Königstein im 19. Jahrhundert: Der Wasserdoktor brachte Wohlstand

Kronberg (war) – „Der 6. Dezember 1792 zählt sicherlich zu den dunkelsten Tagen in der Geschichte Königsteins. 46 Wohnhäuser sowie 29 Scheunen und das Kapuzinerkloster standen in Flammen. Somit war ein Großteil des Taunusstädtchen schlagartig zerstört“. So die erschütternde Bilanz, welche die Königsteiner Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann im Rahmen ihres Vortrags vor kurzem auf Einladung des Kronberger Geschichtsvereins in der Stadthalle vortrug. Ihr Referat stand unter dem Titel „Vom verarmten Städtchen zur Perle des Taunus – Königstein im 19. Jahrhundert“. Die Referentin zum Grund für dieses Desaster am Nikolaustag vor 225 Jahren: „Nachdem die Franzosen im Laufe des 1. Koalitionskriegs gegen die Preußen und Österreicher Mainz im Oktober 1792 besetzt hatten, nahmen sie wenig später auch das zum Kurfürstentum gehörige Königstein ein. Daraufhin beschossen die Preußen ab dem 6. Dezember 1792 die zur Festung ausgebaute Burg in Königstein. Doch statt der Wehranlage, die kaum Schäden davon trug, ging die Stadt in Flammen auf.“ Erst im März 1793 ergaben sich die Franzosen dann, um Königstein im Juli 1796 erneut einzunehmen. Zwei Monate später mussten diese jedoch den Vordertaunus schon wieder räumen. Vor ihrem Abzug planten die französischen Besatzer die Demolierung der Festung durch Sprengung. Dieser Versuch endete aber fatal, denn das in einer Zisterne angehäufte Sprengpulver endzündete sich vorzeitig. Die Folge war eine gewaltige Explosion, deren Rauchwolke angeblich bis Mainz sichtbar war. 30 Franzosen kamen bei dem fürchterlichen Unglück ums Leben. Die Festung wurde dadurch in weiten Teilen zerstört, einzig der Hauptturm blieb einigermaßen intakt. Erst 1819 verlor dieser schließlich durch einen Blitzschlag seine Dachhaube. Der Herbst 1813 brachte den Königsteinern die nächste Katastrophe, denn nach der Völkerschlacht bei Leipzig überfluteten Abertausende aus Russland zurückkehrende Soldaten das Land. Neben Truppen der Preußen waren das Russen, Kosaken, Österreicher und Bayern. Diese brachten die Bevölkerung in arge Bedrängnis, da sie meist rücksichtslos Quartier und Verpflegung für sich und ihre Pferde verlangten. „Es wurde in Häuser eingebrochen und vielen Bewohnern sogar die Schuhe direkt auf der Straße entwendet“, so die Vortragende. Zudem verstarben alleine 53 Menschen im Winter 1813/14 vor Ort an Typhus, den die Soldaten eingeschleppt hatten. Nicht viel besser erging es zu dieser Zeit den Kronbergern. Im November 1813 schlug der berühmte Generalfeldmarschall Gebhard Lebrecht von Blücher für drei Tage in Königstein sein Hauptquartier auf, bevor er nach Höchst weiterzog.

Die Wende zum Besseren kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Arzt Dr. Georg Pingler, der 1850 von Usingen nach Königstein versetzt worden war. Ein Jahr späte eröffnete Pingler im Billtal bei Königstein eine Wasserheilanstalt. Die Kurgäste unterlagen bei dem „Wasserdoktor“ Pingler einem strengen Regiment, das neben Anwendungen mit kaltem und warmem Wasser ausgiebige Wanderungen in frischer Taunusluft vorschrieb. Da Pingler, dessen Heilerfolge sich rasch herumsprachen, nur wenigen Gästen Unterkunft bieten konnte, stieg die Nachfrage nach Privatunterkünften in Königstein schon bald an. So verhalf der Kurbetrieb den Königsteinern zu neuen Verdienstmöglichkeiten. Großmann-Hofmann zur weiteren Entwicklung: „Waren es 1851 gerade 64 Kurgäste, so kamen 1855 bereits 380 Heilsuchende. Pingler beließ es aber nicht nur bei seinem Kurbetrieb, sondern setzte sich zusätzlich für die Verschönerung des Stadtbildes durch Gründung eines Kurvereins im Jahr 1863 ein. Nachdem einige Hotels mehr Komfort bieten konnten waren unter den Besuchern durchaus auch berühmte Persönlichkeiten, wie Herbert von Bismarck, Sohn und Sekretär von Reichskanzler Otto von Bismarck, und das rumänische Königspaar Karl und Elisabeth. Die Königin war als eine geborene Prinzessin zu Wied zugleich die Nichte von Herzog Adolph, dem Landesherrn des Herzogtums Nassau, zu dem Königstein seit 1803 gehörte. Der Herzog hatte bereits auf seiner Hochzeitsreise im Jahr 1851 mit seiner zweiten Frau Adelheid Marie der Stadt einen Besuch abgestattet. „Scheinbar hatte Königstein damals auf das Paar einen sehr guten Eindruck hinterlassen, denn sieben Jahre später erwarb Adolph das ehemalige kurmainzische Amtshaus unterhalb der Burg um es fortan als Sommerhaus zu nutzen. 1873 wurde das bescheidene Anwesen durch den belgischen Architekten Gédéon Bordiau zu einer kleinen Residenz, dem heutigen „Luxemburger Schlösschen“ umgestaltet. „Der Name rührt daher, dass Adolph im Jahr 1890, jetzt immerhin schon 73 Jahre alt, durch Erbfolge zum Großherzog von Luxemburg gekürt worden war“, so die Referentin. Herzogin Adelheid Marie, der Königstein besonders ans Herz gewachsen war und das sie entsprechend förderte, zog jetzt viele hochadelige Gäste aus ihrem Bekanntenkreis an. 1916 verstarb sie schließlich in Königstein. Zunehmend ließen sich in Königstein bis zum Ersten Weltkrieg viele reiche Frankfurter, – ähnlich wie in Kronberg – aufgrund des wohltuenden Klimas Villen und Sommerhäuser errichteten. Zu den frühen „Frankfurtern“ gehörte der Bankier Franz Borgnis, dessen Villa heute als Kurhaus genutzt wird. In den 1880er-Jahren kam Albert Andreae-de Neufville mit seiner Villa Andreae hinzu, die spätestens durch den betrügerischen Immobilienunternehmer Jürgen Schneider, der sie ab 1987 für zehn Jahre besaß, deutschlandweit berühmt wurde. 1894 war es dann Freifrau von Rothschild, die sich auf dem so genannten Raufenberg in ihrem repräsentativen Domizil niederließ. Mit der um 1910 erbauten Villa Gans der gleichnamigen Industriellenfamilie schloss sich dann der Villenkranz um und in Königstein. Als Dr. Pingler 1892 verstarb, ging die Zahl der Kurgäste in die Tausende. 1898 waren es rund 2500 und 1911 über 7500. Der erste Weltkrieg ließ die Besucherzahlen dann wieder drastisch einbrechen. Heute zählt Königstein neben Kronberg und Bad Homburg zu den besonders exklusiven Wohnlagen im Rhein-Main-Gebiet. Längst vergessen sind mittlerweile die erbärmlichen Verhältnisse unter denen die Königsteiner vor 200 Jahren ihr Leben fristen mussten.



X