Kultursommer auf der Burg – Landart-PORTAL eröffnet

Die Besucherinnen und Besucher der Eröffnung der Freilicht-Installation von Jutta Briehn ließen das textile Kunstwerk in Ruhe auf sich wirken. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – In der Textilkunstszene hat es sich längst herumgesprochen und das nicht nur im Taunus: Es gibt ein neues textiles Großprojekt der Quilt-Künstlerin Jutta Briehn nach ihrer ersten Freilicht-Installation 2014 auf der Burg. Bei der waren unter anderem Insekten das Thema auf der Oberburg gewesen, wie Gabriele Rasbach erinnerte, die im Namen des Stiftungsvorstandes der Burg Kronberg die Burgfreunde und Freunde der textilen Kunst von Jutta Briehn begrüßte. In Folge von Jutta Briehns künstlerischen Entwicklung von Quilts bis nun hin zur textilen Landart-Installation im Freien, die Wind, Sonne und Regen ausgesetzt und damit vergänglich ist, hat die Kronbergerin die Mauer zwischen Prinzenturm und Burgkapelle mit einem dem Charakter der Burg nachempfundenen textilen „PORTAL“ verkleidet.

Von den acht Bahnen jeweils fünf Meter langem und 1,45 breiten Nesselstoff, der sich durch die gesamten Räume bis hin zur Nähmaschine im Wintergarten des Altstadthäuschens von Briehns schlängelte, wurde schon berichtet, um die handwerkliche und künstlerische Herausforderung dieses Großprojektes besser zu veranschaulichen. Aber abgesehen von fachlichem Geschick, mühevoller Näherei und Druckerei bei so viel Nesselstoff: was würde das Ergebnis sein? Bei aller detaillierten Beschreibung des Entstehungsprozesses dieses Kunstwerks blieb das trotz Einblicks auf einige Stoffbahnen auf der Wäscheleine unvorstellbar. Wie wird die Burgmauer wirken? Eingepackt wie bei Christo? Zugehängt? Ein textiler biederer Abklatsch der Mauer? Eine Bühnendekoration für ein Kindermärchen? Wird es in dieser Größe eine textil anspruchsvolle Arbeit bleiben oder wird es Kunst sein?

Jutta Briehn hat sich der Herausforderung gestellt und ein neues Kunstwerk geschaffen, das sich in die umliegenden Burggemäuer einfügt. Erklimmt man vom unteren Burgtor aus den Burghügel, fügt es sich so gut ein in das Burgensemble, dass man zunächst fast daran vorbeiläuft, um dann ein paar Schritte zurückzutreten und verunsichert stehen zu bleiben: Plötzlich hat die Burgmauer zwei Burgportale, dazwischen im Wind flatternde golden glänzende Burgschindeln und mehrere Rosetten dazu, die eindeutig aus Sandstein gemeißelt scheinen, und doch „nur“ eingefärberter Nesselstoff sind. „Ich wollte den Stil der Burgmauer nicht zerstören“, erklärt Jutta Briehn zu ihrer Installation. Am Anfang war nur die Idee, das Portal zu spiegeln, danach entwickelten sich weitere Motive, die Türmchen und Rosetten als Mauerzinnen, die sie ebenfalls Eins zu Eins in ihrem textilen Mauerwerk widerspiegelt. Immer wieder arbeitete sie vor der Mauer, nahm Maß oder machte Fotos, ließ von ihren zwei Unterstützern – ihrem Mann Georg und Herbert Bäcker vom Arbeitskreis Bau der Burg Kronberg die Bahnen probehalber hängen, bis zum letztendlichen Aufbau der Installation, der eineinhalb Tage dauerte.

Die Burgbesucher, die nicht eigens zur Vernissage der Großinstallation „PORTAL“ gekommen waren, bleiben verblüfft stehen und lassen das Kunstwerk auf sich wirken. Es ist so schön wie die alte Burgmauer – nein bezaubernder in seiner Wirkung, die harmonischen Elemente des Burgmauer-Gesims aufnehmend, mit ihnen spielend, sie neu zur Schau zu stellend und farblich zurückhaltend, jedoch nicht abkupfernd, sondern künstlerisch frei. „Ich wusste von Anfang an, dass meine textile Burgmauer auch Gold enthalten soll“, so Briehn. „Gold auf Textilien ist einfach ein echter Hingucker und ich fand, die Burg hat auf jeden Fall ein bisschen von dem glänzenden Gold verdient.“ Dass sie jede Menge Gold verbrauchen würde, weil sich die Goldfarbe besonders gut in den Nesselstoff einsaugt, war ihr allerdings nicht bewusst... Und so hat sie der Burg ein Geschenk gemacht, das bestimmt einige Burgbesucher mehr auf den Hügel über Kronberg führen wird. Der Fokus der Installation wird auf das Gemäuer mit seinem ornamentalen Gesims gelenkt, das die Augen beim Anstieg auf die Burg ansonsten oftmals nur im Vorbeigehen streifen. Gespannt sucht man als Betrachter den „echten“ Eintritt durch das Portal, hinter dem sich der ebenso beeindruckende Prinzengarten – gerade in voller Rosenblütenpracht – auftut.

Dort – untermalt von Maria Schaumburg und Nico Lehmeier vom Duo Saxodeon, gab nach Durchschreiten des Portals einen Sekt mit Maronenlikör für die zahlreich zur Vernissage erschienenen Gäste und jede Menge duftender Rosen und einen Weitblick bis in den Odenwald.

Wer Kultur und die Burg als Veranstaltungsort liebt, darf sich auch in den kommenden Wochen auf eine Vielzahl weiterer Kultur-Schmankerl ganz unterschiedlicher Art freuen, selbst wenn er den Erich Kästner-Abend am vergangenen Samstag vielleicht versäumt haben sollte. Der jedenfalls war auch ein gelungenes Kultur-Paket: Chris Karen führte in ihrem literarisch-musikalischen Programm mit spöttischem Charme, eleganter Schärfe und witziger Präzision sowie Freude am szenischen Wechsel durch Erich Kästners Leben. Im Gepäck und mit der Gitarre untermalt hatte sie seine Ansichten zu den Themen Liebe, Männer, Frauen, Großstadtleben, Kindheit und Natur mitgebracht, aber ließ auch Kästners politische Gedichte nicht missen. Gabriele Krieger als Organisatorin durfte sich über die gut besuchte Veranstaltung mit vielen neuen Gesichtern zur Kultur am Samstag um 19 Uhr auf der Burg freuen – und über Erich Kästners Weisheiten. Mit einer von ihnen hatte sie selbst die Gäste begrüßt und ihnen einen vergnüglichen Abend gewünscht: „Humor ist der Regenschirm der Weisen“, so formulierte es einst der Dichter und Schriftsteller vortrefflich, der seine Ziele, die er als Kind wusste: mit 19 einen Job zu haben, mit 29 Jahren bekannt zu sein und mit 39 Jahren berühmt zu sein, allesamt erreichen sollte.

Was die Burg ihren Gästen in den nächsten Wochen neben Geschichtlichem an Kulturhappen noch offeriert, wird in den nebenstehenden Ankündigungen weiter beschrieben – es ist das TNT Britains mit Julius Caesar von William Shakespeare und mit „Babettes Fest“ eine weitere musikalisch-literarische Köstlichkeit. Wohl bekomms!

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