Lebensfacetten des Landgrafen Alexander Friedrich, Komponist zwischen Romantik und Moderne

Das musikalische Werk des Frankfurter Komponisten Landgraf ALexander Friedrich Landgraf von Hessen wurde geehrt von Dr, Rüdiger Jacobs, Philipp Schwed (Klavier), Dr Astrid Jacobs, Frank Großenbach (Bariton) und Rainer Prinz von Hessen, v.l.n.r. Foto: Sura

Kronberg (aks) – Prinz Rainer von Hessen, Regisseur und Historiker, der gemeinsam mit Landgraf Donatus von Hessen die Hessische Hausstiftung führt, freute sich, 120 Teilnehmer im Musiksalon der Kaiserin Victoria im Schlosshotel begrüßen zu dürfen. Gespannt erwartete er selbst die Kompositionen seines Großonkel „Alec“, die er an diesem Abend zum ersten Mal hören würde. Das reiche musikalische Werk und das Wirken des Landgrafen Alexander Friedrich von Hessen, das nicht aus der Frankfurter Musikwelt wegzudenken ist, waren Thema der Veranstaltung „Lebensfacetten“. Dr. Astrid und Dr. Rüdiger Jacobs gelang es mit dem Pianisten Frank Großenbach und dem Bariton Philipp Schwed, der hauptamtlich als Organist in der St. Elisabeth Kirche zu Frankfurt tätig ist, zwei versierte Künstler zu gewinnen, die sich in das Werk des Landgrafen eingearbeitet hatten und es an diesem Abend virtuos vortrugen.

Die Suche nach den raren Notenblättern gestaltete sich dank Breitkopf & Härtel, dem älstesten deutschen Musikverlag, unbürokratisch, da Dr. Andreas Sopart diese bereitwillig aus dem Archiv zur Verfügung stellte.

Der Landgraf liebte Musik und Kunst und war ein Förderer der Musik der Komponisten der Romantik und der Moderne. Sein musikalisches Schaffen, angeleitet von seiner begabten Mutter, Landgräfin Anna, begann schon sehr früh. Er war seit seiner Geburt so stark sehbehindert, dass er seine Kompositionen in der Braille-Blindenschrift verfassen musste.

Besonders inspirierten ihn die Freundschaften in Frankfurt zu Johannes Brahms, Robert und Clara Schumann, Liszt, Raff und Humperdinck. Trotz seiner fast 20-jährigen Musikausbildung unter anderem in einem englischen College in Upper Norwood und einem Studium der Geisteswissenschaften in Leipzig, das er mit einer Promotion abschloss, blieb ihm die Anerkennung vieler seiner berühmten Musiker-Kollegen verwehrt.

Dr Rüdiger Jacobs, Herausgeber der Neuen Textausgabe Richard Wagners, 2013, war im akademischen Teil der musikalischen Lesung ganz in seinem Element und konnte aus dem Vollen schöpfen. Das Vortragstempo war entsprechend rasant und ließ den einen oder anderen Laien ein wenig ratlos zurück. 200 Jahre facetten- und detailreiche Musikgeschichte in Europa, da musste man schon die Ohren spitzen. So berichtete er ausführlich von der Begegnung des jungen Landgrafen mit Richard Wagner, 1882, kurz vor dessen Tod. Als Wagner ihn damals in seine Privatloge in Bayreuth einlud, und Alexander Friedrich dies aus zeitlichen Gründen nicht annehmen konnte, kursierte fortan das Bonmot mit dem Wagner diese Absage kommentierte: „Fürsten sind Sklaven ihrer Dispositionen!“

Richard Wagner gilt als der erste moderne Komponist. Er postulierte, dass von nun an der Inhalt die Form bestimmen sollte. Wagners Musikdramen beherrschten alle Bühnen und viele seiner Kritiker befürchteten, dass es in Zukunft keine Berechtigung mehr für Konzertmusik geben würde. Liszt, Raff und von Bülow, mit denen Alexander Friedrich in engem Kontakt stand, wehrten sich gegen die Theorie Wagners. Der Musikstreit war in ganz Europa zu spüren. Auch Alexander Friedrich galt zunächst als glühender Anhänger des modernen Komponisten, schlug dann aber wieder moderate, traditionelle Töne an und ließ sich in seinem späteren Leben, als er endlich seinen eigenen Stil gefunden hatte, erneut von Wagner begeistern.

Das spiegelt auch das musikalische Programm des Abends, an dem es Klaviervorträge in bester Bachs’cher Tradition (Gavotte) zu hören gab, das Lied „An den Morgenstern“, das die große Verehrung für Wagner ausdrückte. In diesem Lied wird an Elisabeth von Thüringen erinnert, der Heldin im Tannhäuser und Stammmutter des Hauses Hessen. Der Bariton passte sich mit weicher und an den richtigen Stellen mit leiser, gefühlvoller Stimme dem kleinen Raum an, der mehr Lautstärke nicht vertragen hätte. Die Begegnung 1899 mit den Franzosen der Moderne wie Saint-Saens, Fauré und Ravel inspirierte den Komponisten zum orientalisch säuselnden Lied an die schöne „Fatthume, der Wüste Lieblingsblüte“. Die musikalische Widmung „Phantasiestück“ an den von ihm verehrten Brahms ließ der berühmte Kollege damals unkommentiert.

Im Heine-Gedicht „Du bist wie eine Blume“ spielt Alexander Friedrich mit der Gleichzeitigkeit der Akkorde wie im Tristan-Akkord bei Wagner. Der Schmerz in der Musik klingt noch lange nach, da ist der Gesang längst verstummt. Der Komponist hat sich hier endgültig von der Tradition gelöst – er ist in der Moderne angekommen. Sein großer Verdienst ist, „dass er die Stimmung wie ein Tongemälde ausbreitet“.

Mit den zehn Musikstücken meisterten Frank Großenbach und Philipp Schwed gemeinsam die spannende Reise von der Romantik in die Moderne.

Dr. Astrid Jacobs dankte in ihrer Schlusssrede vor allem Prinz Donatus von Hessen, der nicht anwesend war, sich aber persönlich für den Steinway Flügel im Musiksalon eingesetzt hatte. Die Bürgerstiftung Frankfurt war mit ihrem Vorsitzenden Clemens Greve und Frau Wöhrmann vertreten.

Alles in allem bot sich ein straffes Programm, das in mehr als zwei Stunden, die volle Konzentration des Publikums forderte. Die musikalischen Kompositionen waren ein lebendiges Zeitzeugnis und klangvoller Teil des facettenreichen Porträts des Landgrafen Alexander Friedrich von Hessen, hätten aber insgesamt mehr Raum beanspruchen dürfen.

Der Abschluss mit einem Klavierstück von Wagner – ausnahmsweise kurz – wie Dr. Rüdiger Jacobs betonte, klang besonders leicht und melodisch und bildete den stimmungsvollen Abschluss eines akademisch geprägten Abends, an dem man anschließend entspannt bei einem Cocktail in Jimmy‘s Bar die reichhaltigen „Lebensfacetten“ Revue passieren lassen konnte.



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