„Kombinationen“: Doppelkonzert Flöte und Harfe mit dem NOK

Tosender Beifall für Karl-Christoph Neumann und das NOK – eine „Kombination“, die es bald nicht mehr geben wird. Foto: Diel

Kronberg (die) – „Was würde ein Meister der Haute Couture zu unserem Programm heute Abend wohl sagen?“ - Mit diesen Worten begrüßte Karl-Christoph Neumann, der musikalische Leiter und Dirigent des Neuen Orchesters Kronberg, die zahlreich erschienenen Gäste im ausverkauften Wappensaal der Kronberger Burg. Den Vergleich mit einem Bild aus dem Jahre 1880, das ausgeschnitten und als Rahmen für ein Bild der Renaissance dienen soll, brachte Neumann als Einführung in das Konzert mit dem Titel „Kombinationen“. Der Begriff „Kombinationen“ sollte dabei vielschichtig erfahrbar sein: „...all das entspringt unserem Wunsch, Ihre Sinne weit weg zu führen!“, so Neumann. Außergewöhnliche Kombinationen verschiedener Stilepochen und Instrumente, aber auch unterschiedliche Stimmungen, warteten dabei auf die Zuhörer. Das Konzert begann mit einem Prolog in Form des Beginns der 1738 uraufgeführten Oper Xerxes von Georg Friedrich Händel (1685-1759). Der König Xerxes ist nicht etwa in einen Menschen, sondern in die „Blätter, zart und schön...“ seiner Platane verliebt und Händel bringt diese Verliebtheit in einem sinnlichen Rezitativ sowie der allen als Händel-Largo bekannten Arie zum Ausdruck, volumenreich und ausdrucksstark gesungen von der Sopranistin Margarita Kopp.

Auf Händel folgte die Salzburger Sinfonie von Mozart (1756-1791), der dieses bekannte Werk im zarten Alter von 16 Jahren schrieb und die einen wahrhaft prunkvollen und eher pompösen Charakter hat. Solide und konzentriert meisterte das Neue Orchester die schwierigen Passagen des ersten Satzes. Dann, nach dem zweiten Satz, fällt sich Mozart selbst musikalisch ins Wort. Ohne Übergang und fließend wird der sechs Jahre später komponierte zweite Satz Andantino aus dem Konzert für Harfe und Flöte in das Andante der Salzburger Sinfonie eingeschoben. Und siehe da: Es passte, die beiden Starinstrumente dieses Abends, hochkarätig besetzt von dem Duo ArcEnCiel, verwoben sich wunderbar harmonisch in die Salzburger Sinfonie und bildeten klanglich eine neuartige und höchst spannende Symbiose. Dabei funktionierte das Zusammenspiel der Flötistin Liene Krole und der Harfenistin Helene Schütz auch von zwei entgegengesetzten Plätzen im Orchester. Man hatte den Eindruck, dass die Künstlerinnen ohne Blickkontakt in vollendeter Harmonie spielten. Im Presto – jetzt wieder aus der Salzburger Sinfonie – traf das Orchester den Mozart-Ton punktgenau und meisterte die Sechzehntel-Passagen in beiden Violinen überzeugend.

Mit dem sich anschließenden Andante in g-Moll aus der Fuge B-A-C-H des Lehrers von Beethoven, Johann Georg Albrechtsberger (1736-1809), ging es in die Pause und mit der Leidenschaft Tschaikowskis (1840-1893) ging es im zweiten Teil weiter. Und wieder kam es zu einer Kombination: Das Andante non troppo aus Tschaikowskis 1880 komponierter Serenade in C-Dur diente als Einrahmung für den 1615 erschienenen Canzon 5 zu sieben Stimmen von Giovanni Gabrieli (1557-1612).

Den Höhepunkt der „Kombinationen“ bildete schließlich das Konzert in C-Dur für Flöte, Harfe und Orchester von W.A. Mozart, dessen zweiter Satz ja bereits schon einmal in die Salzburger Sinfonie eingebaut worden war. Das Allegro dieses Werkes, dem einzigen Mozarts übrigens, das mit einer Harfe besetzt ist und das er 1778 in Paris komponiert hatte, wurde von den beiden Solistinnen elegant und flüssig gespielt. Wunderbar kam der stellenweise klavierartige Charakter der Harfe als Partner der Flöte zu Geltung und meisterhaft waren die von Krole und Schütz selbst arrangierten Kadenzen dargeboten. Die Kombination der Instrumente begeisterte das Publikum und sogar optisch bot die schöne Harfe mit dem Wappensaal eine weitere sehr reizvolle Kombination.

Kaleidoskopartig und fast einem musikalischen Bruch nahekommend kombinierte das Neue Orchester Kronberg diese Harmonie Mozarts mit dem 1978 komponierten „Epigramm für Streicher“ des Komponisten Bertold Hummel (1925-2002). Das Wohlgefallen und die Harmonie Mozarts lösten sich für Momente auf und Hummels Epigramm verlangte von Zuhörern und auch Musikern höchste Konzentration. Es erzeugte Klangbilder, die Spannungen auf- und abbauten und die sich im freitonalen Raum bewegten. Nicht einfach zu kombinieren, es fühlte sich an wie Haute Couture aus Blumen- und Streifenmix. Die Musikerinnen und Musiker mussten sich dabei ganz auf ihren Dirigenten Karl-Christoph Neumann einlassen, der es schaffte, das Werk Hummels gestalterisch und klanglich tief beeindruckend aus dem Orchester herauszuholen.

Schließlich ging es fast nahtlos wieder zu Mozart, und mit dem Andantino und Allegro des Konzerts für Harfe und Flöte sorgten die Künstler erneut für Wohlgefallen und Harmonie, die man nach dem Epigramm von Hummel umso intensiver – gleichsam jetzt mit einem Synergieeffekt versehen – erleben durfte. Ein glänzender Abend, der mit dem Schluss des ersten Satzes der Serenade von Tschaikowski als einem Epilog endete. Ein rauschendes Fest für die Sinne, unangepasst, provokativ und kreativ kombiniert. Tosenden Beifall ernteten dafür die Künstler des Abends, dafür gab es von den Solistinnen an Harfe und Flöte eine Zugabe aus dem „Reigen seliger Geister“ von Christoph Willibald Gluck. Man konnte die intensive Arbeit Karl-Christoph Neumanns deutlich spüren, die dahintersteckt, wenn er mit Amateuren in einem Orchester versucht, die wirkliche Sprache der Musik herauszuarbeiten. „Wir konnten es nicht einfach so spielen, wie es dasteht, sondern so, wie es aus Spannungsgründen nötig war“, so die Konzertmeisterin Elisabeth Neumann-Beuerle in einem späteren Interview, „wir sind zwar Amateure, aber im Kopf sind wir fähig zu gestalten“. Diese Herausforderung steht seit 35 Jahren im Mittelpunkt der Arbeit von Elisabeth Neumann-Beuerle und Karl-Christoph Neumann mit dem NOK. Und dieser Erfolg prägt das NOK, verleiht ihm eine ganz eigene Handschrift. Das Konzert war gleichzeitig eines der Abschiedskonzerte von Karl-Christoph Neumann und Elisabeth Neumann-Beuerle als Konzertmeisterin. Das sinfonische Abschlusskonzert wird am 15. April 2018 stattfinden. Sehr bedauerlich, dass diese „Kombination“ zwischen Neumanns und dem NOK dann tatsächlich ihr Ende finden soll.



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