Von Engeln und Teufeln – Katharina von Bora, widerspenstige Frau hinter großem Reformator

Kronberg (aks) – Wann denn eigentlich die Emanzipation begonnen habe, fragte Brigitta Hermann, künstlerische Leiterin, zur Begrüßung das Publikum im Wappensaal auf der Burg, das zur letzten Teezeit in dieser Saison herbeigeströmt war. Ihre Antwort kam prompt: Selbstverständlich schon 1524, als die muntere Nonne Katharina von Bora, gerade dem Zisterzienser Kloster entflohen, dem großen Reformator „Professor Doktor Luther“ die wahren Dinge des Lebens nahe bringt. Als Magd von Lucas Cranach findet die 25-Jährige, verzweifelt heiratswillig, über Umwege und nach einer enttäuschten Liebschaft zu Luther. „Alle Nonnen wollen Freiheit – alle wollen Freier“, auch sie möchte nicht als alte Jungfer enden.

Eine heitere Geschichte, mit viel Charme, Witz, Augenrollen und Schmollmund, erzählt und gesungen von Miriam Küllmer-Vogt, im wahren Leben selbst Pfarrerin in Oberstedten und mit einem Pfarrer verheiratet, die sofort alle Herzen gewinnt, einfühlsam und klangreich begleitet am Flügel von Gernot Blume. Er studierte in USA Weltmusik, Jazz und Komposition. Sein Spiel ist variantenreich, teils lyrisch, feierlich und auch volkstümlich. Die Texte beruhen auf historischen Fakten, Bibelstellen, Zitaten und Briefen, die Martin Luther an seine geliebte „Herr Käthe“ schrieb. Besonders eindringlich und voller Sehnsucht singt Küllmer-Vogt von ihrer Flucht aus dem Kloster, in das die Stiefmutter sie mit sechs Jahren steckte, und aus dem sie in der Osternacht in leeren Heringsfässern floh und von Luther aufgenommen wurde. „Das war meine Auferstehung!“ Endlich war sie frei. Sie hatte die Ketten des Glaubens gesprengt: „Ich darf singen, ich darf tanzen, ich darf wieder glauben, dass Gott es gut mit mir meint“. Sie plaudert voller Herzenslust – „kein Wunder nach 18 Jahren Schweigegelübde!“

Katharinas herzerfrischender Sarkasmus richtet sich gegen Adlige, Bauern und Geistliche, die allesamt verschleudern und plündern, was das Zeug hält – und macht auch nicht Halt vor der Respektsperson Martin Luther. Sie zetert, schluchzt steinerweichend vor Selbstzweifel und Selbstmitleid und spielt die schmeichelnde Verführerin Auge in Auge mit Luther, dem sie ungeduldig einen Antrag macht. Wie eine einfache Magd gekleidet wird Katharina von Bora in diesem Ein-Frau-Musical zur Muse, die engelsgleich die schönsten Kirchenlieder singt (ein feste Burg ist unser Gott), und zur Furie, die kreischt und voller Wut auch am liebsten Teller an die Wand werfen würde. Sie spielt die Fromme, die im Gebet und in der Liebe zu Gott ihr Heil sucht und auch als listenreiche Eheanwärterin erfüllt sie die Bühne mit schönster Schauspiel- und Sangeskunst. Mal ist sie die freche Göre, die sorglos herumalbert, dann wieder die sehnsüchtig liebende Frau, die im Leben nicht nur „blinder Passagier“ sein möchte.

Die Botschaft von der Liebe Gottes vereint den ehemaligen Mönch und die Nonne, aber auch ihr Hadern mit Gott. „Gott liebt uns wie wir sind, was ist, wenn das gar nicht stimmt?“ Auch die Reformation hat nicht nur Glück gebracht: „Wir haben Krieg, Hass, Verwüstung, Gewalt“ und so geht sie unerbittlich mit Luther ins Gericht: „Müssen wir jetzt alle dafür zahlen, weil er mit dem Leben nicht klar kommt?“ Sie glaubt, ihn durchschaut zu haben: „Er hat Angst!“

Die Furcht, den Antichrist zu zeugen, „wenn Mönch und Nonne beieinander liegen“, wie die Leute auf der Straße das große Unheil voraussagen – hier klingt der Petrof-Flügel wie eine Drehorgel – wägt Katharina ab. Anfangs zögerlich und eingeschüchtert, entscheidet sie sich, an die Liebe zu glauben, die zwei Menschen verbindet und die etwas Wunderbares gebiert. „Fürchtet Euch nicht!“, das ist ihr Credo. Sehr feierlich ist die Vertonung des Korinther Briefs 13, der berühmte Bibel-Text über die Liebe und die Melodie gehen unter die Haut: „Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen ... irgendwann hört alles auf, nur die Liebe endet nie.“ Sie hat den Glauben an die göttliche Liebe verinnerlicht, allein ihr kommen ab und zu Zweifel: „Wo bist du Schöpfer der Welt, der mich – angeblich – sanft in seinen Händen hält?“. Die ehemalige Nonne ist auch nur ein Mensch und möchte gern Klarheit: „Wenn du da bist, bitte komm zu mir! Handle jetzt!“ Aus dem Gebet wird ein Befehl. Nach einigen Augenblicken der Stille wird sie bockig: „... wär ja auch zu schön gewesen.“

Katharinas einsamer Gesang ist anrührend und zeigt, wie verletzlich und hilflos sie ist, wie stolz und wie mutig sie um ein anständiges Leben kämpft. In der Stille erkennt sie, dass sie glauben und vertrauen muss. Auch ihrer Liebe zu Luther: „Liebe kann man nicht abzählen oder berechnen.“

Das Happy-End ließ nicht lange auf sich warten: Die widerspenstige Käthe wurde am 13. Juni 1525 seine Frau und gemeinsam bekamen sie sechs Kinder. Bestimmt haben bei dieser Hochzeit die Engel gelacht und die Teufel geweint. Sie war Luther mit ihrem Lebensmut eine kluge Gefährtin, „die ihm zeigte, wie man lebt.“ Wie heißt es so schön: „Hinter jedem großen Mann steckt eine kluge Frau“, die beiden sind ein weiterer Beweis dafür. Das Publikum zeigte sich angenehm überrascht, wie man christliche Themen so amüsant und mit großem Witz als Musical auf die Bühne bringen kann und damit einen vergnügten Bogen in die Gegenwart schlug. Miram Küllmer-Vogt gab eine Katharina von Bora, die nicht nur wie die Englein im Himmel sang, sondern auch mit den Teufeln in ihrer Brust kämpfte, dass es eine Freude war und bei allem heiligen Ernst herzlich gelacht wurde. Das Motto für die nächste Saison lautet: „Auf der Suche nach dem Glück.“

Singen wie ein Engel und schimpfen wie ein Rohrspatz: Miriam Küllmer-Vogt als Katharina von Bora im Wappensaal, am Klavier begleitet von Gernot Blume.

Foto: Sura



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