Hessisches Kulturgut schützen ist den Kronbergern Ehrensache

Die „Thäler Skatbrüder“ Frank Löhr (Zweiter links vorne), Bernd Girold (hinten Mitte mit Hut), Klaus Lasdantzky (Mitte vorne) und Uwe Lenz (Zweiter von rechts vorne), sind ausgesprochen stolz: Eben sind sie zum „Äppelwoimaster 2014“ gekürt worden. Die Jury hat entschieden, dass ihr „Stöffche“ das Beste ist! Mit an der Spitze Stefan Mausolf (links vorne) auf Platz zwei und Helmut Krieger (rechts vorne) auf Platz drei.

Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Wenn Naturfreunde, Familien mit Kindern, Lehrer, Umweltschutzbeauftragte, Vereine und Freunde der Kronberger Streuobstwiesen sich aufmachen, um Stände in der Altststadt aufzubauen, wenn die Herbstsonne durch den Nebel hervorlugt, dann kann das nur eins bedeuteten: der Umweltmarkt mit Tradition, der Kronberger Apfelmarkt steht an. Günter Budelski kann sich noch bestens zurückerinnern, als vor 27 Jahren alles ganz klein im Recepturhof anfing: Zeitungsbilder dokumentierten, wie er im Hof mit seiner Hobby-Kelter den Besuchern das Apfelpressen vorführte und sie einlud, sich den Frisch-Gepressten gleich vor Ort schmecken zu lassen. Der Grundgedanke, damals vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), vom Altstadtkreis und dem verstorbenen Altbürgermeister Rudolf Möller gemeinsam an die Bürger herangetragen, ist damals und heute derselbe. Es ging und geht schwerpunktmäßig um den Erhalt der Kronberger Streuobstwiesen, die in Kronberg auf eine lange Geschichte zurückblicken. Es geht um ein Stück Kulturgut, um das Wissen über den Obstanbau, aber auch die Wiesen mit ihren alten Bäumen, die den Insekten und anderen Tieren als wichtiges Refugium dienen und so die Artenvielfalt sichern. Mit Freude kann heute festgestellt werden, die Kronberger haben diesen Grundgedanken verinnerlicht!

An allen Ecken und Ende sind tatkräftige Bürger im Zeichen des Apfels unterwegs. Yvonne Richter, Leiterin des Umweltreferats der Stadt Kronberg, freut sich sichtlich über die gelungene Zusammenarbeit beispielsweise mit dem Obst- und Gartenbauverein und dem Altstadtkreis, aber auch über das großartige Eigenengagement der einzelnen Teilnehmer, ohne das es den Markt gar nicht mehr geben würde. Die Gäste kommen zum Apfelmarkt von nah und fern, schließlich zählt er zu den beliebtesten Märkten in Hessen. Vor allem aber wissen die Kronberger selbst, „ihren Apfelmarkt“ zu schätzen. „Wir haben ja Märkte in Hülle und Fülle. Aber der Apfelmarkt ist anders, beschaulicher, er ist einfach der Schönste.“ Diese Antwort war nicht nur einmal zu vernehmen. Ist es der Apfel-, Maronen-, Waffelduft, der durch die Altstadtgassen weht? Natürlich sind die kulinarischen Angebote, angefangen bei den teilnehmenden Kindergärten bis zu den Vereinen, wie beispielsweise dem DLRG oder den Pfadfindern, äußerst verlockend. „Eigentlich braucht man an diesem Sonntag zu Hause gar nicht mehr zu kochen“, stellt eine Besucherin fest. Gemütlich ist es aber, weil dieser Markt Umweltengagement vorlebt. Wer die rot, grün und gelb leuchtenden Äpfel in großen Mengen liegen sieht, weiß, hier auf den Obstwiesen, die Kronberg dank der langjährigen Überzeugungsarbeit des Umweltreferats, des Obst- und Gartenbauvereins mit seinem Vorsitzenden Heiko Fischer, des BUND und all seinen weiteren Aktiven noch hat, schon Tage zuvor, die Ärmel hochgekrempelt, gepflückt und gesammelt wurde.

Der Eingang zum Recepturhof ist flankiert von den Obstbauern Rapp und Krieger, die Kilo über Kilo mit dem schmackhaften Obst abpacken. Ein paar Meter weiter dreht sich die Hobby-Kelter Stunde um Stunde: Väter sorgen hier zusammen mit ihren Kindern dafür, dass es frischen Süßen gibt und der Nachwuchs aus nächster Nähe sehen kann, wie der hergestellt wird. Zusätzlich haben die Kronberger Elterninitiative Kinderhaus (KEK) als auch der Kronberger Waldkindergarten „Kronberger Wurzelkinder“ einen eigenen Stand. Während die KEK mit einer reichhaltigen Kuchentheke vor allem am Nachmittag punktet, sind die Bastelplätze beim Waldkindergarten den ganzen Tag über ausgelastet: Waldkronen werden gebastelt und mit Eicheln, Zweigen, Orchideenblüten, Kapuzinerkresse, Kastanien, Rosenblättern und vielem mehr aus Fauna und Flora beklebt. Die Ergebnisse sehen fantastisch aus, der Markt mit seinen kleinen und großen Besuchern wird noch bunter. „Integration Flüchtlingshilfe Kronberg. Kronberg wird bunter“, so wirbt denn auch ein paar Straßen weiter der neu gegründete Verein mit leuchtenden Hawaii-Ketten für Flüchtlingshilfe in Kronberg. Klaus Becker vom BUND Kronberg hat dieses Jahr das Apfelsammeln als Projekt mit Flüchtlingen aus Königstein veranstaltet. Gemeinsam mit den Männern aus Eritrea wurde das Obst gesammelt, die Wiesen gemäht und alles verarbeitet. „Die Zusammenarbeit hat sehr gut geklappt“, freut er sich. „Alle Termine wurden eingehalten und so können wir uns heute über den Verkauf unseres so gewonnenen Apfel- aber auch besonders feinen Quittensafts freuen.“ Die Zehntscheune bildete neben den Verkaufsständen der Kronberger Bücherstube oder des Kamera Klubs mit seinen schönen Kronberg-Karten auch einen interessanten Informationspool: angefangen beim Stand der Montessori-Schule, an dem jede Information über Artenvielfalt im Garten durch Naturgärten und Insektenhotels, abgeholt werden konnte. Allseits beliebt und rund um die Uhr genutzt wurde dabei auch das Angebot, Nistkästen vor Ort gleich selbst zu zimmern. Gleich nebenan warb die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald um Mitglieder, gerne auch Kinder, für alle eben, die einen Ausgleich zum Stillsitzen in Schule oder Büro suchen: „An Ideen, wie Waldentdeckungstouren oder Nachtwanderungen mangelt es uns nicht“, so Hans Georg Herrmann. „Zur Umsetzung bräuchten wir jedoch noch ein paar mehr junge Leute.“

Wie geht es aber den Äpfeln selbst eigentlich dieses Jahr, die der Obst- und Gartenbauverein einladend in ihrer ganzer Artenvielfalt in der Zehntscheune ausgestellt hat? „Regional sehr unterschiedlich und sortenspezifischwar die Ernte“, weiß der erste Vorsitzende des Vereins, Heiko Fischer. Gleich zwei Schädlinge hätten die Ernte dezimiert: Der Frostspanner und der Apfelblütenstecher. Die Bäume, die von diesen beiden Schädlingen befallen waren, konnten nichts tragen, da Blüten und Blätter von den Raupen aufgefressen wurden. Dazu kam, dass aufgrund der Witterung fast alle Obstbäume gleichzeitig blühten. „Die Bienen konnten sich aussuchen, was sie bevorzugen, dabei kam die eine oder andere Blüte gar nicht dran“, so Fischer. Sein Resümee: „Es ist eine mittelmäßige Ernte von der Quantität, die Qualität der Äpfel ist jedoch ein bisschen schlechter als vergangenes Jahr, da der August viele Niederschläge aber wenig Sonne hatte.“

Mit einem ebenfalls schon „schwierigen Jahrgang“ – dem 2013er – hatten sich auch die Jury der Apfelweinexperten (Kelterei Bemelmann, Getränkemarkt Herberth und Stefan Schmidt) befasst, um den „Kronberjer Äppelwoimaster 2014“ zu ermitteln. 50 Prozent des von 30 Teilnehmern eingereichten „Stöffche“ sei ungenießbar gewesen. Bürgermeister Klaus Temmen witzelte in seinem Grußwort zur Verleihung des Preises durch den Obst- und Gartenbauverein und den Altstadtkreis: „Dass sie 50 Prozent wirklich weggeschüttet haben, wie sie behauptet haben, glaub‘ ich ja nicht, sie haben sicherlich alles selbst getrunken!“ Wie dem auch sei, die lange Diskussion um die „ Spitzengruppe“, führte die „Thäler Skatbrüder“ auf das Treppchen ganz oben. Sie gewannen den ersten Preis. Die Freude der Gruppe war groß, vor allem weil sie den Siegerbembel jetzt, nach ihrem dritten Sieg, mit nach Hause nehmen durften. Es sei letztes Jahr wirklich schwierig gewesen, den richtigen Tag für die ohnehin äußerst geringe Apfelernte zu finden. „Außerdem waren viele Äpfel schlecht“, berichtet Frank Löhr für die „Skatbrüder“. Zum Geheimrezept befragt, meinte er: „Ich glaube, dieses Mal haben wir es unseren Frauen zu verdanken, dass der Äppelwoi so gut geworden ist.“ Denn sie hätten schließlich vor der Kelter die guten Äpfel unter den schlechten herausgelesen. Die anderen beiden Gewinner, Stefan Mausolf (der letztjährige Gewinner) und Helmut Krieger auf Platz Drei, freuten sich ebenfalls sehr, bei der Preisvergabe wieder ganz vorne mitgemischt zu haben.



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