HTK-Frauenbeauftragte: Gesellschaft muss sich Diskussion stellen

Kronberg. – Laut Käte Strobel, der 1996 verstorbenen SPD-Politikerin, ehemaligen Bundesministerin für Gesundheitswesen (1966 bis 69) und Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit (1969 bis 72) ist „Politik eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“ Getreu dieser Maxime sind seit rund 25 Jahren in allen größeren Städten im Hochtaunuskreis (HTK) wie Bad Homburg, Friedrichsdorf, Königstein, Kronberg, Oberursel, Steinbach und Usingen sowie im Landkreis selbst seit Anfang der 90er Jahre kommunale Frauenbeauftragte als „Personen öffentlicher Belange“ tätig.

In der letzten Woche erfolgte in Bad Homburg im Beisein von Landrat Ulrich Krebs (CDU), Kreisbeigeordnete Katrin Hechler (SPD) sowie unter anderem Kronbergs Bürgermeister Klaus Temmen die Vorstellung des Berichts „Gleichberechtigung im Fokus“ des Arbeitskreises der kommunalen Frauenbeauftragten im Hochtaunuskreis. Der Arbeitskreis hielt es für angebracht, innezuhalten und die durch den gesellschaftlichen Wandel bedingten Veränderungen aufzuzeigen und somit einen Bilanz in Sachen Stand der Gleichberechtigung „gestern-heute-morgen“ sowohl im Bundesgebiet als auch speziell im Hochtaunuskreis zu ziehen.

Demzufolge setzen sich die Frauenbeauftragten, wie in Kronberg die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Heike Stein, mit unterschiedlicher Stundenanzahl und bescheidenem bis einigermaßen ausreichendem Budget in ihren Städten und im Landkreis für die Belange der Frauen ein und stehen Frauen in Notsituationen mit Rat und Tat zur Seite. Ebenso besteht seit rund 25 Jahren ein Arbeitskreis, in dem die externen und internen Frauenbeauftragten der Kommunen und anderer öffentlicher Arbeitgeber (beispielsweise aus Krankenhäusern und Kurkliniken) des Hochtaunuskreises kontinuierlich und intensiv zusammenarbeiten.

Gesetze wie auch politische Maßnahmen auf kommunaler Ebene wirkten und wirken sich auf das Leben der Frauen aus und erforderten im letzten Vierteljahrhundert immer wieder neue Blickwinkel für Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Chancengleichheit im Beruf, häusliche Gewalt, Armut im Alter sowie für spezielle Personengruppen wie beispielsweise Alleinerziehende und Migrantinnen. Daraus ergaben und ergeben sich auch immer wieder neue Aufgaben für die Frauenbeauftragten, um ihrem im Artikel 3 des Grundgesetzes formulierten Auftrag der Durchsetzung der Gleichberechtigung gerecht zu werden.

Schwerpunkt auf vier Bereiche

Schwerpunktmäßig wurden aktuell die Themenbereiche Erwerbsleben (Verdienst und Karriere, Vereinbarkeit Familie und Beruf), häusliche Gewalt, Migration und Selbstbestimmung sowie politische Partizipation näher analysiert.

Kritikwürdig ist aus Sicht des Arbeitskreises, dass Frauen trotz guter Qualifizierung immer noch weniger verdienen als Männer, weniger in Führungspositionen und in der Politik vertreten sind, Altersarmut weiblich ist, Frauen nur vordergründig gleichberechtigt sind, immer noch die Hauptlast der Familiensorge, der Kindererziehung und Pflege der Angehörigen zu tragen haben und auf der Welt und in Europa nach wie vor wegen ihres Geschlechts unterdrückt und benachteiligt werden und Opfer von häuslicher Gewalt, Abtreibungen, Zwangsverheiratung, Ehrenmorden und sexueller Verstümmelung sind. Bleibe als Fazit, dass sich die Gesellschaft einer inhaltlichen Diskussion stellen müsse unter der Prämisse „Gleichwertig, gleichberechtigt und mit gleichen Chancen“. Diesen Prozess zu begleiten und eine gerechte Entwicklung für die Frauen zu fördern und einzufordern, werde die Aufgabe der Frauenbeauftragten auch in den nächsten 25 Jahren sein.

Obwohl sich heutige Generationen kaum noch vorstellen könnten, dass Frauen beispielsweise vor 1958 die Zustimmung ihres Vaters oder des Ehemanns zum Führerschein machen benötigten, Frauen bis 1962 ohne Zustimmung des Mannes kein eigenes Bankkonto eröffnen durften, Vergewaltigung in der Ehe erst im Mai 1997 strafbar wurde oder erst seit diesem Jahr die Frauenquote in Aufsichtsräten von Großunternehmen gesetzlich vorgeschrieben ist, sehen die Frauenbeauftragten weiterhin großen Handlungsbedarf.

Höherer Stellenwert der Familienzeit

So sei der Themenkomplex rund ums Erwerbsleben eine gesamt-gesellschaftliche, vielschichtige Aufgabe mit großer Spannbreite von der richtigen Berufswahl der jungen Menschen über Entgeltgleichheit, Vereinbarkeitsmöglichkeiten von Familie und Beruf über Karriere und Führungspositionen bis hin zur Rente im Alter. Positiv hebt der Arbeitskreis die Betreuungsquote unter dreijähriger Kinder im Hochtaunuskreis hervor (Familienatlas Platz 99 von möglichen 402). Dagegen liegt laut Genderindex die Differenz beim Arbeitseinkommen von Frauen und Männern bei 24 Prozent, rund 70 Prozent Frauen arbeiteten 2012 in Teilzeit, aber nur 6 Prozent der Männer. Der Arbeitskreis der kommunalen Frauenbeauftragten im Hochtaunuskreis bezeichnet diese Zahlen als inakzeptabel, insbesondere vor dem Hintergrund, weil auch Männer sich vorliegenden Informationen zufolge danach sehnten Familie und Beruf zu vereinbaren. Dazu passe auch eine kürzlich erschienene Studie vom Bundesverband der Personalmanager, wonach 90 Prozent der befragten Personalverantwortlichen erklärten, Unternehmen müssten ein Umfeld schaffen, in dem Väter keine Bedenken haben, dass ihr familiäres Engagement der Karriere schade. In diesem Zusammenhang fordert der Arbeitskreis unter anderem eine Abkehr von festgefahrenen Rollenbildern sowie generell höheren Stellenwert der Familienzeit für beide Geschlechter.

In Bezug auf Fortbildung von Frauen heiße das Gebot der Stunde „Raus aus der „Semi-Professionalität“ rein in die „Professionalität, Qualität, und Steigerung der Erwerbstätigkeit für Frauen“. Dies trage dazu bei, steuerlich Mehreinnahmen zu genieren, die wiederum die kommunalen Haushalte auf der Einnahmeseite gut gebrauchen könnten. Bei der politischen Partizipation von Frauen seien unter anderen die immer noch herrschenden Hierarchien und Kulturen hemmend; die Zahl häuslicher Gewalt zum Nachteil von Frauen mit laut Polizeistatistik jährlich über 7.000 Fälle in Hessen und über 200 Fälle im Hochtaunuskreis bei erheblicher Dunkelziffer zu hoch. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zuwanderung werde es, so der Arbeitskreis abschließend, eine wichtige gesamt-gesellschaftliche Aufgabe sein, die Toleranzgrenzen gegenüber gelebten weiblichen Rollenbildern in Deutschland zu diskutieren und zu definieren. Viele Herausforderungen für die HTK-Frauenbeauftragten, die sich weiterhin „stark für Frauen“ machen wollen. (pu)



X