Wie Katz und Maus: Victoria Kaiserin Friedrich und Bismarck

Ein seltener Gast im Schlosshotel Kronberg: Fürst Otto von Bismarck. Umrahmt von den Veranstaltern des Victoria-Dinners Dr. Astrid und Dr. Rüdiger Jacobs sowie den Leihgebern des Gemäldes Wolf-Dietloff von Bernuth mit Gemahlin Ute. Foto: privat

Kronberg (war) – Noch heute sollte Kronberg dem ersten Reichskanzler des Zweiten Deutschen Kaiserreichs, Otto von Bismarck, dankbar sein. Hatte er doch maßgeblich daran Anteil, dass Victoria Kaiserin Friedrich nach dem tragischen Tod ihres Mannes, Kaiser Friedrich III, von Berlin nach Kronberg umzog, um hier ihre Witwenjahre von 1894 bis 1901 auf Schloss Friedrichshof zu verbringen. Anlässlich des 200. Geburtstags von Otto von Bismarck fand kürzlich das 8. Victoria-Dinner im Schlosshotel Kronberg statt. Im Rahmen eines exzellenten Viergänge-Menus, für das sich Küchenchef Jörg Lawerenz mit seinem versierten Küchenteam verantwortlich zeichnete, beleuchtete das Historiker Ehepaar Dres. Astrid und Rüdiger Jacobs, das konfliktreiche Verhältnis zwischen Kaiserin Friedrich und Bismarck. Eingangs wies Rüdiger Jacobs darauf hin, dass Bismarck Kaiserin Friedrichs Schwiegervater, den preußischen König Wilhelm I, regelrecht dazu drängen musste, nach dem Sieg über die Franzosen 1871 den Titel „Deutscher Kaiser“ anzunehmen. Ohne Bismarcks Beharren wäre sonst aus der damaligen Kronprinzessin nie die spätere Kaiserin Friedrich geworden. Auf diesen Titel war Victoria damals besonders stolz, denn ihrer Mutter, Queen Victoria, schrieb sie diesbezüglich: „Ich telegrafierte Dir gestern unseren Titel. Wir werden Kaiserliche und Königliche Hoheit genannt.(…). Ich werde immer als kaiserliche Hoheit angesprochen.“ Queen Victoria konnte erst wieder mit ihrer ältesten Tochter gleichziehen, als sie 1877 zur Kaiserin von Indien ernannt worden war. Rüdiger Jacobs weiter: „Als Victoria 1858 frisch vermählt an den preußischen Hof kam, kommentierte das Bismarck folgendermaßen: ‚Gelingt es der Prinzessin, die Engländerin zuhause zu lassen und Preußin zu werden, so wird sie ein Segen für das Land sein. Bleibt unsere zukünftige Königin auf dem preußischen Thron nur einigermaßen Engländerin, so sehe ich den preußischen Hof und Preußens Politik massivem englischen Einfluss ausgesetzt.“ Im Laufe der Zeit entwickelte Bismarck dann fast schon eine Paranoia, dass die Kronprinzessin, welche er bald nur noch abschätzig als „Die Engländerin“ titulierte, mit ihrer liberalen Gesinnung das konservative Haus Hohenzollern infiltrieren könnte. „Ich werfe der Frau nur eines vor, dass sie Engländerin geblieben ist und in diesem Sinne auf ihren Gemahl wirkt. Sie hat kein deutsches Gefühl“, äußerte sich Bismarck diesbezüglich in späteren Jahren. Sicherlich lag der „eiserne Kanzler“ mit seiner skeptischen Haltung nicht vollkommen daneben, wie ein Brief zeigt, den Victoria 1877 aus Berlin an ihre Mutter schrieb: „Meine Erfahrung(en) in der Politik haben mich durch genaue Betrachtung zu der festen Überzeugung gebracht, dass England allen anderen Ländern in der Höhe der Zivilisation und des Fortschritts voraus und das einzige ist, das den Begriff der Freiheit versteht und Freiheit wirklich besitzt, das einzige, das weiß, was wahrer Fortschritt bedeutet, entfernte Länder zivilisieren und kolonisieren kann.(…).und über allem das einzige wirklich menschliche Land.(…).“

Insbesondere im Rahmen der von 1881 bis 1888 schwellenden „Battenberg-Affäre“, bei der das Haus Hessen-Darmstadt eine wichtige Rolle spielte, gerieten Victoria, damals noch preußische Kronprinzessin, und Bismarck auf heftigen Konfrontationskurs. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Kommunikation zwischen den beiden unumkehrbar zerrüttet. Was war vorgefallen? Ein kardinales Bestreben Bismarcks war es, mit Russland in „unverbrüchlichem Bund“ zu stehen, denn er glaubte, dass allein der russische Zar die Existenz des gerade ins Leben gerufenen deutschen Kaiserreichs garantieren konnte. „Aus diesem Grund hatte Bismarck sogar auf die Annexion Hessen-Darmstadts 1866 durch Preußen verzichtet, da die damalige Zarin Maria Alexandrowna aus Darmstadt stammte“, so der Kommentar von Astrid Jacobs. Logische Konsequenz der Bismarck‘schen Politik war daher das Drei-Kaiser-Bündnis zwischen Deutschland, Österreich und Russland im Jahr 1873. Damit sollte eine künftige Annäherung zwischen Russland und Frankreich verhindert bzw. erschwert werden. Indirekt betraf dieses Abkommen auch Großbritannien, das mit Frankreich seit dem Krimkrieg (1856-58) verbündet war. 1879 wurde der Neffe des Zaren, Alexander von Battenberg, welcher einer morganatischen Ehe von Alexander von Hessen-Darmstadt mit der Hofdame Julia Hauke entstammte, unter tatkräftiger Unterstützung des Zaren zum Fürsten von Bulgarien ernannt.

Da Alexander jedoch nicht den prorussischen Erwartungen des Zaren entsprach wurde er kurzerhand 1886 wieder von diesem zur Abdankung gezwungen. Längst hatte sich jedoch die zweitälteste Tochter von Victoria, Prinzessin Viktoria, genannt „Moretta“, in Alexander von Battenberg verliebt und wollte diesen unbedingt heiraten. Während Victoria, damals noch Kronprinzessin, diese künftige Ehe ihrer Lieblingstochter für gut hieß, wehrte sich Bismarck vehement gegen diese Verbindung, sah er doch das gute Verhältnis mit Russland dadurch ernsthaft gefährdet. Der Kanzler konnte schließlich erreichen, dass Kaiser Wilhelm I mit Unterstützung des Zaren sein Placet zu der Ehe verweigerte. „Victoria beklagte sich gegenüber ihrer Mutter in London: ‚Moretta wird verbittert, es verdirbt ihr den Charakter, mir die Nerven, uns beiden die Existenz‘“, zitiert Astrid Jacobs. 1929 fand die völlig verarmte Moretta auf Geheiß ihrer Schwester, Margarethe Landgräfin von Hessen, in der landgräflichen Grablege in der Kronberger Burgkapelle ihre letzte Ruhe. In einem weiteren Brief an Queen Victoria hält ihre Tochter im April 1887 resigniert fest: „Fürst Bismarck hat soviel Brutales und Zynisches, so wenig Anständiges und Ehrliches in seiner Natur, er ist ein Mensch aus einem ganz anderen Jahrhundert, sodass er als Beispiel oder Ideal sehr gefährlich ist.“ Als schließlich Kaiser Wilhelm II 1890 beabsichtigte, Bismarck zum Abdanken zu zwingen, wurde Victoria – mittlerweile Kaiserwitwe – gebeten, auf ihren Sohn einzuwirken, die Entlassung des altgedienten Reichskanzlers nochmals zu überdenken. Rüdiger Jacobs dazu: „Doch Victoria lehnte dieses Ansinnen mit folgender Begründung strikt ab: ‚Dieselben Leute, die Jahre hindurch gewirkt und intrigiert haben, um meinen und Fritzens Einfluss zu zerstören, wollen jetzt, dass ich helfen soll, die Sache mit dem Fürst Bismarck wieder zusammenzuflicken.(…).Nach meiner Meinung wäre es sehr gefährlich für das Land und die Monarchie, wenn Fürst Bismarck noch irgendetwas zu sagen hätte“‘.



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