Goethe hätte seine Freude gehabt: Ausstellung im weißen Saal der Burg

Eine gelungene Doppel-Ausstellung zum Thema „Luther und Europa“ und „Kronberg und die Reformation im renovierten weißen Saal auf der Burg. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Nach Terracottasaal und Wappensaal ist es dem Burgverein gelungen, rechtzeitig zur Eröffnung der Doppelausstellung „Luther und Europa“ sowie „Kronberg und die Reformation“ den weißen Saal im zweiten Obergeschoss fertigzustellen. Mit ihm sind die großangelegten Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten auf der Burg abgeschlossen. Der in reinem Weiß geputzte Saal, der aus den Fenstern einen einzigartigen Blick über Kronbergs Kastanienwälder bietet, steht für Ausstellungen bereit, während im Wappensaal Konzerte und andere Darbietungen stattfinden und der Terrcacottasaal für Hochzeiten und Geburtstagsfeiern gemietet werden kann.

So wurden denn auch am Dienstagabend sogleich alle drei Säle bespielt: der kleine Festakt im Wappensaal, danach die Ausstellung im weißen Saal und zum Abschluss, wieder im Erdgeschoss angelangt, konnte der Abend bei einem kühlen Getränk und einem Stück Quiche im Terracottasaal beschlossen werden. Die Sprecherin des Burgvereins und der Burgstiftung, Martha Ried, als auch Herbert Bäcker vom Arbeitskreis Bau dankten in ihren Reden zur feierlichen Eröffnung noch einmal all den großen und kleinen Spendern, die die umfangreichen Baumaßnahmen überhaupt erst möglich gemacht hatten. Herbert Bäcker gab außerdem mittels Anekdoten Einblicke in Teile der Burggeschichte und ließ die Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau der Burg lebendig werden, als er seine Zuhörer fragte: „Wissen Sie eigentlich, auf welchen Eichenbrettern Sie hier sitzen?“ Diese Eichendielen seien 1905 in Bremerhaven gefertigt worden. Damals sei das Holz aus Segelschiffen für den Bau solch vier Meter langer Bretter verwendet worden. „Sie sitzen also möglicherweise auf Holz, das die ganze Welt bereist hat.“ Und augenzwinkernd fügt er hinzu: „Damit sind wir mit der Burg noch lange keine Weltstadt, aber trotzdem auf der ganzen Welt zuhause!“

Großes Vergnügen an seinem Part, in die Ausstellung einzuführen, war Gregor Maier, Leiter des Fachbereichs Kultur und des Kreisarchivs beim Hochtaunuskreis, anzumerken: Hatte er doch selbst in der Arbeitsgruppe des Burgvereins mitgearbeitet, die nun neben der Wanderausstellung eine eigene Ausstellung erarbeitet hat. Die vom Hessischen Staatsarchiv Marburg anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation konzipierte Wanderausstellung dokumentiert vor allem die europaweiten Auswirkungen der Reformation und behandelt auch das Wirken des fürstlichen Reformators, Landgraf Philipp von Hessen, der im Jahre 1526 nicht nur in seiner Landgrafschaft, sondern auch im damals hessisch besetzten Reichslehen Kronberg die Reformation eingeführt hatte.

Schwerpunkte der burgeigenen Ausstellung „Kronberg und die Reformation“ sind das Bild der Stadt um 1500, das Leben von Hartmut XII. als wichtigen Verfechter des neuen Glaubens, die Sickingen-Fehde als Ausgangspunkt der Belagerung und Besetzung Kronbergs im Jahre 1522, die Theologie Hartmuts XII. und seine Beziehungen zu anderen prominenten Vertretern der Reformation, vor allem zu Michael Stifel und Martin Bucer. Ferner werden die Reisen und Aktivitäten von Hartmut XII. während seines rund 19-jährigen Exils nach seiner Vertreibung dokumentiert und die Folgen der Reformation in Kronberg bis hin zum Bau der Streitkirche dargestellt. Den Abschluss der Ausstellung bildet das Kapitel „Hartmut XII. in der Nachwelt“ mit selten gezeigten Historienbildern aus dem Archiv des Frankfurter Städelmuseums.

Mit großer „Wucht“ werden die 500 Jahre Thesenanschlag des Reformators Martin Luther gefeiert, stellte Maier fest. Als Historiker, der natürlich im Namen von Landrat Ulrich Krebs zunächst allen Ehrenamtlichen für ihren „hohen Einsatz“ dankte, blickte er zunächst 200 Jahre zurück auf das 300-jährige Reformationsjubiläum. Damals habe Goethe an seinen Freund Knebel geschrieben: „Unter uns gesagt, an der ganzen Sache ist nichts interessant als Luthers Charakter und es ist auch das Einzige, was der Menge eigentlich imponiert. Alles Übrige ist ein verworrener Quark, wie er uns noch täglich zur Last fällt.“ Ohne so radikal wie Goethe vorzugehen und die Rahmenbedingungen der Reformation als „verworrenen Quark“ zu ignorieren, liege der Schwerpunkt der Ausstellung des Burgvereins ebenfalls auf starken Persönlichkeiten, ihren Schicksalen, ihrem Handeln und dessen Nachwirkungen. „In diesem Sinne, glaube ich, hätte Goethe seine Freude an der Ausstellung gehabt“, meinte Maier.

In der Wanderausstellung begegnen die Besucher der Zentralgestalt der Reformation, eingebettet in den weiten Horizont des alten Europas. Im zweiten Teil steht Harmut XII., der Bekenner, als einer der spannendsten Persönlichkeiten der Reformationsgeschichte im Mittelpunkt, mit einer Wirkung, die weit über Kronberg hinausreiche. Hartmuts Geschichte sei schlichtweg spannend. Er, als Kämpfer für die Reformation, außergewöhnlich für die Zeit, dass er vorwiegend mit Feder beziehungweise der Druckerpresse kämpfte. Er, als tragische Gestalt, dem es nicht gelingt, seine Untertanen in der ihm angestammten Herrschaft Kronbergs zum Luthertum zu bringen. Das soll erst einige Jahre später nach seiner Vertreibung mit dem Landgraf Philipp von Hessen geschehen, der sich der Reformation zuwendet und den Kronbergern den evangelischen Glauben befiehlt, erklärte der Historiker.

Hartmut bilde den Brückenschlag von dem zunächst einmal gedanklich wie geografisch weit entfernten theologischen Thesenpapier eines Wittenberger Professors. Hartmut korrespondierte mit Luther und begegnete ihm auch persönlich. „Er war außergewöhnlich früh von dessen Lehre beeindruckt und begeistert.“ Und Hartmuts leidenschaftliche Texte seien bis heute lesenswert und beeindruckend. „Wir kommen also hier, vor Ort, im kleinen Kronberg, der großen Reformationsgeschichte auf die Spur“, stellte er mit Freude fest.

Und er lud daraufhin die Gäste ein, sich selbst ein Bild zu machen, ob dieses Experiment, der Brückenschlag, die weite europäische Perspektive der Wanderausstellung mit dem engen Blick auf Burg, Stadt, Haus und Herrschaft Kronberg zu kombinieren, gelungen ist.

Die Doppelausstellung ist bis einschließlich Sonntag, 16. Juli, während der regulären Öffnungszeiten der Burg Kronberg zu sehen. Der Kronberger Teil der Ausstellung im weißen Saal ist so gestaltet, dass er auch unabhängig von der Wanderausstellung weiter gezeigt werden kann. Wegen der Barocknacht ist die Ausstellung am Sonntag, 9. Juli, nur bis 15 Uhr zu sehen. Die Termine für Führungen durch die Reformationsausstellung werden noch gesondert veröffentlicht. Auch Sonderführungen sind nach Anmeldung möglich.

Besonderen Applaus gab es an diesem gelungenen Premieren-Abend auch für die musikalischen Beiträge der kleinen, aber sehr virtuosen Mädchen des Jugend-Sinfonie-Orchesters Hochtaunus.

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