Hessischer Filmpreis für Inigo Westmeier mit „Drachenmädchen“

Kronberg – (mw) – Der Tag in der größten Kung-Fu-Schule in China beginnt für die Jungen und Mädchen um 5.40 Uhr mit einem einstudierten Training, bei dem jeder Handgriff, jeder Fußtritt sitzt. Nach dem Morgenlauf wird das harte Training nach kurzem Frühstück um 7.30 bis 11.50 Uhr fortgeführt. Mittags wird in Hetze gegessen, danach gehen Unterricht und die verschiedenen Trainingsformen (Kickboxen, Schwertkampf) unerbittlich weiter, bis um 20.30 Uhr das Schlusshorn zur Bettruhe bläst.

Regisseur und Kameramann Inigo Westmeier, der in Kronberg seine Jugend verbrachte (seine Mutter, Brigitta Westmeier, leitete viele Jahre die Kronberger Kunstschule), war nach der Filmpremiere in Berlin im März zur Matinée am Sonntag in den Kronberger Lichtspielen zu Gast gewesen, um sein Filmdebüt „Drachenmädchen“ – ein Dokumentarfilm im Kinoformat, Familien und Freunden, Bekannten und vielen interessierten Kronbergern vorzustellen.

Jetzt hat Westmeier den hessischen Filmpreis für seinen Dokumentarfilm erhalten. Seit 1989 / 1990 vergibt das Land Hessen den Hessischen Film und Kinopreis. Die Auszeichnungen werden einmal jährlich vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Zusammenarbeit mit der Hessischen Filmförderung vergeben: 20.000 Euro beträgt das Preisgeld. In der Jurybegründung heißt es unter anderem: „Klug ausgewählte Protagonistinnen, wie die neunjährige Xin Chenxi, ergeben erschreckend abgeklärte und reflektierte Einblicke in das Leben in der Kung-Fu Schule und des heutigen China. Der Film gewährt optisch überaus eindrucksvolle Einblicke und lädt ein zu einer bewegenden Reise in eine fremde Welt.“ „Drachenmädchen“ sei der „cineastischste Film“ der drei nominierten und biete „bildgewaltige, emotionale und lehrreiche Unterhaltung“.

Neun Jahre hat Inigo Westmeier für seinen Film gekämpft – „solange dauert nicht mal ein Studium“, sagt er, „aber dann hatte ich die Gelder zusammen.“ Er gab auch nicht auf, auch als bei seiner ersten Recherchereise 2009 erste offizielle Verhandlungen scheiterten. 2012 schließlich erhielt er die Drehgenehnigung für 22 Tage im Sommer, und eine weitere Woche im Winter in der Shaolin Tagou-Schule in China zu drehen, verbunden mit diversen Drehtagen und Reisen zwischen der Tagou-Schule in der Henan Provinz (Zentralchina) und den Heimatorten der drei Mädchen, deren Geschichte er in seinem Film erzählt – jeweils 1.000 Kilometer von der Schule entfernt. „Auch während des Drehs habe ich jeden Tag von allen Seiten gehört, was nicht funktioniert und habe dann quasi jeden Tag aufs Neue das Unmögliche möglich gemacht.“ Der Filmemacher durfte die Mädchen über viele Tage begleiten, beim Training, beim Mittagessen, beim Telefonat mit den Eltern, beim Wettkampf – eine Person vom Staat und einer von der Schule als Kontrolleur inklusive. „Aber ich durfte schließlich sogar im Mädchentrakt drehen.“ Und trotz der Hürde des Dolmetschens und der chinesischen Erziehung, in der Gefühle ein Zeichen von Schwäche sind, ist es ihm gelungen, hinter die Fassade zu blicken, die Mädchen haben sich ihm geöffnet, ehrlich geantwortet und viel von sich preisgegeben. Sein Durchhaltevermögen wurde jetzt endlich gebührend belohnt.



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