Bronzetafel und Obstbaum-Pflanzungen zu Ehren des aufopfernden Gemeindepfarrers und „praktischen Aufklärers“

Heiko Fischer und Hans Faus setzten den Guldentaler Knorzekopp. Fotos: Puck

Kronberg (pu) – Auch 200 Jahre nach seinem Tod ist der als Kronberger „Obstpfarrer“ populär gewordene Kirchenmann, Obstbauexperte und Insektenkundler Johann Ludwig Christ (siehe auch weitere Berichte in dieser Ausgabe) unvergessen. Daher stand es für den hiesigen Obst- und Gartenbauverein (OGV) sowie den Verein für Geschichte außer Frage, in Erinnerung an eine der bedeutendsten Kronberger Persönlichkeiten der letzten Jahrhunderte anlässlich dessen Todestages am 19. November eine Gedenkfeier samt Rundgang zu mit Christ in Verbindung stehenden Orten zu organisieren. Am Treffpunkt an der Johanniskirche versammelten sich rund 50 Bürger. Bevor Obst- und Gartenbauvereins-Vorsitzender Heiko Fischer, der evangelische Pfarrer Hans-Joachim Hackel sowie das langjährige OGV-Mitglied Hanspeter Borsch an der Stätte des Lebensmittelpunkts Christs eine frisch angebrachte Gedenkplakette enthüllten, nahm Borsch die Erschienenen mit auf einen Streifzug durch Kronberger Historie.

„Wir befinden uns hier am ältesten Teil der Siedlung am Fuße der Burg, der 1330 die Stadtrechte verliehen wurden und damit das Recht erwarb, eine Stadtmauer zu errichten“, begann er seinen kurzweiligen Vortrag. In der Doppesstraße, die mit der weiter westlich verlaufenden Eichenstraße wie ein Gürtel die Burgbefestigung umschließt, habe sich früher das kirchliche Zentrum der Stadt befunden, bis ein Brand im Jahr 1437 die erste, 1355 geweihte Johanniskapelle zerstörte, an deren Stelle man um 1440 begonnen habe, die auch heute noch dort stehende Johanniskirche zu errichten. Gegenüber der Kirche liegt das ehemalige evangelische Pfarrhaus. Es handelte sich dabei eigentlich um zwei getrennte Häuser unter einem Dach, die seinerzeit den 1786 in ihre Ämter eingeführten beiden Pfarrern, Erstpfarrer Johann Ludwig Christ sowie Zweitpfarrer Johann Balthasar Bleichenbach, als Wohnsitz dienten. In direkter Nachbarschaft befinden sich sowohl das 1783 errichtete, früher als lutherisches Schulhaus genutzte heutige Gemeindehaus als auch das neben dem alten Pfarrhaus liegende Wohnhaus, das Christ 1798 erwarb und umgestaltete, um seiner Tochter, die dem Witwer den Haushalt führte und deren Mann Adam Philipp Bleichenbach, der nicht das elterliche Gasthaus „Zum Adler“, sondern die Baumschulen seines Schwiegervaters übernehmen wollte, eine Bleibe zu schaffen.

Hinweis auf Stätte des Wirkens

Es ist zweifellos die Fülle der durch Christs permanente Forschungen für die Nachwelt erhaltene Erkenntnisse und gesetzten Meilensteine, die die Initiatoren dieser Hommage dazu bewogen, die bereits im Stadtgebiet vorhandenen öffentlichen Erinnerungszeichen um ein weiteres Puzzler-Teil zu ergänzen. Dazu gehören das 1885 vom Obst- und Gartenbauverein auf dem Grundstück einer seiner ehemaligen Baumschulen an der Katharinenstraße errichtete Denkmal, die 1947 nach ihm benannte Ludwig-Christ-Straße, ein Pfarrer Christ bei der Unterweisung der Kronberger im Veredeln von Obstbäumen zeigendes Sgrafitto aus der Werkstatt von Julius Hembus, das seit 1953 den Sitzungssaal im Rathaus ziert sowie die vor zehn Jahren unter maßgeblicher Beteiligung der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Regionalverband Rhein-Main angelegte „Pfarrer-Christ-Obstwiese“. Bisher war weder an der Kirche noch am alten Pfarrhaus ein Hinweis zu Pfarrer Christ zu finden. Mit der kleinen, nunmehr die das Grundstück der Johanniskirche umgebende Mauer zierende Bronzetafel gehören diese Zeiten seit Dienstag der Vergangenheit an. Für Anfertigung und Anbringung der Gedenkplakette zeichneten neben den beiden federführenden Vereinen die evangelische Kirchengemeinde und der Pomologen-Verein Landesgruppe Hessen im Zusammenwirken mit dem Fachbereich Kultur des Hochtaunuskreises verantwortlich. „Im Brennpunkt seines Schaffens ist es der geeignete Ort seiner zu gedenken“, unterstrich Hanspeter Borsch, der auch ein begleitendes Informationsblatt erstellt hat. Ursprünglich sollte die kleine Bronzetafel einen Platz an der Hausfassade des gegenüberliegenden ehemaligen Pfarrhauses finden, doch wie man hört, konnte offenbar keine Einigung über die Inschrift erzielt werden, sodass dieser Plan offenbar quasi in letzter Sekunde scheiterte.

Seine große Freude über die Auszeichnung brachte dagegen der evangelische Pfarrer Hans-Joachim Hackel zum Ausdruck, der erzählte, ein Blick in die vom jeweils amtierenden Pfarrer zu führende Kirchenchronik habe ihn schmunzeln lassen, nachdem er „fast minutiöse Einträge“ des Obstpfarrers „über Wetter und Ernte“ gefunden habe.

Spuren hinterlassen

Ein anschauliches Beispiel für Christs aufopfernd und beharrlich vorangetriebenen Anstrengungen, seinen ihm anvertrauten „Schäfchen“ nicht nur mit dem Evangelium zu helfen, sondern ganz pragmatisch alles zu unternehmen, um die Lebenssituation der Bevölkerung zu verbessern. Bei aller Begeisterung für die umfängliche geleistete Pionierarbeit in Sachen Obstbau und Bienenzucht gerieten häufig jedoch andere Verdienste in Vergessenheit wie beispielsweise Kauf und Einbau einer exzellenten Orgel im Jahr 1802, auf der „sogar Mendelssohn ein Konzert gegeben hat“, wie Helmut Melzer, langjähriger Kantor der Johanniskirche, in Erinnerung rief. Leider sei dieses hervorragende Instrument im Zuge umfänglicher, durch Kaiserin Friedrich veranlasste, Renovierungsmaßnahmen verschwunden.

Bürgermeister Klaus Temmen dankte in seinem Grußwort allen Beteiligten für ihr Engagement gleichwohl betonte er, es gäbe wohl, außer Kaiserin Friedrich, wenig andere Kronberger, denen ähnlich viel Gedenken zu Teil werde. „Pfarrer Christ und sein Wirken in Kronberg sind Teil unseres Kulturerbes, dessen sind wir uns bewusst“, so der Rathauschef. Nicht zuletzt der jährliche, städtisch organisierte Apfelmarkt zeuge „von unserem Interesse, diesen Aspekt unseres Kulturerbes lebendig zu halten“.

Baumpflanzungen und Ausstellung

Trotz der desaströsen Haushaltssituation hat die Stadt Kronberg Wege gefunden, die Feierlichkeiten zum 200. Todestag des Obstpfarrers zu unterstützen. Auf der kleinen begrünten Fläche mit Ruhebank in der Ludwig-Christ-Straße/Ecke Burgerstraße wurde ein Bäumchen der Winterapfelsorte Hildesheimer Goldrenette, früher bekannt als Christs Deutsche Gold-Renette, gepflanzt. „Nun haben wir unseren eigenen Christ-Baum“, kommentierte Erster Stadtrat Jürgen Odszuck schmunzelnd. Bis die ersten schmückenden fruchtigen „Christ-Baum-Kugeln“ geerntet werden können, wird es allerdings noch ein Weilchen dauern. Die Wartezeit darauf können sich die Kronberger unter anderem mit dem Besuch der ebenfalls am Dienstag im Rathaussaal eröffneten und noch bis Dienstag, 3. Dezember laufenden Wanderausstellung „Alltag macht Geschichte – Kulturhistorische Landschaftselemente in der Region Frankfurt/Rhein-Main“, veranstaltet vom Regionalverband Frankfurt/Rhein-Main in Zusammenarbeit mit der Stadt Kronberg, verkürzen. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr. Darüber hinaus sind die auf der „Pfarrer-Christ-Obstwiese“ im Geiersbergweg aufgetellten über Christs Lebenswerk informierenden Ausstellungstafeln nun auch auf der städtischen Internetseite zu finden. Sie sind auf „kronberg.de“ über das Kultur-Portal, im Themenbereich „Natur-Kultur“ auf der Seite „Pfarrer-Christ-

Obstwiese“ erreichbar.

In Vertretung von Landrat Ulrich Krebs fand der Fachbereichsleiter Kultur des Hochtaunuskreises, Gregor Maier, während der Gedenkfeier lobende Worte. Er zählt den „aufopfernden Gemeindepfarrer“ zum „Typus praktischer Aufklärer“ und erinnerte an dessen Bekanntheit weit über die Grenzen Kronbergs hinaus. So habe er nicht nur Goethe in Weimar regelmäßig mit Kastanien versorgt, sondern ein im Kreisarchiv gefundener Bericht eines Gymnasiallehrers aus Melsungen belege, die Baumschulen des Pfarrers seien nachweislich Anlaufsstelle für viele Besucher Kronbergs gewesen. Der stellvertretende Sprecher des Pomologenvereins, Steffen Kahl, hatte vor dem Hintergrund, dass der als einer der Begründer der Pomologie in Deutschland geltende Johann Ludwig Christ unter anderem edelste Obstsorten aus ganz Europa nach Deutschland einführte, einen im Volksmund als „kleinen Langstiel“ bezeichneten „Carpetin“ als Anschauungsmaterial mitgebracht. Diese etwa 200 bis 300 Jahre alte Winterapfelsorte sei seinerzeit sehr beliebt gewesen.

Rarität aus Guldental

Bevor die Gedenkveranstaltung bei Kaffee und Kuchen im Obsthof Krieger ihren Ausklang fand, pflanzte Obst- und Gartenbauvereins-Vorsitzender Heiko Fischer als Abschluss des Rundgangs auf der „Pfarrer-Christ-Obstwiese“ einen „Guldentaler Knorzekopp“. Dieses Geschenk der Guldentaler anlässlich der 40-jährigen Freundschaft zwischen Kronberg im Taunus und Guldental an der Nahe ist eine „fruchtig-süße Rache“, wie der Entdecker dieser von ihm zufällig vor einigen Jahren am Rande eines Rückhaltebeckens gefundenen Obstsorte, Hans Faus, schmunzelnd berichtete. „Das ist sozusagen unsere Retourkutsche nachdem die Kronberger uns als Gastgeschenk Kronberger Wein ins ‚Weindorf Guldental‘ brachten, wächst nun in der ‚Apfelstadt Kronberg‘ ein Guldentaler Apfelbaum.“ Damit die amüsierten Anwesenden gleich einen Eindruck vom Geschmack dieser Rarität erhielten, hatte Faus einige Früchte zum Probieren mitgebracht.

Den Schlusspunkt unter die Feierlichkeiten zum 200. Todestag von Pfarrer Christ wird im übrigen Hanspeter Borsch kommenden Mittwoch, 27. November um 19.30 Uhr auf Einladung des Geschichtsvereins in der Stadthalle mit seinem Vortrag „Der Pfarrer Johann Ludwig Christ und sein Wirken in Kronberg“ setzen.

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