Kommunalpolitiker werden aktiv: Sie wollen die Stadtentwicklung stärker lenken und mitgestalten

Mit der Empfehlung, die die Stadtverordneten dem Magistrat mit auf den Weg gegeben haben, wollen sie nicht der Innenstadtverdichtung, wohl aber der unmerklichen Zunahme von überdimensionierten Bauvorhaben innerhalb der einzelnen Stadtteile den Kampf ansagen. Stein des Anstoßes war das Bauvorhaben Merianstraße/ Ecke Kreuzenäckerweg.

Foto: Archiv/Westenberger

Kronberg (mw) – „Stein des Anstoßes“, erinnerte Max-Werner Kahl an den Grund für die Einberufung eines Akteneinsichtenausschusses in der jüngsten Zusammenkunft der Stadtverordneten im Rathaus, „war die dichte Ausnutzung“ des Baufeldes in der Merianstraße/Ecke Kreuzenäckerweg. Das Bauvorhaben war in Kronberg auf nicht wenig Kritik gestoßen. Nach § 34 BauGB genehmigt, wurde die Frage seitens der FDP laut, wie konnte ein solches Bauvorhaben im Magistrat genehmigt werden, beziehungsweise, hätte man es nicht in dieser hohen Auslastung des Baugrundstückes ablehnen können.

Durchhaltevermögen

Die Liberalen bewiesen hier Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen und beantragten nach der HGO den Akteneinsichtsausschuss, um nachzuvollziehen, wie es bei der Magistratsentscheidung für dieses ihrer Überzeugung nach überdimensionierte Bauvorhaben zu einer Genehmigung kommen konnte.

Wie der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) Max-Werner Kahl (CDU) und Vorsitzender des Akteneinsichtsausschusses nun im Stadtparlament feststellte, sei im Ergebnis festzuhalten, dass die ehrenamtlichen Magistratsmitglieder hier den Ermessensspielraum „extensiv“ ausgenutzt hätten. Gelegen habe das wohl an den fehlenden Vorgaben, „den Ermessensspielraum für das Bauvorhaben überhaupt erkennen zu können.“ Aus diesem Grund hatten die Mitglieder des Akteneinsichtsausschusses einvernehmlich beschlossen, dem Magistrat zu empfehlen, Richtlinien zu erarbeiten, um den vorhandenen Ermessensspielraum des Antragsstellers für ein Bauvorhaben besser zu erkennen und damit einer solchen Verdichtung entgegenwirken zu können.

Die FDP hatte, so auch an diesem Abend, noch einmal zahlreiche juristische Argumente mit in die Stadtverordnetenversammlung gebracht (wir berichteten zuvor), und ihren Antrag auf Übertragung der Entscheidungen bei Baugenehmigungen in Fällen des § 34 BauGG bereits abgeschwächt, um eine breite Zustimmung der Stadtverordneten zu erhalten und den rechtlichen Widerspruch, den Bürgermeister Klaus Temmen angekündigt hatte, abzuwenden. Mit den Stimmen der FDP, CDU, KfB und Grünen wurde dem endgültigen Antrag als Empfehlung an den Magistrat schließlich mit 22 Ja-Stimmen und 8 Nein-Stimmen auch mit breiter Mehrheit entsprochen.

Faktoren zur Beurteilung

In dem Papier wird die Verwaltung gebeten, alle Anträge nach §34 – der Paragraf besagt, dass sich das Bauvorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einzufügen hat – folgenden Faktoren zur Beurteilung heranzuziehen: Die Grundfläche der Häuser, die sogenannte GRZ I und II, die Gesamtversiegelung des Grundstückes und die mindest- und maximal zulässige Verdichtung dieser Faktoren nach besagtem Paragrafen soll betrachtet werden.

Wie der FDP-Fraktionsvorsitzende Walther Kiep in seinem Redebeitrag ausführte, soll der Magistrat außerdem bei Bauvorhaben, die nach diesen Faktoren, als „kritisch“ zu beurteilen sind, den ASU informieren und anhören. Kiep bezeichnete diesen eingeschlagenen Weg allein als „Provisorium, um Schlimmstes zu verhindern“. Er kündigte an, dass die FDP demnächst einen Antrag einbringen wird, der die Stadt auffordert, sich der tatsächlich schon vor etwa zehn Jahren 18 aufgelösten B-Pläne (sie galten nicht mehr als rechtssicher und die Stadt hatte sie aus Kostengründen nicht neu aufgestellt) nach Prioritätenkatalog vorzunehmen, um die entsprechenden Baugebiete wieder einem rechtsgültigen Bebauungsplan zu unterziehen. Denn, so betonte Kiep, wie man mit den Jahren sehe, sind es zwar Einzelfallentscheidungen, wenn nach §34 gehandelt werde, weil kein B-Plan vorliege, doch jede Einzelfallentscheidung schaffe die Voraussetzung für die nächste. Und wie man innerhalb der Stadt bereits in mehreren Straßen feststellen könne, werde sich nun einmal am Maximum orientiert, was das Stadtbild zwangsläufig mit den Jahren verändere. „Die Älteren unter ihnen, zu denen ich ja leider auch gehöre, erinnern sich noch gut, wie es in der Merianstraße einmal aussah: aufgelockerte Einzelhausbebauung. Davon ist heute nichts mehr zu sehen.“

Die Grünen unterstützten den Antrag, vor allem jedoch die Intention, mehr Auseinandersetzung über strittige Bauvorhaben im ASU zu führen und damit mehr Mandatsträger an den Fragen zu beteiligen, die um das Erscheinungsbild der Stadt gehen. Allerdings gab Mechthild Schwetje von den Grünen zu bedenken, dass das Vorgehen eine Gratwanderung sei, da der ASU sich nicht mit rechtlichen Fragen zu befassen habe und auch keine Transparenz schaffen werden könne, da über die privaten Bauvorhaben in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden müsse. „Aber auch für uns ist mehr Mitsprache bei der Gestaltung unserer Stadt wichtig.“ Der vorliegende Antrag könne dazu ein erster Schritt sein: „Mittelfristig setzen wir uns dafür ein, das Steuerungsmittel Bebauungsplan wieder gezielter zu nutzen.“

Grünes Licht gab es auch seitens der KfB für die FDP-Vorlage, schließlich sei es auch bei strittigen anderen Bauvorhaben üblich, den ASU zurate zu ziehen. Warum das Procedere dann nicht auch auf die genannten besonderen 34-er Fälle anwenden?, fragte sie. „Das heißt doch, es geht, wenn alle Beteiligten wollen.“ Es irritiere allerdings, wenn die Verwaltung an dieser Stelle mehr Vertrauen fordere: „Wir Stadtverordneten sind schließlich nicht gewählt worden, um Vertrauen zu haben, sondern um unseren Pflichten gemäß der HGO nachzukommen. Danach ist die Stadtverordnetenversammlung der Souverän.“ Insofern stelle sich die Vertrauensfrage hier nicht und sei fehl am Platz, argumentierte sie.

Die SPD mit ihrem SPD-Fraktionsvorsitzenden Christoph König entschied sich gegen den Antrag, da die Verschiebung in den ASU nicht der Transparenz diene und der Verwaltungsvorgang mit zweimonatiger Entscheidungsfrist viel zu eng gesteckt sei. Auch die Aufstellung neuer B-Pläne sei nicht die erste Wahl, da sie Geld koste und Zeit brauche. König gab als mögliche Lösung mit auf den Weg, der Magistrat solle nach Abstimmung über die Problemfälle berichten, um dann im Falle von kritischen Bauvorhaben schnell zu handeln und einen B-Plan für das Gebiet festzusetzen.

Rechtliche Prüfung

Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) kündigte nach der Abstimmung an, dass er auch diesen abgemilderten Antrag rechtlich prüfen lassen müsse und dass er ihm widersprechen müsse, wenn er zu der Überzeugung gelange, dass er in dieser Form rechtswidrig sei.

Eines wurde klar an diesem Abend: Die Stadtverordneten haben ihr Stadtentwicklungskonzept im Blick: sie sprechen sich nicht gegen ein gesundes Maß an Innenstadtverdichtung aus, wollen jedoch keine prompte Maximalbebauung an jeder Straßenecke. Denn, so drückte es Max-Werner Kahl für die CDU aus: Der Paragraf 34 führe nun einmal dazu, dass über die Jahre nicht minimiert, sondern maximiert werde.



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