Wohin geht die Reise für das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude?

Welches Nutzungskonzept für die Sanierung des maroden Bahnhofs macht das Rennen? Der Magistrat hat sein Votum abgegeben. Er favorisiert die REAL Grundstücksverwaltungs-GmbH & Co.KG. (Anbieter 1). Bürgermeister Temmen hält mit einem eigenen Antrag dagegen und spricht sich für die „Unser Bahnhof GmbH & Co.KG“ (Anbieter 2) aus. Die Entscheidung liegt nun in den Händen der Stadtverordneten.
Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Der Tag der Entscheidung im Stadtparlament für die Weiterentwicklung des Bahnhofsgebäudes rückt näher: Der Magistrat hat sich zwischen den zwei Bietern für das Bahnhofsgebäude, der Real Grundstücksverwaltungs-GmbH & Co.KG und der „Unser Bahnhof GmbH & Co. KG“, die in die Endauswahl gekommen sind (wir berichteten), einen Favoriten benannt: die REAL KG (Anbieter 1).

Magistrat favorisiert Anbieter 1

In einem sechsseitigen Papier hat der Magistrat mittels der Ursprungspräsentationen, deren Überarbeitungen und den ergänzenden Schriftverkehren beide Konzepte für das Bahnhofsgebäude nach verschiedenen Kriterien verglichen und kommt danach in der Gesamtbewertung zu einer Entscheidung für Anbieter 1. Zu den Bewertungskriterien zählten das Nutzungskonzept, das Gebäude selbst sowie der Kaufpreis, die Finanzierung sowie sonstige wirtschaftliche Kriterien.

Gesamtbewertung Magistrat

In der Gesamtbewertung des Magistrats heißt es: „Die Konzepte unterscheiden sich im Wesentlichen darin, in welchem Gebäude die Funktionen für den Bahnreisenden, insbesondere der Fahrkartenverkauf, untergebracht werden und in der Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes.“ Anbieter 1 will den derzeit ausgelagerten Fahrkartenverkauf wieder in den Bahnhof zurückbringen, was insbesondere von der Oberen Denkmalschutzbehörde als Teil der ursprünglichen Nutzung des Bahnhofs begrüßt wird. Durch diese Serviceeinrichtung und die von verschiedenen Mietern (Bäckerei Flach) angebotenen Leistungen werde mehr Frequenz erzeugt und der Bahnhof stärker belebt. Weiter heißt es: „Auf dem durch den Abriss der nachträglichen Anbauten großzügiger werdenden Vorplatz wird eine architektonisch ansprechende Dachkonstruktion errichtet, die den Bürgern zusätzlichen Nutzen durch Wetterschutz und Angebote wie Packstation, Fahrradabstellmöglichkeiten und Fahrkartenautomat bietet.“

Der Bahnhof bleibt Bahnhof

Dem Magistrat gefällt bei dem Nutzungkonzept der REAL KG ganz eindeutig, dass „der Bahnhof bei dem Konzept von Anbieter 1 Bahnhof bleiben wird, da seine Nutzung nicht vorrangig auf eine bestimmte Gruppe, etwa auf die Gäste und Studenten der Kronberg Academy ausgerichtet sein wird, sondern mit seinen Funktionen und Dienstleistungsangeboten allen Kronbergern und den S-Bahnfahrern dienen und zur Verfügung stehen wird“.

Der Magistrat merkt weiter an, dass entsprechend der Stellungnahmen der Oberen Denkmalschutzbehörde und der DB Station & Service AG positiv hervorzuheben ist, dass das Reisezentrum als Teil der ursprünglichen Nutzung wieder im Bahnhof integriert werde und damit der Bahnhof mit seinen „klassischen Funktionen insgesamt wieder der Bevölkerung dienen soll“. Beim Anbieter 2 würden die Bahnhofsfunktionen in einen Neubau verlagert und der Bahnhof entspräche insbesondere den Anforderungen der Kronberg Academy. Auch die „Risikostreuung“ ist nach Überzeugung des Magistrats beim Anbieter 1 besser zu bewerten, da Anbieter 1 die Flächen im Bahnhof an mehrere Mieter (DB, Bäckerei Flach, Gastronom, zwei Mieter) vergeben wird, Anbieter 2 jedoch nur an einen Gastronom (Betreiber der Gaststätte „Zehntscheune“) und einen Mieter (Kronberg Academy), ins Dach will der Anbieter 2 selbst einziehen.

Bezüglich des Kaufpreises beurteilt der Magistrat Anbieter 1 ebenfalls „etwas besser“, obwohl es mit 400.000 Euro 50.000 Euro unter dem Angebot des Anbieter 2 liegt.

„Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Anbieter 2 auch wesentlich mehr für seinen Kaufpreis erhält, da er einen renditeträchtigen Neubau erstellt, während Anbieter 1 die Wetterschutz-Überdachung zur ausschließlichen öffentlichen Nutzung und ohne jede Einnahme der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.“

Verpflichtung auf 20 Jahre

Beide Anbieter sind bereit, eine rechtliche Verpflichtung einzugehen, den Bahnhof mindestens 20 Jahre zu halten, was dann auch für etwaige Rechtsnachfolger gilt, so informiert der Magistrat in seiner Stadtverordnetenvorlage für den 6. Dezember. Der Beschluss des Magistrats steht unter dem Vorbehalt, dass die REAL KG tatsächlich ein Reisezentrum im Bahnhofsgebäude integriert. Die REAL KG informiert hierzu, dass der für ein DB Reisezentrum notwendige Platz, Verkaufsraum (18 Quadratmeter) sowie Backoffice, nach aktueller Auskunft und Anforderungsprofil der DB Vertrieb vorhanden sei. „Gespräche dazu sollten bis zur Angebotsabgabe nicht stattfinden, es waren keine endabgestimmten Pläne vorzulegen“, erklären sie gegenüber dem Kronberger Boten.

Unabhängig von der Magistratsempfehlung steht den Stadtverordneten frei, für welchen Anbieter sie sich entscheiden. Das ist ebenfalls in der Stadtverordnetenvorlage vermerkt. Auch liegt es in ihrer Entscheidungskompetenz, sich eventuell sogar noch für die Variante der Verpachtung des Bahnhofsgebäudes zu entscheiden, falls ihnen keines der zwei Kaufangebote zusagen sollte, auch wenn der Magistrat für die Verkaufsvariante entschieden hat, für die er auch Gründe nennt: Erstens, sieht er sich „aufgrund zahlreicher Großbauprojekte aber auch generell nicht in der Lage, das Bahnhofsgebäude zu sanieren und die Immobilie als Eigentümerin professionell und mit der hierzu erforderlichen Expertise zu betreuen.“ Zweitens betrachtet es der Magistrat gegenüber den Investoren, „die viel Aufwand für die Ausarbeitung ihrer Konzepte betrieben haben“, als „Vertrauensbruch“, wenn die Stadt nun von der Absicht des Immobilienverkaufs Abstand nähme.

Bürgermeister favorisiert Anbieter 2

Bürgermeister Klaus Temmen hat als Magistratsmitglied von seinem „Recht der abweichenden Meinung und seinem individuellen Antragsrecht“ Gebrauch gemacht und einen eigenen Antrag zur nächsten Stadtparlamentsrunde eingebracht, in dem er der Stadtverordnetenversammlung empfiehlt, sich für die „Unser Bahnhof GmbH & Co. KG“, den sogenannten Anbieter 2 zu entscheiden.

In seinem dreiseitigen Antrag begründet der Bürgermeister seine vom Magistrat abweichende Meinung unter anderem mit folgenden Punkten: Das Konzept „Unser Bahnhof GmbH & Co.KG“ plane im neu entstehenden Pavillon die Nutzungen eines vollwertigen Reisezentrums mit 40 Quadratmetern, Kiosk/Minimarkt und Info-Point, eingebunden in ein Tourismuskonzept. Letzteres lasse eine Gesamtaufwertung für Kronberg durch die Bündelung eines umfangreichen Informationsangebotes erwarten. Das Konzept der „Real Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG“ sehe dagegen die Platzierung aller seiner gewerblichen Nutzungen ausschließlich im Bahnhofsgebäude vor. „Aufgrund dieser Beschränkung auf das Bahnhofsgebäude findet ein vollwertiges Reisezentrum, welches mindestens eine Fläche von 40 Quadratmetern benötigt, im Bestand keinen Platz. Dies widerspreche dem aktuellen Angebot und der bekannten Nachfrage der Kronberger Bürgerinnen und Bürger. Daher habe der Magistrat seinen Beschluss unter den Vorbehalt gestellt, dass im Bahnhofsgebäude ein Reisezentrum vorzusehen ist. „Dies ist aber mit dem vorliegenden Konzept nicht umsetzbar, es müsste grundlegend geändert werden. Eine nochmalige Konzeptänderung stellt eine Ungleichbehandlung der beiden Anbieter dar, da einem der beiden Anbieter damit eine nachträgliche Änderung gestattet wird, dem anderen Anbieter jedoch nicht“, argumentiert Temmen.

Der derzeitige Kioskbetreiber hatte ein solches Service Store bereits betrieben und informiert, dass dieses Konzept nicht wirtschaftlich erfolgreich gewesen sei. „Da ein reiner Kiosk im Konzept der Real Grundstücksverwaltungs GmbH & Co.KG nicht vorgesehen ist, fürchtet er um seine wirtschaftliche Existenz“, informiert Temmen dazu. Zwar spräche die Verkaufsfläche für die Traditionsbäckerei Flach „vordergründig“ für das Konzept Real Grundstücksverwaltungs GmbH & Co.KG, jedoch hält Temmen die verkehrliche Andienung an dieser Stelle für „problematisch, da in unmittelbarer Nähe keinerlei Kurzzeitparkplätze existieren“.

Weiter argumentiert der Rathauschef für den Anbieter 2 aus folgenden Beweggründen: „Mit dem erfahrenen Betreiber der Gaststätte ,Zehntscheune‘, dem Betreiber des Bahnhofskiosks, dem Projektentwickler Contraco und der Kronberg Academy gibt es seitens der ,Unser Bahnhof GmbH & Co.KG‘ schon konkrete Vorgespräche und zum Teil Vorvereinbarungen.“ Der Betreiber der Gaststätte „Zehntscheune“ sei „Garant für eine professionelle Gastronomie in einem mittleren Preissegment“ und der Kioskbetreiber verfüge über eine „langjährige direkte und realistische, weil tagtägliche Erfahrung“.

Außerdem macht Temmen darauf aufmerksam, dass die Realisierung der vom Anbieter 1 geplante Überdachung des Bahnsteigs unter dem Vorbehalt stehe, dass die Bahn die Errichtung des Daches ohne Auflagen zur Verlegung von Leitungen genehmigt. „Wie aber bereits festgestellt, ist die Errichtung einer baulichen Anlage auf gewidmetem Bahnbetriebsgelände nicht möglich“, erläutert er zu diesem Punkt. Eine Genehmigungsfähigkeit könne nur hergestellt werden, wenn die für das Dach benötigte Fläche parzelliert und teil- entwidmet würde. „Für eine solche Teilentwidmung müssen alle betriebstechnischen Anlagen entfernt werden, das heißt, die vorhandenen Leitungen müssen auf Kosten des Investors verlegt werden“, erklärt er. Genau dies schließe die „Real Grundstücksverwaltungs GmbH & Co.KG“ jedoch aus. Temmen sieht damit eine Umsetzung des Gesamtkonzeptes des Anbieter 1 in Frage gestellt.



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