Hochkochende Emotionen in Sachen Verkehrsführung in der Altstadt

Bei der Variante „Gegenläufige Einbahnstraßen“ gab es weitaus mehr negative Rückmeldungen statt positive. Foto: S. Puck

Kronberg (pu) – Was sich bereits in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) angedeutet hatte (wir berichteten), trat bei der auf Einladung von Bürgermeister Klaus Temmen als Leiter der Ordnungsbehörde in der Stadthalle stattgefundenen Informations- und Diskussionsversammlung für Einzelhändler, Gastronomen, Anwohner und interessierte Bürger noch deutlicher zutage: die Lager in Sachen Probebetrieb Verkehrsführung Altstadt sind gespalten.

„Sie als Betroffene sind die Experten in dieser Kronberg-Sache, sie wissen am besten, was vor ihrer Haustür passiert“, warb daher der Moderator der Veranstaltung, Gerhard Eppler vom Beratungsunternehmen Memo-Consulting, um intensive Beteiligung der über 80 Erschienenen an diesem Meinungsfindungsprozess. Persönliche Beurteilungen des bisherigen Sachstands waren ebenso gefragt wie Verbesserungsvorschläge.

Tenor: pro Verkehrsberuhigung

Nach aktuellem Stand der Dinge herrscht summa summarum ausschließlich in einem Punkt mehrheitliche Übereinstimmung. Trotz zirka drei Jahrzehnte geführter Diskussionen und bisheriger Gegensteuerungsmaßnahmen fließe nach wie vor zu viel Durchgangsverkehr mitten durch die Altstadt, zu allem Überfluss obendrein mit zu hohem Tempo. Notwendiger Handlungsbedarf ist demnach nicht von der Hand zu weisen. Das „Wie“ ist allerdings angesichts der gegebenen Rahmenbedingungen weiterhin das „Zünglein an der Waage“.

Herkulesaufgabe

Eine Herkulesaufgabe für Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos), in dessen Befugnis letztendlich die finale Entscheidung liegt. Wie berichtet befassten sich Magistrat, Stadtverwaltung und das von Wirtschaftsförderer Andreas Bloching moderierte Beratungsteam Einzelhandel Kronberg Kernstadt (BEKK) zuletzt nochmals ausführlich mit diesem Dauerbrennerthema mit dem Ziel, den Durchgangsverkehr aus der Altstadt herauszuhalten und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Aus allen dabei gewonnen Erkenntnissen kristallisierten sich letztendlich vier Varianten der Verkehrsführung (siehe weiteren Bericht in dieser Ausgabe) heraus, die sich für einen Testbetrieb eignen könnten. Ergänzend dazu liegen Gesprächs- und Umfrageergebnisse von Wirtschaftsförderung, Altstadtkreis und Bund der Selbstständigen vor. Im Mittelpunkt standen dabei zunächst explizit Einzelhändler und Gastronomie, da eine Änderung der Verkehrsführung laut Rathauschef nur Sinn macht, wenn die Flächen dann auch von Einzelhändler und Gastronomen zur Attraktivitätssteigerung bespielt werden. Entsprechende Signale liegen vor.

Hochkochende Emotionen

Trotz dieser umfänglichen Vorarbeiten kochten die Emotionen im Publikum bereits zu Beginn der Präsentation hoch. Erster Reibungspunkt: die Methodik der Verkehrszählungen. Diese hatten an drei aufeinanderfolgenden letztjährigen Juni-Tagen jeweils von 7 bis 9, 12 bis 14 und 16 bis 18 Uhr stattgefunden. Registriert wurden die Kennzeichen der Fahrzeuge, die am Frankfurter Tor in die Altstadt einfuhren und die derer, die 30 Minuten am zweiten Messpunkt in der Königsteiner Straße Höhe Burgparkplatz/Gartenstraße wieder herausfuhren. Am Beispiel Freitag, 12. Juni lautet das Ergebnis der Verkehrserhebung in Zahlen, dass von der Frankfurter Straße kommend insgesamt 1.200 Kraftfahrzeuge von 5.891 Kraftfahrzeugen sowie 20 von 133 Lkw in die Friedrich-Ebert-Straße einfuhren. Von der Hainstraße kommend bogen von 6.726 Personenkraftfahrzeugen 398 Kfz in die Altstadt ab sowie 6 von 134 Lkw, von der Katharinenstraße kommend 83 Kfz von 1.769 und 1 Lkw von 17. Das macht über den kompletten Tag zusammen 1.681 Personenkraftwagen und 27 Lkws. Da an allen drei Tagen der Großteil der Kennzeichen auch am zweiten Messpunkt wieder auftauchte, lag der Methodik entsprechend der Durchfahrtsverkehr in der Altstadt immer zwischen 65 bis 70 Prozent.

So einleuchtend diese Zahlen auf den ersten Blick schienen, einige Bürger sparten nicht mit Kritik. Statt von donnerstags bis samstags zu messen hätten ihrer Meinung die Tage Montag und Mittwoch nicht außen vor gelassen werden dürfen, da montags viele Geschäfte geschlossen haben und mittwochs die stark frequentierte Bäckerei, deren Kunden laut einiger Stimmen keinesfalls zum Durchgangsverkehr zählen dürften. Eine zehnminütige Durchfahrtsspanne wäre nach Ansicht der Kritiker zweckmäßiger gewesen,

„Das ist eine quantitative statt qualitative Messung, denn meiner Beobachtung nach hat es auch mindestens jeder dritte Autofahrer zu eilig“, setzte ein weiterer Zuhörer noch einen drauf. Damit war man beim Thema Geschwindigkeitsüberwachung, die ebenso ausbaufähig sei wie die Kontrolle, ob womöglich Altstadt-Parkplätze als Dauerparkflächen blockiert werden.

Stimmen zu den Varianten

Befürworter des Status Quo werten eine Änderung als „Kapitulation“, plädieren als abschreckende Maßnahmen für Durchgangsverkehr vielmehr für strikte Überwachung der Schrittgeschwindigkeit und verbesserte Hinweise darauf. Andere wiederum sehen durchaus zusätzlichen Optimierungsbedarf in Sachen Belebung der Altstadt durch einen reinen Fußgängerbereich. Aus dem Spiel dürfte die kleine Variante sein, die außer einer einzigen positiven Anmerkung reichlich Kritik erntete nach dem Motto „Kleinste Fußgängerzone Deutschlands – gewollt und nicht gekonnt!“ Weitaus mehr Contra statt Pro auch für die Variante „Gegenläufige Einbahnstraßen“, vor allem wegen befürchteter Überlastungen von Schirnplatz und Tanzhausstraße.

Ein anderes Bild dagegen beim „erweiterten Fußgängerbereich“-Vorschlag. Notizen wie „charmant“, „sehr gute Lösung“, einzelhandels- und gastronomiestärkend oder gar dem Vorschlag einer Erweiterung auf die Tanzhausstraße standen Bedenken gegenüber bezüglich des Verkehrsabflusses über die kleinen Seitengässlein. Bei der sogenannten „Bypass“-Variante gab es eine Reihe positive Meldungen, darunter „Einfach mal ausprobieren, was kann passieren?“, andere sorgten sich um den Fahrbahnunterbau durch die stärkere Frequentierung der Tanzhausstraße und Ähnliches. Zusätzlich gab es an dem Abend weitere Anregungen und Hinweise etwa den BDS-Vorschlag einer lediglich am Wochenende eingerichteten Fußgängerzone oder sich auch zwecks Durchgangsverkehrsreduzierung in der Altstadt nach Veränderungsmöglichkeiten in den umliegenden Straßen umzusehen.

Temmen entscheidet Ende Mai

Alle Aspekte werden nun nochmals von den Fachbereichen beleuchtet und bewertet, bevor Bürgermeister Klaus Temmen Ende Mai eine Entscheidung treffen will. Sollte diese für den Testbetrieb einer bestimmten Variante ausfallen, wird dieser ab Juni beginnend voraussichtlich über einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten erfolgen.



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