein Schreiben gekriegt“, unterstrich Erster Stadtrat Robert Siedler (parteilos). Aus seiner Sicht fehlen dem Toilettenhäuschen „typische Denkmalmerkmale“, doch selbst für den Fall, dass sich die Unterschutzstellung bestätige, „glaube ich nicht, dass das Einfluss auf die Entwürfe der beiden Bieter hat“, so Siedler. Das weitaus entscheidendere Kriterium sei vielmehr, „das Bahnhofsgebäude mit historischer Bausubstanz freizustellen und von Anbauten zu befreien und dass Neubauten laut Denkmalschutzaussage nicht andocken dürfen.“

Historie

Den Ausschussmitgliedern brannten an diesem Abend in den drei Stunden, die allein dieser Tagesordnungspunkt im öffentlichen Teil der Sitzung Raum einnahm, eine Vielzahl weiterer Fragen unter den Nägeln. Einen Teil dieser Zeit nahm zunächst ein Vortrag des Lokalhistorikers Manfred Bickel ein, der mit Herzblut bis ins letzte Detail der Geschichte des Bahnhofs auf den Grund gegangen war und seine Erkenntnisse dem Gremium und den anwesenden Besuchern zur Einstimmung näherbrachte. Im Mittelpunkt stand dabei der Fürstenpavillon, damals ein Holzverschlag, der seiner Recherche nach im Zuge von Vorbereitungsarbeiten für einen geplanten Besuch der englischen Königin Victoria bei ihrer Tochter Kaiserin Friedrich in Kronberg entstand. Bekanntlich plant einer der beiden Bieter eine Nachbildung des Fürstenpavillons.

Ohrfeige

Vor diesem Hintergrund bezeichnete die FDP-Fraktion in einer Pressemitteilung das Schreiben der Oberen Denkmalschutzbehörde als „eine schallende Ohrfeige für den Magistrat“. Der „Fürstenpavillion“ erweise sich „als Blendgranate“, die ganze Angelegenheit ist nach den Worten von FDP-Ortsverbandschef Holger Grupe und dem Fraktionsvorsitzenden Walther Kiep „voller Merkwürdigkeiten“.

Entwidmung formeller Akt

Emotional diskutiert wurde der Punkt Entwidmungsprozess. Während der ASU-Vorsitzende Max-Werner Kahl (CDU) und weitere Ausschussmitglieder vor allem aus den Reihen der KfB und FDP wiederholt und ohne Berücksichtigung der bereits vorliegenden Antwort ihrer Empörung darüber Luft machten, weil die Stadt in dieser Angelegenheit noch nicht tätig geworden ist – die Co-Fraktionsvorsitzende Alexa Börner sprach in diesem Zusammenhang von „nicht gemachten Hausaufgaben“ – versuchte Erster Stadtrat Siedler zu beschwichtigen: „Ja, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, die fehlende Entwidmung hindert nicht an einer Stellung eines Bauantrags, sondern ist lediglich ein formeller Akt!“

Kragen geplatzt

Damit der aus dem Ruder drohenden Diskussion nicht genug. Nachdem Kahl zum x-ten Mal darauf pochte, unter vier Strichen für den angedachten Fürstenpavillon könne er sich nichts vorstellen und dabei völlig außer Acht ließ, dass von städtischer Seite in den letzten Wochen mehrmals darauf aufmerksam gemacht worden war, dass es sich bei beiden Präsentationen lediglich um Entwürfe handelt, die mitnichten bis ins kleinste Detail mit Behörden abgestimmt sein können, platzte Bürgermeister Temmen ob des entgegenschlagenden Misstrauens endgültig der Kragen: „Ich finde es langsam unerträglich, dass dermaßen am Magistrat herumgemäkelt wird und am von Ihnen gewählten hauptamtlichen Ersten Stadtrat, der Ihnen seit eineinhalb Stunden nach besten Wissen und Gewissen Fragen beantwortet. Wenn das in diesem Stil weitergeht und alle Antworten weiterhin in Frage gestellt werden, verlasse ich die Sitzung!“ Nach den Worten des Rathauschefs „werden Sie niemand finden, der Ihnen in der Kürze der Zeit nach dem Stadtverordnetenbeschluss vom 14. Juni auch noch abklärt, ob Ihnen nicht auch noch der Himmel auf den Kopf fallen könnte!“ Das Gebot der Stunde sei aktuell vielmehr die Entscheidung, mit welchem Kandidaten die Stadt in Verhandlung treten soll. „Wir hatten eine Vorgabe, an die müssen wir uns halten!“

Schnee von gestern

Selbst dieser jüngst gefasste Beschluss wurde an diesem Abend sowohl von Bündnis90/Die Grünen-Vorstand Udo Keil als auch dem UBG-Fraktionsvorsitzenden Erich Geisel plötzlich infrage gestellt. Während der Grünen-Politiker der vertanen Chance des Betriebs durch die Stadt nachtrauerte und die damit verbundenen Schwierigkeit seiner Partei offenbarte, sich zur neuen Entwicklung zu positionieren, bekräftigte Geisel seine feste Überzeugung, das Bahnhofsgebäude sollte im Eigentum der Stadt bleiben.

Das rief wiederum den CDU-Stadtverordneten Prof. Dr. Helfried Moosbrugger auf den Plan, der unterstrich, die Christdemokraten stünden für eine rasche gute Lösung und eindringlich mahnte, den Blick entschieden nach vorne zu richten statt auf „Schnee von gestern“ in Form von Alternativen. Bürgermeister Klaus Temmen und Baudezernent Robert Siedler verwiesen ebenfalls nochmals auf den viele Jahre mehrheitlichen Konsens, einen Investor zu suchen, weil städtischerseits keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen. „Ich weiß nicht, ob es kommunale Aufgabe ist, so viel Geld in ein Gebäude zu stecken!“ Diesen Ball aufgreifend und vor dem Hintergrund der teils vernehmbaren Sorgen, auch dieses Mal könnten den Worten der potenziellen Käufer, dass auch Vereine das Bahnhofsgebäude nutzen können, keine Taten folgen, ähnlich wie beim Lokschuppen, rief SPD-Stadtverordnete Andreas Poerschke in Erinnerung: „Der Lokschuppen stand eineinhalb Jahre zum Verkauf, da kam keiner der Stadtverordneten auf die Idee,0 ihn eventuell zu kaufen!“



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