„Wir in Kronberg sind stolz, eine solche Partnerschaft zu haben!“

Kurz vor der Unterschrift ins Goldene Buch: Bürgermeister Klaus Temmen (links) zeigt seinem Aberystwyther Amtskollegen Steve Davies (Mitte) und Carol Ann Kolczak, der Vorsitzenden des Partnerschaftskomitees Aberystwyth-Kronberg das Ehrengast-Buch Foto: A. Puck

Kronberg (pu) – „Mit den Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Kronberg im Taunus und Aberystwyth führen und leben wir den Gedanken der internationalen Beziehungen und der Völkerverständigung fort. Unsere Städtepartnerschaft leistet einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Toleranz in Europa. Sie bietet die Chance, mehr über die Menschen dort, über ihre Kultur und Gepflogenheiten und ihr Alltagsleben zu erfahren“, heißt es etwas gekürzt wiedergegeben in der Erklärung, die mit den Unterschriften der offiziellen Vertreterinnen und Vertretern beider Städte und Partnerschaftsvereine im Goldenen Buch der Stadt während eines Empfangs im Rathaus erneuert und bekräftigt wurde. Ein weiterer Absatz bezieht sich auf die Manifestierung der künftigen Ausrichtung: „Wir wollen insbesondere jungen Menschen den Gedanken der Völkerverständigung durch gegenseitige Besuche vermitteln, weiter ausbauen und langanhaltende Freundschaften entstehen lassen und die Einzigartigkeit städtepartnerschaftlicher Beziehungen fortführen und entwickeln.“

Auf Jugend setzen

Die tragende Rolle Jugendlicher schon während der ersten Kontaktaufnahme zwischen der Altkönigschule Kronberg und der Penglais School, die seinerzeit quasi als Geburtshelfer fungierten, sowie die Ernsthaftigkeit der Absicht, auf die aktuell nachwachsende Generation als zukunftssicherndes Bindeglied für die Partnerschaft zu setzen, zog sich wie ein roter Faden durch die Festtage.

Die Feierlichkeiten nahmen ihren Auftakt mit der Eröffnung der Ausstellung „Landschaften Kronberger Malerkolonie neu interpretiert“ und „Beautiful imperfection“-Skulpturen mit Arbeiten des Kunstleistungskurses der Altkönigschule Kronberg im Integrationstreff der Flüchtlingshilfe Kronberg in der Adlerstraße. Angelockt durch die bereits zum zehnten Mal in der Burgstadt weilende Brass Band aus Aberystwyth mit ihrem langjährigen, vor Leidenschaft und guter Laune sprühenden Dirigenten Alan Phillips, die mit ihren schmissigen Klängen für die perfekte Umrahmung sorgte, gesellte sich der eine oder andere zufällig Vorbeikommende zum munteren walisisch-deutschen Grüppchen im engen Altstadt-Gässchen.

Nach den Worten des stellvertretenden Altkönig-Schulleiters Martin Peppler, der nach der für viele überraschenden Abwanderung des bisherigen Direktors Stefan Engel kurzfristig die Amtsgeschäfte kommissarisch übernommen hat (siehe auch weiteren Bericht in dieser Ausgabe), empfanden es die Schüler als besondere Ehre, ihre kreativen Arbeiten in einem solchen Rahmen einmal außerhalb der Schule in Szene setzen zu können. Leistungskurs-Leiter Thomas Böhm skizzierte kurz die dahinter steckende Idee. Die faszinierende Historie der Kronberger Malerkolonie vor Augen, begaben sich die Schüler im letzten Jahr auf eine etwas andere Spurensuche. Sie sollten nachempfinden, wie Künstler im Laufe der Kunstgeschichte auf die Natur geschaut haben, welch unterschiedliche Bedeutung der Natur durch die Bilder verliehen wurde und ihrem persönlichen Blickwinkel entsprechend, eigene Interpretationen in ihre Werke einfließen lassen. „Die Schüler haben sich stückweise von traditionellen Sehgewohnheiten gelöst und dabei Themen entdeckt, die nicht schon immer mit Natur in Verbindung gebracht wurden“, erklärte Böhm. Mit ihren Malereien würden die jungen Künstler nicht nur einen eigenen Platz in der Historie der Kronberger Malerkolonie finden, sondern einen Beitrag leisten, das in vielen Köpfen vermeintlich angestaubte Image der Künsterkolonie in einem anderen – moderneren – Licht zu sehen. Darren Ibold beispielsweise brachte in seinem Landschaftsbild die Sehnsucht eines Menschen nach Ruhe zum Ausdruck, der nach einem anstrengenden Arbeitsalltag noch seinen Aktenkoffer in der Hand haltend die beruhigende Wirkung des herrlichen Blicks auf einen Fluss genießt. Die zweite Anforderung an die Schüler war, das in Werbung und Unterhaltung vorherrschende Körper-Idealbild kritisch zu hinterfragen und Kleinplastiken zu schaffen, die mit dem vor allem für junge Menschen belastenden Thema „Idealbilder“ brechen. Ibolds Interpretation von Unvollkommenheit zeigt eine Figur mit Storchenbeinen und Flügeln. „Die Storchenbeine stehen für Magersucht, die Flügel dafür, dass viele vor ihren Problemen einfach wegfliegen möchten.“

Beim abendlichen Festempfang im dafür prädestinierten Rathaussaal übernahm das erst 15-jährige Geigen-Ausnahmetalent Ariane Dernbach, im letzten Jahr Preisträgerin bei „Jugend musiziert“, die ehrenvolle Aufgabe, mit dem Präludium aus der Partita Nr. 3 für Geige solo von Johann Sebastian Bach auf die würdevolle Feststunde einzustimmen. Wenig später spielte sie sich mit der Meditation von Massenet und Dvorak-Sonatine endgültig in die Herzen des Publikums. Den musikalischen Staffelstab übernahm anschließend die Brass Band aus Aberystwyth.

Stadtverordnetenvorsteher Andreas Knoche (CDU) übernahm die Begrüßung der geladenen Gäste, darunter den aktuellen Aberystwyther Bürgermeister Steve Davies, seinen Vorgänger Brendan Somers sowie die langjährige Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Aberystwyth-Kronberg, Carol Ann Kolczak. Von deutscher Seite durften neben Bürgermeister Klaus Temmen und Erstem Stadtrat Robert Siedler (beide parteilos) selbstredend weder Friedrich „Fritz“ Pratschke – Vater, Motor und Seele der jüngsten aller vier Kronberger Städtepartnerschaften und Gründer des hiesigen Partnerschaftsvereins – fehlen, noch Bürgermeister a.D. Wilhelm Kreß, der 1997 gemeinsam mit der damaligen Bürgermeisterin von Aberystwyth, Elin Jones, die Verschwisterung offiziell besiegelte. „Wir in Kronberg sind stolz, eine solche Partnerschaft zu haben“, strich Knoche heraus, wohlwissend um die anfänglich herrschende große Skepsis und jahrelange Zurückhaltung in beiden Rathäusern, die erst ein gehöriges Maß an Stehvermögen und Beharrlichkeit Pratschkes zum Bröckeln brachte.

Mit Blick auf den Brexit und den begleitenden Hinweis, dass sich Aberystwyth nichtsdestotrotz als „most Europhile town in the UK“ bezeichnen darf, weil die Stadt eine von wenigen in Wales war, die für einen Verbleib in der EU votierte, unterstrichen die Bürgermeister beider Städte die Wichtigkeit funktionierender Städtepartnerschaften. „Während der Brexit wie eine Wolke über uns hängt, haben wir eine solide Partnerschaft mit den guten Leuten aus Kronberg und mit St. Brieuc, was wichtiger denn je ist“, formulierte es Steve Davies.

Die aktuelle Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Kronberg-Aberystwyth, Dr. Barbara Reimer, ließ ebenso wie alle Redner die vergangenen Jahrzehnte der intensiv gelebten Städtepartnerschaft noch einmal Revue passieren, richtete abschließend jedoch den Blick in die Zukunft:„Wir wollen weiterhin besonders die Jugend fördern und hoffen, dass sie dann in unsere Fußstapfen treten kann!“

Ihr walisisches Pendant Carol Ann Kolczak, die als allererste und mehrfache Vorsitzende „ihres“ Partnerschaftsvereins und als zweifache Bürgermeisterin ihrer Stadt zweifellos zu den tragenden Säulen dieses Bündnisses zählt, konstatierte: „Städtepartnerschaft ist nicht nur politisch, sondern anerkannt für ihre Willkommenskultur, Freundschaft, Schulsprachen und Musik und andere kulturelle Austausche zwischen den beiden Städten – mögen diese gedeihen und wachsen!“

Aber-Kreisel und Meilenstein

Das von den Walisern mitgebrachte Erinnerungsgeschenk mit einem stolzen Gewicht von 107 Kilo hatte sie nicht mit ins Rathaus gebracht, wie sie mit einem Augenzwinkern erzählte. Der markante Meilenstein aus bestem Schiefer trägt die Angabe der Entfernung zur walisischen Partnerstadt. Es sind 1.200 Kilometer. Das Präsent steht nun in direkter Nachbarschaft zum am Samstag getauften Aberystwyth-Kreisel an der Merianstraße, den ein Drache ziert. Damit ist nunmehr auch die jüngste der vier Kronberger Partnerstädte sichtbar im Stadtbild vertreten nach der Le-Lavandou-Straße, dem Porto-Recanati-Platz und der Ballenstedter Straße.

Für den Vater der Partnerschaft, Friedrich Pratschke, ging damit auch der letzte seiner ehemals vier Wünsche in Erfüllung. Die anderen drei waren der 1968 aus der Taufe gehobene Schüleraustausch, die 1997 besiegelte Städtepartnerschaft und die Realisierung des Partnerschaftsbrunnens am Berliner Platz gewesen. In Festtagsstimmung erlaubte sich Pratschke daher einen Extrawunsch zu formulieren: „Möge diese Partnerschaft erfolgreich wachsen und gedeihen!“ Als ehemaliger Lehrer gab er der Kronberger Bevölkerung launig den Tipp: „Bevor Sie sich am am zweifachen „th“ im Namen Aberythwyth die Zunge brechen, verwenden Sie einfach das in der Partnerstadt gebräuliche kurze „Aber“.



X