Fest der Alten Musik lässt keine Wünsche offen

Mit Blockflöten in vielen verschiedenen Größen und Tonlagen spielten im Prinzengarten fünf Studentinnen unter dem Motto „Tanzt und trinkt!“ Werke von sechs Komponisten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Fotos: Wittkopf

Kronberg (pf) – Welches Ambiente könnte schöner sein, um Barockmusik zu genießen, als die Kronberger Burg. Am Sonntag war es wieder einmal so weit. Der Kronberger Kulturkreis lockte mit der „Barocknacht auf Burg Kronberg“ trotz des schwül-heißen Wetters zahlreiche Musikfreunde hinauf zum Wahrzeichen der Stadt, wo Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main auf der Außenbühne, im Prinzengarten, im Terracottasaal und im Wappensaal mit 16 Konzerten barockes musikalisches Flair verbreiteten.

Bereits seit 1995 veranstaltet das Institut für Historische Interpretationspraxis der Frankfurter Musikhochschule mit seinem Leiter Professor Michael Schneider und gemeinsam mit seinen Studentinnen und Studenten jedes Jahr an wechselnden Spielorten dieses Konzertereignis. Denn „Alte Musik“, so Michael Schneider, hat an der Hochschule eine besondere Stellung. „Das Institut für Historische Interpretationspraxis versteht sich als Ort der Auseinandersetzung mit aktueller interpretatorischer Praxis im heutigen Musikleben“, so der Professor. „Alte Musik wird dabei als eine Form von Gegenwartskunst begriffen, bei deren Rezeption künstlerische und wissenschaftliche Aspekte ineinander spielen.“

Unterrichtet von hochqualifizierten Dozenten, die sich allesamt als führende Künstlerpersönlichkeiten auf dem Gebiet der Alten Musik etabliert haben, studieren an seinem Institut junge Menschen aus aller Welt. Das war auch am Sonntag zu sehen und zu erleben, denn viele der Musikerinnen und Musiker, ob sie nun Barockvioline, Violine, Viola, Barockoboe, Oboe d‘amore, Cembalo, Hammerklavier, Blockflöte oder Traversflöte spielten, kommen nicht nur aus dem europäischen Ausland, sondern auch aus vielen Ländern Asiens.

Mit einer neuzeitlichen Erstaufführung, Georg Philipp Telemanns Ouverturen-Suite D-Dur, Telemann Werke Verzeichnis (TWV) 55: D20/ TWV deest (deest bedeutet, dass das Werk in den Verzeichnissen der Telemannwerke noch keine Nummer hat) mit den Sätzen Ouverture, Bourée, Courante, Entrée, Rigaudon, Air und Rondeau Hanaquoise, begann am Nachmittag der Konzertreigen auf der Außenbühne der Burg. Dabei erklangen unter dem Motto „Aufgeweckt & Sinnreich“ zwei Barockoboen, zwei Barockviolinen, eine Barockviola, ein Barockcello, eine Violone und ein Cembalo.

Ab 16 Uhr hatten die Gäste auf der Burg jeweils die Qual der Wahl zwischen drei gleichzeitig stattfindenden Konzerten. Im Terracottasaal und im darüber liegenden Wappensaal fanden je fünf Konzerte statt, bei denen Werke von Franz Xaver Richter, Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Heinrich Schmelzer, Joseph Haydn, Luigi Boccherini, Johann Jacob Froberger, Louis-Nicolas Clerambault, Baldassare Galuppi, Johann Gottlieb Janitsch, Johann David Heinichen, Pietro Locatelli, Georg Philipp Telemann und Wolfgang Amadeus Mozart erklangen.

Sein Trio KV 498 mit dem ungewöhnlichen Namen „Kegelstatt“, das im Terracottasaal erklang, soll Mozart übrigens tatsächlich in einer Wiener „Kegelstatt“ komponiert haben – beim Kegeln, Billardspielen und Musizieren mit Freunden: Der eine spielte Flöte, seine Schwester Klavier und ein dritter Klarinette. Daher die ungewöhnliche Besetzung des Trios.

Es wurde nicht nur Barockmusik auf zum Teil wunderschönen Instrumenten gespielt, sondern auch gesungen: Im Terracottasaal erklang mit dem Bariton Johannes Schwarz die Cantate IV: „La Mort d‘Hercule“ von Louis-Nicolas Clerambault. Und im Wappensaal war auch ein bekanntes Kirchenlied von Paul Gerhardt „O Haupt voll Blut und Wunden“ zu hören, allerdings nicht gesungen, sondern für Oboe, Violine, Viola und Cembalo komponiert von Johann Gottlieb Janitsch.

Auf der Außenbühne spielten zwei Studierende unter dem Motto „Double Duo Français“ zwei Werke von Jacques Aubert und Jean-Marie Leclair für zwei Violonen und unter dem Motto „Flauti Allegri“ drei Studierende Werke von Johann Christoph Schmügel, Vincenzo Ruffo, John Baldwin und Johann Mattheson für drei Blockflöten.

Blockflöten ganz unterschiedlicher Stimmlagen und Größen konnten die Konzertbesucher am späten Nachmittag auch im Prinzengarten beim Konzert unter dem Motto „Tanzt und trinkt!“ erleben. Fünf junge Musikerinnen spielten dort Werke von Pierre Attaignant (in einer Bearbeitung von Paul Hindemith), Cesario Gussago, Füllsack und Hildebrand, Michael Praetorius, John Dowland und Hermann Finck, dessen Komposition mit dem Titel „Sauff aus und machs nit lang“ dem Konzert zu seinem Namen verholfen haben dürfte.

Um 16 Uhr hatte im Prinzengarten eine aus vier Mitgliedern bestehende Oboenband mit Barockoboen, Oboe da Caccia und Barockfagott Georg Philipp Telemanns Ouverture-Suite in B-Dur „Les Nations“ aufgeführt und um 16.45 Uhr erklang dort unter dem Motto „The Fruit of Love“ Consortmusik des 16. und 17. Jahrhunderts von Anthony Holborne, John Dowland und anderen, bei der auch Professor Michael Schneider zu den Ausführenden gehörte. Zum Abschluss der Barocknacht begaben sich die Musikerinnen und Musiker in die Johanniskirche, wo ein Orchester aus den Studierenden der Abteilung Historische Interpretationspraxis unter der Leitung von Michael Schneider Alessandro Scarlattis Serenata „Il giardino d‘amore“ aufführten, eine dramatische Szene, in der es um eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Liebenden Venus und Adonis geht. Jolana Slavikova, Sopran, sang die Partie des Adonis, Nohad Becker, Alt, die der Venus.

Es war – wie auf der liebevoll gestalteten Titelseite des übersichtlichen Programmhefts angekündigt – ein Fest der Alten Musik, das keine Wünsche offen ließ.

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