Genuss ist, Musik teilen zu können und direkt ins Herz zu senden

Nachwuchstalent Anastasia Kobekina

Foto: Böttcher

Kronberg (bö) – Die Schüler der Klassenstufen 7 bis 13 lauschten 270 Jahre alten Geschichten. Ein Cello erzählte. Und das kam so: Vor ziemlich genau 19 Jahren befand sich eine russische Familie in einem Konzertsaal – das Orchester spielte – da rannte die kleine dreijährige Tochter quer durch die Reihen bis nach vorne – mitten hinein in die Musizierenden und setzte sich zwischen die Cellisten.

So in etwa muss es gewesen sein, als Anastasia Kobekina das Cello für sich entdeckte, so zumindest deren Eltern. Die waren es auch, die ihr fortan Unterricht organisierten, sodass sie bereits im frühen Alter von fünf Jahren ihr erstes Konzert spielen konnte.

Und heute, mit 22 Jahren und seit 19 Jahren an der Seite eines Cellos, ist ihr hölzerner Begleiter kaum mehr wegzudenken. Und dennoch: Sie träumt, sagt sie, stellt sich vor, wie es wohl gekommen wäre, hätte sie niemals mit dem Cellospielen angefangen. Denn man hat keine Wahl mit drei Jahren. Sie hätte sie jetzt, aber Musik scheint süchtig zu machen, denn, so gesteht sie lachend, sie jagt den Momenten hinterher.

Die meisten Menschen gingen nicht wegen der Musik, geschweige denn wegen den Musikern zu Konzerten. „Es geht bloß darum, sich zu präsentieren“, erklärt sie. Und das ist Geschäft. Das ist es, wovon sie finanziell abhängt. Das sind die Zeitabschnitte, in denen vollkommene Kontrolle vorherrscht. In denen der Versuch, die „Wand zu den Zuhörern zu durchbrechen“, vielleicht auch manchmal scheitert.

Wenn die Kontrolle verloren geht, „ist das wie fliegen“, das sind die magischen Momente, in denen „die Zeit anders ist“. Wann das passiert, verrät sie den Schülern auch: bei Kindern. Das Schönste sei, die Wirkung von Musik in den Augen eines Kindes sehen zu können. Sie beschreibt, wie berührend dieses Erlebnis für sie ist, wie schön es sei, Musik teilen zu können und sie direkt ins Herz zu senden.

Das alles klingt sehr poetisch. Doch so malerisch ist ihr Leben nicht immer. Da ist eine Menge Planung, ein Auftrittsjahr ist im Voraus zu organisieren, so die Regel. Da sind unglaublich viele Reisen, die sie vor allem wegen des intensiven Austausches mit anderen Künstlern liebt und genießt, die aber oft so kurz sind, dass sie wenig sieht von den Orten, die sie besucht. Da sind die Augenblicke, in denen sie sich wünscht, mehr Zeit für sich zu haben.

Trotzdem macht sie weiter. Bei Wettbewerbsvorbereitungen können es schon mal acht Stunden am Tag werden, die sie üben muss. Aber auch das scheint sich zu lohnen, denn die junge Cellistin hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen.

Anastasia geht es bei ihrer Musik jedoch hauptsächlich um das Gefühl, das sie vermittelt: Um das „Gefühl von Leuten, Kulturen und Orten“. Und das ist etwas, das man leicht vergisst, ebenso wie die Tatsache, dass die seit vier Jahren in Deutschland lebende Künstlerin nur selten zu Hause ist und noch seltener ihre Eltern sehen kann. Die wohnen nämlich in Moskau. Dort und in ihrem Geburtsort, dem Uralgebirge, ist sie aufgewachsen wie ein ganz gewöhnliches Mädchen. „Es ist wie mit dem Sport“, sagt sie. „Der eine macht viel Sport, ich spiele Cello. Und nur wer viel übt, kann auch besser werden.“ Das, macht sie glücklich. Und mehr will sie nicht. Basta!

Das Kulturprojekt TONALI führte in Zusammenarbeit mit der „Kronberg Academy“ diese Musikveranstaltung durch. An drei Schulen (St. Angela, Frankfurt International School und der Altkönigschule) bereiteten eigens dafür ausgebildete Schüler den Auftritt eines Musikers vor. Dieses Schülerkonzert diente dem Kartenverkauf für das Dienstag, 27. September, stattfindende Konzert zur Eröffnung der Cello Meisterkurse und -konzerte. Der Kartenverkauf verlief als eine Art Wettbewerb. Die Schule mit den meist verkauften Eintrittskarten sichert dem jeweiligen Musiker die Weiterfinanzierung seines Studiums. Die 22-Jährige Anastasia Kobekina spielte an der Altkönigschule gleich dreifach vor: Für die Klassen 7 und 8, die Klassen 9 und 10 und zuletzt die Klassen 11 bis 13. Zwischen Cello und Spiel erzählte die junge Frau: Etwa über Bach, zu dessen Zeit der, das Instrument stützende Stachel, noch nicht erfunden war. Oder über den amerikanischen Komponisten George Crumb und über den Finnen Peteris Vasks, dessen Stück sie hörte, und, nachdem sie keine dazugehörigen Noten finden konnte, sich diese übers Hören selbst beibrachte. Und – schlussendlich – natürlich auch etwas über den Lieblingskomponisten: ihren Vater. Der ihr zwischen Opern hin und wieder Cello-Kompositionen schreibt.

Fakt ist auch, dass ein großes Nachwuchstalent noch immer üben muss und Angst vor Tonaufnahmen hat. „Ich kann sie im Nachhinein nicht mehr verändern. Das ist Druck für mich. Weil ich keine Fehler machen darf.“



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