Kulturnacht lockte mit leisen und lauten Bildern und Tönen

Man achte auf die Mimik der beiden Herren von „Spot the Drop“ und schon wurden die Lachmuskeln aktiviert. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – „Ich habe sogar philosophische Gedichte über Zwiebeln“, ermutigte Claudia Schnürer in ihrem Vorlesezimmer zur Kulturnacht, das sie sich in der Kronberger Bücherstube eingerichtet hatte, ihre Gäste, Platz zu nehmen und sich zu ihrem ganz persönlichen Stichwort ein Gedicht von ihr vortragen zu lassen.

Von Mut und Liebe

Mut, Veränderung, Suche, Loslassen und die Liebe waren nur einige der Stichwörter, die die Gäste, die sich vor Publikum zu ihr an den Tisch trauten, nannten. Mit dem richtigen Gespür für ihr Gegenüber, gepaart mit einem großen Lyrik-Schatz-Wissen, gelang es Claudia Schnürer, ihren Besuchern im Vorlesezimmer ein lange nachwirkendes Lyrik-Geschenk zu machen. Ob Konrad Ferdinand Meyer oder Joachim Ringelnatz, was sie auswählte, kam an beim Gegenüber, ihre Art vorzutragen, liebevoll, eindringlich, nachspürend. Das Vorlesezimmer wurde somit ein beseelter Ort zur Kronberger Kulturnacht, ob man ihn zum Einstieg, mittendrin im Kleinkunsttrubel oder zu später Stunde aufsuchte. Überhaupt war die Lyrik beim Internationalen Kleinkunstfestival in der Burgstadt fast schon ein Begleiter.

Deutschland, Land der Dichter und

Denker?

Denn in der Stadtbücherei war Anna Magdalena Bössen zu Gast. Die Diplom-Gedichte-Sprecherin ist von 2014 bis 2016 8.116 Kilometer mit dem Rad, vielen Gedichtsbänden und noch einigen mehr in ihrem Geiste durch Deutschland gefahren, um sich umzusehen in dem Land. Sie wollte mit den Leuten ins Gespräch kommen und herausfinden, ob Deutschland überhaupt noch das Land der Dichter und Denker ist. Entgegen dem Kronberger Publikum, das ihre Frage mit einem spontanen „Ja“ beantwortete, erhielt sie auf ihrer Reise quer durchs Land mehrheitlich die Antwort: „Nein, das sind wir nicht mehr!“ Vermutlich würde deshalb auch kaum einer wissen, dass es so etwas wie Gedichte-Sprecherin überhaupt gibt. Damit die Deutschen nicht Gefahr laufen, ihre Wurzeln zu verlieren, die ihrer Überzeugung nach auch in der heutigen Zeit noch helfen könnten, Fragen zu beantworten, rezitierte sie, was das Zeug hielt: zum Beispiel die Bürgschaft von Friedrich Schiller. Und das Publikum hing ihr an den Lippen und litt mit dem zum Tode Geweihten, der dem Tyrannen seinen Freund als Bürgen lässt und alle Kraft aufbringt, um ihn rechtzeitig wieder auszulösen. „So einen Verbündeten habe ich auf meiner Reise quer durch Deutschland nicht gefunden.“ Allerdings sei sie ja auch nicht in Lebensgefahr gewesen. Sie hat auf ihrem Weg auch herausgefunden, dass die Deutschen nicht mehr wie früher meinen, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird als ihnen. Zu groß und verunsichernd seien Thema wie Klimawandel und schwindende Ressourcen. Jedoch: Für sie halten die Dichter und Denker dennoch etwas bereit: Das Versprechen, dass wir es selbst sind, in deren Hand es liegt, wie wir unsere Zukunft gestalten.

Und so warb sie mit Versen von Goethe und Schiller, mit Heinrich Heine, Hugo von Hofmannsthal und Heinz Ehrhardt und viel Esprit, den Glauben an die Zukunft nicht zu verlieren. Und auch wenn die Romantik bei den Deutschen zwar tief vergraben scheint, weil sie bei Themen, für die sie brennen, von Essen, Fußball und Autos berichten, ist sie sich nach ihrer Reise sicher: „Die Deutschen glauben an die Liebe – und sogar an die wahre, die einzige Liebe.“ Doch verstecken würden sie das ähnlich wie den Humor. „Ich glaube schon, dass wir Humor haben, wir geben es nur nicht zu“, so ihre Interpretation des Gedichte-Rankings, bei dem Gedichte über Schwermut, Tod und Herbst das Rennen machen.

Vergängliche Bildergeschichten

Ihre ganz einzigartige Welt der poetischen Bilder ließ Anne Löper währenddessen in der St. Peter und Pauls Kirche gemeinsam mit dem Klangkünstler Sebastian David entstehen. Es sind Bilder, die sie mit Wüstensand, der durch ihre Finger rinnt, entstehen und die sie im nächsten Moment wieder erlöschen lässt, indem sie ihn verwischt, überzeichnet, überstreicht. Sie entführte ihr fasziniertes Publikum vom Altarraum heraus in den Frühling nach China, auf die Reisfelder, spricht vom Glück und Leid der Menschen in ausdrucksstarken Gesichtern und Geschichten, die sie mit Wüstensand malt. Vergänglich sind nicht nur ihre Bilder, auch Moritz Stoepel sollte sich in dieser Nacht der kulturellen Vielfalt poetisch, in Prosa und mit Szenen der Weltliteratur, die er spielt, interpretiert und mit Klangbildern untermalt, mit der Vergänglichkeit auseinandersetzen. Sein Thema war der Clown als Menschenseelenspieler zwischen Licht und Schatten, der von der Liebe und der Einsamkeit, vom Leben und vom Tod erzählt und singt und mit dem er durch die Straßen Venedigs zieht. Den einen gefiel der Laut und Leise, Flüsternde, Schreiende Säuselnde, der Aufbegehrende, zwischen Lachen und Weinen Hin- und Herschwankende. Die Anderen zog es bei diesem wilden Potpourri lieber pünktlich in die Zehntscheune, um mit dem Clown Peter Shub herzhaft lachen zu können. Und das geht prima. Erst wundert man sich über seine zusammenhanglosen kleinen Nummern, einer Mischung aus Pantomine, Slapstik, Comedy und Tragik. Das Stativ für den Fotoapparat als Stütze für den Arm zu verwenden, die Motte zu tanzen und ins Licht zu flattern: „Zisch“ und im nächsten Moment ist diese Einlage zu Ende, die Ideen scheinen so einfach und sind doch genial in ihrer Absurdität, sodass man, während man noch denkt, „wie blöde ist das denn“, sein Zwerchfell trainiert: Besonders, als das Stativ zur zweiten Person wird, die ihn angreift, oder als er seine eigene Geburt spielt. Authentischer und komischer ging es nicht. So und nicht anders wird es uns im Mutterleib ergangen sein – das steht fest!

Einfach Spaß hatte das Publikum auch an dem international bekannten Jonglier-Duo, das in der Stadthalle auftrat. Sie zeigten mit ihrem Synchron-Jonglage-Programm ihre ganz eigene Welt: Es ist, als würde man einem alten Ehepaar, das sich ohne Worte versteht, zuschauen, wie es alles Seite an Seite und liebevoll gemeinsam im eigenen Tonus macht: spielend, foppend, sich ärgernd. Mit ihrem ganz eigenen Humor tanzten und jonglierten sich die beiden Herren mit Koffern, Stühlen, Bällen und Kegeln ins Herz ihres zahlreich erschienenen Publikums.

Die Kulturnacht war dieses Mal reich bestückt mit interessanten Programmpunkten, – alles zu sehen blieb ein kaum realisierbarer Wunsch. Schade, erfuhr man doch beim Innehalten von Freunden, Bekannten bei einem Glas Wein, was man gerade an anderer Stelle verpasst hatte, aber absolut sehenswert sei! So blieben noch „Take Four“ mit allem was groovt zur Auswahl, Vyacheslav Korban in der Markus-Gemeinde mit „Jazz für Liebhaber“, oder man entschied sich dafür, noch einen Kronberger zu besuchen, wie beispielsweise Bernhard Zosel in der Johanniskirche mit Patricia Zehme & Yves Comeliau und ihrem spannend klingenden Programm „Grenzenlos frei!“, den Kunst-Dreiklang von Malerei, Skulptur und Bildhauerei in der Galerie Kerstner oder die „Wie es euch gefällt“-Ausstellung des Kamera Klub Kronberg. Letzterer war erstmals bei der Kronberger Kulturnacht dabei und sehr zufrieden mit der Besucherresonanz. Vierzig der knapp 100 von ihnen in der Adlerstraße ausgestellten Fotos wurden gegen eine kurze Begründung eingetauscht und mit nach Hause genommen. Allesamt Fotos, die Emotionen erzeugten, seien es, dass sie bei ihren Betrachtern Erinnerungen weckten, Reisesehnsucht, oder Wohlbehagen auslösten.

Ein gutes Beispiel für eine Fehlinvestition

Mit einem ganz anderen und weitaus trocknerem Thema, sollte man jedenfalls meinen, wartete der Kabarettist und Finanzbranchen-Insider Bernd Waldeck im Recepturkeller zu später Stunde auf.

Wer schon müde war, wurde spätestens hier schnell wieder munter: Schließlich gab er sich überzeugt zu wissen, wie man sein Geld richtig vermehrt und so hing ihm sein Publikum sofort an den Lippen: Wer hätte nicht gerne ein bisschen mehr auf der hohen Kante? An „Dieter“, den er als Freiwilligen auf die Bühne holte, demonstrierte er jedoch zunächst, wie man einen 20-Euro-Schein im wahrsten Sinne des Wortes „verbrennt“, denn Zauberkünstler ist er auch. Das hatte er nach 52 Semestern BWL in Großbritannien gelernt. „Meine Eltern, die mein Studium finanziert hatten, waren begeistert. Das ist übrigens ein gutes Beispiel für eine Fehlinvestition.“ Mit treffsicheren Pointen erklärt er die Gesetze des Geldvermehrung – eine hohe Streuung bei den Geldanlagen, ist zu beachten, und auch wenn Studien mit Affen beweisen, dass deren Zufallsprinzip die erfolgreichste Anlage verspricht: das Risiko bleibt. Allerdings: „Wenn man als Geldanlagen ein Sparbuch, die Ehe und das Einfamilienhaus wählt, dann haben sie ein Risiko, das sie mit Aktien niemals schaffen nachzubauen“, erklärte er dem amüsierten Publikum, das er schließlich mit der Weisheit nach Hause schickte, dass Sparen doch Not tut, denn wer weniger ausgibt, als er einnimmt, wird zweifelsohne Geld vermehren und wenn es ihm dann noch gelingt, sich wie die Affen zu verhalten, könnte er sogar schnell reich werden. Im Notfall helfe aber auch das gute alte Sparbuch, verriet er: „Es verzehnfacht unser Geld in immerhin 1.152 Jahren!“



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