Dr. Walther Leisler Kiep blickt auf 90 ereignisreiche Jahre zurück

Der Jubilar gemeinsam mit seiner Ehefrau Charlotte. Die beiden haben am 26. November letzten Jahres Eiserne Hochzeit gefeiert. Foto: privat

Kronberg (pu) – Der als einer der einflussreichsten deutschen Nachkriegspolitiker geltende, in der Burgstadt beheimatete, Dr. Walther Leisler Kiep hat am Dienstag das 90. Lebensjahr vollendet. Gefeiert wird dieses besondere Ereignis im engsten Familienkreis.

Das Licht der Welt erblickte er als „Hamburger Jung“ der Sohn des Korvettenkapitäns a. D. und Vorstandsmitglieds der Hamburg-Amerika-Linie Louis Leisler Kiep, eines Bruders von Otto Kiep, und Eugenie Maria Anna vom Rath, einer Tochter Walther vom Raths, am 5. Januar 1926. Von Anfang an stand sein Leben demzufolge unter besonderen Vorzeichen und es nahm in der Tat einen interessanten und ereignisreichen Verlauf.

Einen Teil seiner Jugend verbrachte er wegen beruflicher Veränderung seines Vaters am Bosporus. Häufig besuchte er allerdings auch die Großeltern in Kronberg im Taunus. Im Alter von 13 Jahren begegnete er in der Burgstadt der Tochter einer befreundeten Familie, Charlotte ter Meer, gleichzeitig Freundin seiner Schwester Erika.. Die jungen Leute, begeisterten Reiter, trafen sich regelmäßig im Gestüt „Rettershof“. Schon diese ersten Begegnungen hinterließen bei dem Heranwachsenden einen nachhaltigen Eindruck. Er überraschte seine Mutter mit dem Bekenntnis: „die Lotte werde ich später einmal heiraten...“.

Freund in schwieriger Zeit

So schnell wie erhofft ging dieser Wunsch allerdings mitnichten in Erfüllung. Die am 1. Februar 1920 geborene Charlotte ter Mer entschied sich 1941 zunächst für den Luftwaffenoffizier Wilhelm Knapp, der 1944 mit seinem Flugzeug tödlich verunglückte. Nach Kriegsende musste die Witwe ihr Haus verlassen und mit ihrem dreijährigen Sohn Edmund in ein kleines Zimmer ziehen. Auch die Familie Kiep blieb von den Folgen des Krieges nicht verschont, die Amerikaner beschlagnahmten auch ihr Haus und die Familie fand bei der befreundeten Familie ter Meer Unterschlupf. Die jungen Leute sahen sich nun wieder häufiger, nicht nur im Hause ter Meer, sondern Walther besuchte Charlotte und ihren Sohn des Öfteren und versorgte sie mit Mehl, das er verbotenerweise irgendwo abgezweigt hatte. Er war ihr in einer sehr schwierigen Zeit – Charlotte hatte in kurzer Folge ihre Mutter, beide Geschwister und schließlich ihren Mann verloren, – ein sehr guter Freund, der ihren Mann sehr gemocht und bewundert hatte.

„Am liebsten kam er am frühen Abend, um die Reste von Edmunds Grießbrei aufzuessen“, erinnert sich Charlotte Kiep schmunzelnd. Um sich und „seine Lotte“ ernähren zu können, gab Kiep sein Studium in Volksgeschichte und Geschichte auf und beendete statt dessen eine zuvor abgebrochene kaufmännische Lehre bei der Metallgesellschaft in Frankfurt. Anschließend zog es ihn als Werksstudent zu Ford nach Köln, wo er eine bemerkenswerte Karriere hinlegte. Dort kamen er und Charlotte sich langsam näher. Er hatte ihr als Sekretärin bei Ford einen Job verschafft, denn auch sie musste dringend Geld verdienen. Vom Fließband arbeitete er sich bis in den Verkauf hoch. Um das Ganze abzurunden, wurde er darüber hinaus Versicherungsagent und brachte die Fahrzeuge gleich im Paket mit einer Versicherung an den Mann oder die Frau.

Familiengründung

Mit diesem finanziellen Standbein konnte er seine Jugendliebe endlich zum Traualtar in der Johanniskirche führen. 1951 kam Familienzuwachs Michael auf die Welt, zwei Jahre später folgte Walther, die Töchter Charlotte und Christiane kamen 1956 und 1962 dazu. 1954/55 wechselte der Familienvater zu einem großen Versicherungsunternehmen. Fortan bestand seine Hauptaufgabe in der Schadensregulierung von beim Transport über den Atlantik beschädigten Neufahrzeugen. Größter Kunde war das Volkswagenwerk in Wolfsburg.

Steckenpferd Politik

Doch eigentlich war Walther Leisler Kieps Steckenpferd die Politik und so trat er 1961 in die CDU ein. Als Kreistagsabgeordneter konnte er zunächst Beruf und Politik unter einen Hut bringen. Ein Jahr später folgten Kandidatur und Wahl in den Bundestag. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. 1976 wurde er niedersächsischer Finanzminister, vier Jahre später Bundesschatzmeister der CDU und Unterhändler für schwierige außenpolitische Missionen. So kam ihm beispielsweise eine Schlüsselrolle beim Zustandekommen der deutsch-deutschen Städtepartnerschaft zwischen Kronberg und Ballenstedt im Harz zu. Zu beiden Orten hat Dr. Walther Leisler Kiep ganz besondere Beziehungen. In Kronberg war und ist auch heute noch sein Zuhause, in Ballenstedt steht das Haus seines Großvaters väterlicherseits, Walther vom Rath. Der CDU-Politiker ist des Weiteren Neffe des Diplomaten Otto Carl Kiep, der sich dem Nationalsozialismus widersetzte und deshalb am 26. August 1944 gehängt wurde. Noch heute gibt es in Ballenstedt eine Otto-Kiep-Straße und die Kiepsche Villa. Das Anwesen wurde 2009 zu einer Seniorenresidenz ausgebaut. Die Politische Karriere brachte eine notwendige rege Reisetätigkeit mit sich, sodass die Herausforderungen, die mit einer großen Familie verbunden sind, überwiegend von Ehefrau Charlotte gestemmt wurden.

Ihre Goldene Hochzeit 2010 nahm das Paar zum Anlass die „Otto-C.-Kiep-Stiftung“ zu gründen, mit deren Hilfe Bedürftigen in Kronbergs Partnerstadt Ballenstedt geholfen wird. Diese Stiftung bildet sozusagen das dritte Standbein einer bereits bestehenden Stiftung, die 1975 nach dem Tod ihres Sohnes Michael, der Journalist werden wollte, ins Leben gerufen wurde, um jungen Journalisten einen dreimonatigen USA-Aufenthalt zu ermöglichen. Nach der Wende wurde der Stiftungszweck insofern erweitert, dass nunmehr auch Studenten der Bergakademie Freiberg die Möglichkeit bekommen sollten, die ehemalige DDR zu besuchen, um Kontakte zu knüpfen und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen.

Noch im hohen Alter war Kiep mit all seinem Wissen ein gefragter Mann, reiste häufig ins Ausland und hielt Vorträge. In letzter Zeit ist es infolge gesundheitlicher Probleme ruhig um ihn geworden. Seine Familie, Freunde, Parteikollegen und Bekannte wünschen ihm umso mehr alles nur erdenklich Gute zu seinem Ehrenfest.



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