KV02 servierte bei „Glühwein on the Rocks“ Grusel-Gewusel und mehr

Die Showtänze als „Sahnehäubchen“: Die Mittlere Garde des KV 02 entführte in die Hippie-Zeit mit „I will Survive“ von Gloria Gaynor. Foto: A. P uck

Fichtegickelshausen (pu) – Mit dem heutigen Altweiberfastnacht-Donnerstag stürzen sich die Narren und Narrhalesen in die ultimativen Feiertage. Als Rüstzeug für das große Saisonfinale tischte der Karnevalverein 1902 Oberhöchstadt (KV02) am letzten Wochenende in der buntfröhlichen Narhalla Haus Altkönig ein mehrgängiges Einstimmungsmenü für alle Sinne auf, das sowohl Humorvolles und hübsch anzuschauende und über die Bühne wirbelnde Gardemädels für das närrische Volk bot als auch Saures und zum Nachdenken Anregendes für führende Köpfe und Politik.

Zu Beginn drehte Stadtrat Prof. Dr. Jörg Mehlhorn bei der obligatorischen Übergabe des Rathausschlüssels an Sitzungspräsident Orlando Kieser den Spieß jedoch erst einmal um, hielt es seinerseits für angemessen, einen Blick über die Fastnachtszeit hinaus zur in vier Wochen anstehenden Kommunalwahl zu werfen. „Sechs Alternativen laden Euch ein, der Weg zum Wahllokal sollte wohl möglich sein“, warb das Magistratsmitglied für den regen Urnengang als körperertüchtigende Maßnahme in der vor der Tür stehenden Fastenzeit. „Ob schwarz, gelb oder rot, nicht zur Wahl zu gehen, wäre unser aller Tod!“

Ebenso nachdenkliche Töne stimmte Protokoller Hans-Georg Kaufmann an, der „für die braune Brut“ und deren Generalverdacht gegenüber Flüchtlingen nach der Welle der Terroranschläge nur eines übrig hatte: „Was für ein dumm‘ Geschwätz, was die braune Brut bei uns in Deutschland verbreiten tut“. Einmal in Fahrt gekommen, mutmaßte er in bester Verschwörungsmanier: Regenrückhaltebecken an der Ecke Altkönig-/Schönberger Straße? – von wegen! Nach gefühlter Bauzeit von zwei Jahren sei dort wohl eher ein neues Führer-Hauptquartier wahrscheinlich, erste Bewerbungen auf baldigen Einzug lägen von Magistrat und Parlamentarier bereits vor, falls sich doch die Gerüchte vom Abriss des Hauses Altkönig bewahrheiten sollten. Das Lachen im Halse stecken blieb der Schilderung des Protokollers zufolge den direkten Anwohnern, denn kaum das nahende Ende von Großbaustelle samt Straßensperrungen vor Augen, seien beim ersten starken Regenguß die Keller überflutet worden, weil die Baufirma im Eifer des Gefechts schlichtweg die Hausanschlüsse für die Entwässerung vergessen habe.

Dies quittierte er ebenso mit einem dreifach anklagenden „Au, Au, Au“ wie den „Orscheler Taliban, wegen dem kein Fahrradfahrer am 1. Mai durfte fahrn“, FIFA, DFB oder die für Kriegseinsätze unzureichend ausgerüstete Bundeswehr. Offene Fragen notierte er in punkto Verlagerung SGO-Sportstätten und Sanierungsnotstand des Hauses Altkönig. Zum Schmunzeln brachte dagegen die infolge der milden Temperaturen anlässlich des jüngsten Weihnachtsmarktes kurzerhand aus der Taufe gebobene Kreation „Glühwein on the Rocks“.

Doch nicht nur das Wetter kann manche Sorgenfalten auf die Stirn von Weihnachtsmarkt-Standbetreibern treiben, wie der mit roter Nikolaus-Mütze ausgestattete Steffen Reiter berichtete, dessen positive Erfahrungen sich in Grenzen hielten, weil erst trotz Anwendung sämtlicher Tricks mangels Andrang auf dem Berliner Platz nur wenige Euros in die Kasse flossen und er sich das Wochenende drauf am Dalles einem allwissenden Vollprofi gegenübersah. Sei‘s drum, „mit fünf Dalles-Punsch bist du der Chef im Ring!“

Reiter zählt zu den KV02-Eigengewächsen und auf die setzte der Verein auch im weiteren Veranstaltungsverlauf. Ihre eigene Besetzungsliste der Stadt-Oberen präsentierten die „Anner und Ulrich“, Anneliese Hecking und Ulrich Heinecke, mit dem Dreigestirn Bauer, Jungfrau und Prinz, wobei zwischen den Herren Temmen, Odszuck und Feldmann noch die Identität der Jungfrau zu klären sei. Im Großen und Ganzen bemängelten die Beiden das Fehlen bahnbrechender Neuigkeiten in der Burgstadt. Weitaus zwerchfellstrapazierender der, sämtliche Klischees bedienende, Geschlechterkampf der beiden Fastnachter, die wie Nitro und Glycerin ein wahres Feuerwerk abbrannten.

Als urkomisch honorierte das närrische Volk die Fichtegickelhausener Version von „Herrchen gesucht“, in deren Verlauf Gabi Sperlich und Ina Stinchcombe als Elfer-Nothilfe für den nach der letzten Fastnachts-Kampagne herzlos ausgesetzten, völlig dehydrierten, aber garantiert stubenreinen, durchgeimpften, entwurmten und einfach zu handhabenden Karnevalisten Orlando ein neues Zuhause suchten. Der Haken an der ganzen Sache: „Elfer sind nicht zur Alleinhaltung geeignet, sondern Rudeltiere“, die viel Auslauf sowie die richtige Umgebung benötigen. „Für Anfängerinnen sicherlich nicht geeignet, aber ein gut geführter Swinger-Club sollte das Richtige sein.“ Noch eins oben drauf setzte Sitzungspräsident Orlando Kieser mit seiner Definition eines „Elfers“. Unstrittig vom Affen abstammend, sei der „Homosapiens Narhallesis“ die Krone der Schöpfung von der Sohle bis zum Scheitel. Zwischen Beinen und Bauch zu finden, wie bei den meisten Männern, das Hirn. „Mit den Jahren beginnt dieses zu wandern, bis es, so wie bei mir, wieder da ist, wo es eigentlich hin gehört.“ Ganz zu schweigen von den übrigen komplett durchdachten Körperteilen. „Wenn die Nase rot ist, ist der Elfer blau, ist die Nase groß, wird man Präsident beim KV02“. Doch was sei die Fassenacht ohne diese Helden, Symbol des fleischgewordenen Humors, die bis tief in die Nacht in witzig-geistige Gespräche vertieft, meist bei geistigen Getränken, an ihre Grenzen gehend eine Humor-Rakete nach der anderen zünden.

Als Mann für 1.000 Fälle, pardon, drei zu besetzende Rollen, glänzte an diesem Abend der Vorsitzende des Oberhöchstädter Vereinsrings, Hans-Georg Kaufmann. Nach dem Protokoll und einem weiteren Auftritt mit Michael Arndt als Scherzbuben-Duo schlug die Stunde für „Aprés Ski“ mit einem „bunten Hund“. Nach einem achtwöchigen vorbereitenden Trainingslager mit mindestens fünf Kästen Bier und einer Flasche Wodka täglich, ist er nach fünfstündiger Autofahrt morgens um 9 Uhr auf der Piste. „Zwei bis drei Obstler machen dich schnell gelenkiger, doch mittendrin im tiefen Wald, bin ich vor einen Baum geknallt.“ Auch Komasaufen und die Jagd nach Ski-Hasen hinterlassen selbstredend ihre Spuren, doch „scheiß egal, ich fahr hier wieder“.

Getreu der Feststellung von Sitzungspräsident Orlando Kieser „die Jugend von heute ist die Fassenacht von morgen“ waren es erneut die Garden, die mit ihren kreativen Beiträgen das Programm-Gerüst bildeten. Den Vogel schossen dabei die Kleinsten als „Grusel-Gewusel“ige Geister ab, deren Vortrag durch anspruchsvolle Choreografie und sensationelle Kostüme bestach. Obwohl die jeweiligen Pflichttänze ebenfalls erneut gefielen, bildeten die Showtänze eindeutig das „Sahnehäubchen“. Die Mittlere Garde entführte dabei in die Hippie-Zeit mit „I will Survive“ von Gloria Gaynor, das Männerballett „Dalles-Dreamboys“ biemte sich per Zeitmaschine zurück in die Rollen der Backstreet Boys und Michael Jackson und warb mit einem 90er-Jahre-Medley um die Gunst des Publikums. Das Stimmungsbarometer stieg noch ein bisschen höher, als die Große Garde mit einem Charleston in die 1920er-Jahre entführte. Als Stimmungsanheizer fungierte außerdem die Brassband Oberursel mit schmissigen Klängen.

Die Aktiven des Karnevalverein 1902 Oberhöchstadt wurden mit diesem bunten Überraschungsmenü ihrem Auftrag gerecht, gleichwohl sprang dieses Mal im einen oder anderen Fall der Funke etwas schleppender über. Die „tollen“ Tage sind angebrochen – Helau!



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