Krimistunde mit viel französischem Savoir vivre

Krimiautor Martin Walker mit Carmen Töpfer, die kurzfristig als Vorleserin eingesprang.

Foto: Wehle

Kronberg (gw) – Die Abendsonne taucht die pittoresken Kronberger Gassen in sanftes Licht. Alain, der aus Bergerac stammende Weinhändler begrüßt die allmählich eintreffenden Gäste mit charmantem Lächeln und noch charmanterem französischen Akzent:“ Möschten Sie ein Glas Wein?“ Rot oder weiß – und natürlich aus dem Périgord, dem gastronomischen Herzland Frankreichs – und der Heimat des Kommissar sBruno. Von diesem sympathischen Dorfpolizisten aus St. Denis sollten die Gäste der Kronberger Bücherstube, seit Kurzem im Dingeldein-Haus angesiedelt, gleich noch mehr erfahren, denn Dirk Sackis lud zur Lesung von Martin Walkers achtem Fall „Eskapaden“. Und da stand der prominente Autor nun höchstpersönlich auf der Straße und plauderte ganz ungezwungen mit seinen zahlreich angereisten Fans. Schnell sind alle Stuhlreihen besetzt in der Galerie Kerstner, deren Räume freundlicherweise für den literarischen Event zur Verfügung gestellt wurden. „Es ist eine glückliche Fügung, dass mir der Verlag endlich nach zwei langen Jahren die Zusage zur Lesung mit Martin Walker gab“, stimmt Dirk Sakis sichtlich erfreut über seinen prominenten Gast die Besucher ein. „Martin Walker kann toll erzählen und spricht sogar Deutsch“ verkündet er und Wahlfranzose Walker outet sich gleich am Anfang seiner Vorstellung als bekennender Gourmet: „Ich habe viele Lieblingsrezepte, aber besonders empfehle ich mein eigenes „Boeuf Périgord“, weil ich es sehr liebe.“ Man verwende dazu reichlich Wein aus Bergerac und besonders den „Vin des Noix“ betont er und das Rezept sei nachzulesen in seinem Kochbuch „Brunos Kochbuch“. Dieses wurde kürzlich bei den „Gourmand World Cookbook Awards“ als „Best French Cuisine Book“ ausgezeichnet. Überhaupt wird eingangs recht viel über kulinarische Ausflüge in frankophile Gaumenfreuden zum Besten gegeben. Und besonders stolz sei er, dass dieses Rezeptbuch unter der fachkundigen Unterstützung seiner Ehefrau Julia Watson, einer Food Stylistin, in nur sechs Tagen entstanden ist. Alles authentische Rezepte und mit seinem Freund, dem Jäger war man sogar auf Wildschweinjagd und besuchte viele Märkte. Wenn der begeisterte Hobbykoch seine bewährte Anleitung zu Bratkartoffeln schildert, läuft einem schon vom Zuhören das Wasser im Mund zusammen. Ganz besonders wichtig ist bei seinen „Pommes de terre à la sarladaise“ auf jeden Fall das Entenfett! (Graisse de canard) Natürlich eine Spezialität des malerischen Städtchens Sarlat an der Dordogne.

Martin Walker ist ein Mann, der die Herzen der Menschen erobert, er strahlt Frohsinn, Lebensfreude und eine wohltuende Souveränität aus. Mit seinem typisch englischen Humor gibt er auch ohne Weiteres zum Besten, wie er der deutschen Sprache mächtig wurde: „Mein Deutsch ist nur sehr primitiv, ich hatte nur zwei Jahre Deutsch in der Schule“, meint er bescheiden. „In meiner Generation haben die Deutschen Englisch gelernt mit den Songtexten der Beatles oder den Rolling Stones. Aber was haben die Deutschen den Engländern geschickt? James Last!“ (großes Gelächter) Aber die Lektüre von Kurt Weil hätte ihm doch ein besseres Verständnis der Sprache beschert. Und mit Sprache kennt sich Walker wahrlich aus. Immerhin hat der studierte Historiker 25 Jahre als politischer Journalist für „The Guardian“ geschrieben. Augenzwinkernd erwähnt Walker, dass Touristen, wenn sie in St. Denis die örtlichen Gemeindepolizisten fragen, ob sie DER Bruno seien, diese mit „Jawoll!“ antworten und die Bücher Walkers mit Freude signieren. Man sieht den blauberockten Dorfpolizisten förmlich vor einem stehen.

Carmen Töpfer, angesehene Mitwirkende der „hannemanns“-Theatergruppe und kurzfristig als Vorleserin eingesprungen, nimmt schließlich das Skript zur Hand und fängt an zu rezitieren. Es beginnt eine Reise in die politische Kultur Frankreichs voller geschichtsträchtiger Figuren, herrlichen Gaumenfreuden und natürlich mit kriminellen Verstrickungen.“ In Saint-Denis wird er nur ›der Patriarch‹ genannt: Marco Desaix, Kriegsheld mit hochrangigen Kontakten zur französischen, russischen und israelischen Regierung und Brunos Jugendidol, weil er als erster französischer Pilot die Schallmauer durchbrach. Auf seinem Schloss lernt Bruno neben dem überaus väterlichen Gastgeber auch dessen Familie näher kennen und bekommt neben vorzüglichen Trüffeln und Pâtés mehr familiäre und politische Intrigen serviert, als selbst er verdauen kann. Als am nächsten Morgen ein Gast tot aufgefunden und sofort eingeäschert wird, beginnt Bruno zu ahnen, dass dieser nur eine von mehreren Leichen im wohlgefüllten Weinkeller sein dürfte.“ Soweit der Auszug.

Nach einem Kapitel steht Walker mit seinem Buch in der Hand auf und platziert sich zwischen den Gästen. Dann liest er persönlich – natürlich in Englisch – das nächste Kapitel weiter und ganz langsam erhält die Geschichte eine ganz andere Emotionalität, feine Gesten und Akzentuierungen unterstreichen jede Szene auf wirkungsvolle Weise. Beinahe wie Erinnerungen wirken die Dialoge, wenn Walker sie pointiert in seiner Muttersprache vorliest – es kommt aus tiefstem Herzen.

So schildert er dem fasziniert lauschenden Publikum einen Bruno als draufgängerischen Mann mit einer romantischen Seite, der seinen kriminalistischen Alltag genussvoll mit seiner Leidenschaft fürs Kochen verquickt, aber auch messerscharf kombiniert und eine feine Nase für kriminelle Machenschaften an den Tag legt. Überhaupt sind die bisher acht Fälle des Chef de Police Bruno niemals blutrünstig, sondern mit feiner kriminalistischer Tiefgründigkeit, die garniert mit dezidierten Beschreibungen von Weinproben und traditionellen französischen Gerichten ein wohlwollendes Lebensbild unseres Nachbarlandes vermittelt – die reinste Liebeserklärung ans Périgord. Das macht der Autor so gut, dass der Tourismus in der Region einen Zuwachs von 30 Prozent deutschsprachiger Touristen verzeichnen konnte. Dem interessierten Leser sei die Website: „Auf den Spuren von Martin Walker“ (http://de.france.fr/de/info/auf-den-spuren-von-martin-walker) wärmstens ans Herz gelegt. Eines von Walkers Restaurant- und Hoteltipps, die er an diesem Abend noch gibt, ist das „Le Vieux Logis in Tremolat (http://www.vieux-logis.com/fr/). Man hätte den Abend kaum vergnüglicher verbringen können als mit Martin Walker. So verwundert es nicht, dass sich eine erhebliche Schlange an Autogrammjägern bildet. Fast jeder Gast lässt sich von dem heiteren, unermüdlichen Autor noch den einen oder anderen klugen Rat ins vor Ort gekaufte Buch schreiben, wie beispielsweise: „ Ce n‘est pas possible d’ajouter trop de vin, ni trop d’ail – bon appétit“ was bedeutet, dass man nie zu viel Wein oder Knoblauch hinzuzufügen kann. Voilá – Savoir vivre mit einem Schuss Spannung und gut gewürzter Krimiliteratur.



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