Dialog baut Brücken: Handwerker machen Mut und Hoffnung dank ihrer Erfahrungen mit Geflüchteten

Kronberg (gw) – Der separate Raum im beliebten Treff Posthaus am Berliner Platz, war gut gefüllt. Der Einladung des Bundes der Selbstständigen (BDS), waren eine ganze Reihe interessierter Zuhörer gefolgt, um sich zum Thema des 25. Treffens der „SID“ (Selbstständige im Dialog) „Chancen, Möglichkeiten, Erfahrungen – Integration von Flüchtlingen in Kronberger Unternehmen“ zu informieren. Kronberger Handwerker berichteten von ihren praktischen Erfahrungen im Umgang mit Mitarbeitern und Geflüchteten. Aber auch Lehrerinnen und ehrenamtliche Flüchtlingshelfer schilderten dem interessierten Publikum anschaulich ihren Arbeitsalltag.

Betriebsleiter Michael Nauheim, Autowelt Rhein-Main, begrüßte als Sprecher im Namen des BDS alle Anwesenden und ließ mit seinen Eingangsworten keinen Zweifel daran, dass er, bedingt durch zunehmenden Wettbewerb, in seiner Branche ein großes Potenzial in den geflüchteten Männern als hochmotivierte mögliche Mitarbeiter sieht. Und dass es sich lohne, sich auch den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen. Hans Willi Schmidt, ehrenamtlicher Helfer seit der ersten Stunde, warb mit großem Enthusiasmus um Verständnis und Unterstützung für die Ankömmlinge. „Seit zweieinhalb Jahren pflegen wir in Kronberg eine hohe Willkommenskultur, auf die er sehr stolz sei,“ so der Vereinsring-Chef, inzwischen habe man in Kronberg ein „tolles Team an Helfern und Paten“. Mit seiner ihm eigenen zupackenden Art und Präsenz erzählt der Stadtpolitiker von den Anfängen und wie er sich gegen größten Widerstand habe durchsetzen müssen. Ob es um Entscheidungen zu Unterkunftsfragen ging, Schlichtungen bei Querelen unter den Neubürgern oder bei logistischen Aufgaben, stets sei es ihm doch gelungen, sich mit Weitblick und Konsequenz und einer klaren Haltung Respekt und Anerkennung auf beiden Seiten zu verschaffen, denn eines macht er gern jedem klar: „Wir haben hier kein Wunschkonzert“.

Im Laufe des Abends berichteten die ansässigen Handwerker, darunter Christian Bettenbühl von der gleichnamigen Schreinerei, Gunnar Uhlemann, Inhaber der Benny + Uhlemann GbR wie auch Michael Nauheim von ihren Erfahrungen im eigenen Betrieb. Der Tenor der drei Aussagen war durchweg positiv, die meisten der Flüchtlinge verfügten bereits über Basis- bis gute Sprachkenntnisse, seien motiviert und suchten doch vor allen Dingen eine sinnvolle Beschäftigung. Natürlich schaffe die neue Kultur auch Probleme, die es mit viel Verständnis und im fortwährenden Dialog zu bewältigen gelte, und das auf beiden Seiten, da waren sich die Gastgeber einig.

„Das A und O sind die Paten“ lobte Bettenbühl, der derzeit zwei Mitarbeiter beschäftigt, das private Engagement Kronberger Bürger, die sich einsetzen. Denn „ohne Paten kann niemand integriert werden.“ Schließlich spielt soziale Eingliederung in das Familienleben der Gastfamilien/Patenfamilien eine große Rolle, ebenso wie Sport. Der nimmt einen hohen Stellenwert ein, denn über sportliche Gemeinsamkeit wird die Sprache spielerisch erlernt und es gelingt ein positiver Austausch, der Entgegenkommen auf beiden Seiten schafft. Paten und ehrenamtliche Helfer der Flüchtlingshilfe wie Theo Schonebeck sind außerdem nicht wegzudenken bei dem hohen administrativen Aufwand, den die Eingliederung und eine Beschäftigung mit sich bringen. Im Geschäftsalltag fehle dem Arbeitgeber „leider Gottes“ die Zeit für solch zusätzliche Dienste, das bleibe dann der Eigeninitiative des Einzelnen überlassen. Und genau damit stoßen die meisten der Geflüchteten bereits an ihre Grenzen, denn die seitenlangen, in komplizierter Behördensprache verfassten Formulare sind auch schon für Deutsche schwer verständlich. Manchmal sei auch das kulturelle Verständnis aus dem Heimatland für Flüchtlinge ein Hindernis für die in Deutschland angebotenen Stellen, weiß eine Lehrerin zu berichten. Ist in unseren Breitengraden ein Schreiner ein sehr angesehener Handwerksberuf, so genießt dieser beispielsweise in Afghanistan nur einen sehr geringen sozialen Status. Nicht verwunderlich, dass dann Angebote für ein Schreinerpraktikum nicht gern angenommen werden, zumal das eigene Können und die Möglichkeiten auch schon mal überschätzt werden. So wollte ein junger Flüchtling nicht mehr seinen Job machen, da er sich eine Karriere in der IT-Branche wünschte. Es war ihm kaum klar zu machen, dass dazu mindestens acht Jahre inklusive Berufsabschluss, Studium und praktische Ausbildung benötigt werden, die letztlich auch finanziert werden müssten.

Eine Berufsschullehrerin berichtete, dass trotz vieler Sprachangebote diese oft nur sehr schlecht angenommen würden. Dafür macht sie die teilweise sehr unterschiedliche Schulbildung in den Heimatländern verantwortlich. Denn neben dem reinen Deutschunterricht und hier insbesondere das Vermitteln von berufsbezogenen Vokabeln müsse darüber hinaus auch allgemeiner Lehrstoff und Wissen, wie Mathematik oder Chemie vermittelt werden, da in den Herkunftsländern der Schulunterricht anders organisiert ist – eine zusätzliche Herausforderung an Lehrer. Eines jedoch ist Voraussetzung: Auch mit einem noch so guten Schulangebot muss am Ende der Flüchtling diesen Aufwand wollen und entschlossen mitarbeiten. Eine Helferin fasste es nachdrücklich, aber mit mildem Lächeln so zusammen: „Die Arbeit mit den Geflüchteten hat uns vor allem Geduld gelehrt.“ Mittlerweile werden eine Reihe von Programmen angeboten, darunter eine Einstiegsqualifizierung für Flüchtlinge, bei der sich Bewerber und Arbeitgeber zunächst kennen lernen können mit dem Ziel, eine qualifizierende Berufsausbildung in diesem Betrieb abzuschließen.

Hans Willi Schmidt belegte mit seinem Quartalsbericht einige Zahlen und Fakten für Kronberg: 153 Flüchtlinge, davon 32 unbegleitete Minderjährige, leben in Kronberg. Zwei Drittel sind Männer, ein Drittel Frauen aus insgesamt 16 Nationen (darunter 25 Syrer, 46 Afghanen sowie weitere Länder). Von diesen seien jetzt 74 anerkannte Flüchtlinge in Kronberg, für die es gilt, sie im Erlernen der deutschen Sprache zu fördern und ihnen bei der Berufsausbildung zu helfen. Für 41 von ihnen werden aktuell Wohnungen gesucht. „Die Arbeit ist langatmig und mühsam, aber es lohnt sich!“, bekräftigt er entschlossen sein Engagement. Schließlich haben auch die Paten viel aufgebaut und wollen gemeinsam mehr erreichen. Sozialpädagogin Inge Papouschek, die junge Menschen bei der Integration unterstützt, berichtet, einige ihrer Schützlinge würden in diesem Jahr volljährig. Aber sie blickt sorgenvoll auf dieses Datum, denn einige Verhältnisse sind völlig ungewiss. Da ist zum Beispiel ein junger Vollwaise, der völlig auf sich allein gestellt in sein Herkunftsland abgeschoben würde, falls er nicht einen Ausbildungsplatz vorweisen kann. Solche menschlichen Schicksale gehen schon unter die Haut, so Papouscheck.

Schließlich kommt eine sympathische junge Frau aus Damaskus zu Wort. Darin Khallouf ist Bauingenieurin und seit genau einem Jahr in Deutschland, seit dem 25. Januar in Kronberg und hat in Syrien ihren Bachelor gemacht. „Ich habe hier zwei Paten, wir machen viel zusammen. Darüber bin ich sehr glücklich, denn wir brauchen Hilfe, alles ist doch so neu,“ berichtet sie mit Bedacht. Sie war am Anfang sehr erstaunt darüber, was Frauen in Deutschland alles dürfen und inzwischen engagiert sie sich selbst ebenfalls in der Flüchtlingshilfe. Sie hat einen Studienplatz an der FU in Darmstadt, besucht bis Juli fleißig ihre Deutschkurse, die sie mit der DSH-Prüfung (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang) abschließt und möchte dann noch unbedingt ihren Master machen. Bis dahin arbeitet sie noch nebenbei. Volker, einer ihrer Paten, vermittelt am Ende noch ein Gespräch mit einem anwesenden Kronberger Bauunternehmer. Die drei verabschieden sich sichtlich zufrieden mit strahlenden Augen und bekräftigendem Händedruck. Man darf gespannt sein und schon jetzt viel Glück wünschen. Ein weiterer Gast des Abends hat sich in Kronberg bereits einen guten Namen als Optiker am Berliner Platz gemacht: Herr Cho, der ursprünglich aus Korea kommt. Er hat es „geschafft“, wie man so schön sagt und weiß, dass hinter seiner Karriere sehr viel Arbeit und Fleiß steckt.

Bei einem Glas Wein sitzt gegen Ende der Veranstaltung noch eine kleine Runde beieinander und fasst noch einmal alle wichtige Erkenntnisse zusammen: Zuhören, Gemeinschaft, Verständnis und Geduld – alles braucht eben seine Zeit. Zwei Jahre dauert es, die Sprache einigermaßen zu beherrschen, mindestens genauso lange, Vertrauen aufzubauen und Fuß zu fassen.

Der Abend habe Mut gemacht, verabschieden sich die Tischnachbarn und so wie ihnen geht es vielen. Oder wie Vaclav Havel so treffend formulierte: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“, sinniert Hans Willi Schmidt und dankt nochmals allen, die sich so tatkräftig einsetzen.



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