Leserbrief

Aktuell

Unser Leser Dr. Gernot Archner, ehemaliger Stadtverordneter in Kronberg, Helbighainerweg, Königstein schreibt unter der Überschrift „StadtENDwicklung“ Folgendes: Kronberg ist wie viele historisch charmant gewachsene Kleinstädte unter Beschuss. Hat das Stadtbild in vordemokratischen Zeiten gar Kriege und Feuersbrünste weitgehend intakt überlebt, erscheint fraglich, ob Gleiches nach nur einer Generation demokratischer Baupolitiker gelingt. Wo soll man anfangen und wo aufhören? Wer erinnert sich noch an die städtebaulich prägende Park- und Baukultur des Frankfurter Hofs und der alten Grundschule als großzügigem Übergangsraum zur Altstadt mit den vielfältigen raumtiefen Blickbeziehungen? Städtebaulicher Fortschritt wäre allein eine Verbesserung des Bestehenden gewesen. Keine 20 Jahre später kann auch der letzte verantwortliche Lokalpolitiker bei ein wenig ehrlicher Selbstkritik den funktionalen wie ästhetischen Verfall der von Beginn an prämodernen Playmobil-Architektur in Lego-Bauweise mit angeschlossenem Miniaturgarten erkennen. Im Kinderzimmer sind derartige bauliche Fehlgriffe rasch behoben, leider nicht in der Lebenswirklichkeit einer Stadt. Vor diesem Hintergrund sei zur geplanten Bebauung des Bahnhofsareals als einem weiteren neuralgischen Punkt der Stadtentwicklung schlicht ein Bau-Moratorium per Bürgerentscheid vorgeschlagen. Im generativen Selbstverständnis einer Stadt kann es nur einen baulichen Veränderungs-„Slot“ für jede Generation geben, wenn demokratische Baukultur einen nachhaltigen Sinn ergeben soll. Die jetzige Politikergeneration hat den ihren bereits vollständig ausgenutzt, ja nach Empfinden vieler Bürger weit überdehnt. In der Sache selbst sei angemerkt: erneut werden Raum- und Platzgefühl sowie raumtiefe Blickbeziehungen vom Bahnhofsareal in den Victoria-Park wie auch über die Schillergärten nach Schönberg unwiederbringlich zerstört. Die geplanten Hotel-Baukörper längs der Bahnhofstraße werden aufgrund der geringen Distanz zur gegenüberliegenden Hangbebauung nicht nur den Blick auf den Victoriapark stark einschränken sondern diesem eine regelrechte Gebäudeschlucht voranstellen, deren Schluchtcharakter durch das beidseitige Gefälle noch verstärkt werden wird. Was die nachhaltige Bewirtschaftung der Konzerthalle anbelangt sei an die anfänglichen Erwartungen für das sanierte Haus der Begegnung in Königstein erinnert. Natürlich würden etwaige Schwierigkeiten letztendlich der Stadt vor die Füße fallen, wenn der Eigentümer über keine ausreichenden Mittel zur Gebäudebewirtschaftung mehr verfügt und eine anderweitige Nach- beziehungsweise Umnutzung baulich wie baurechtlich schwierig bis unmöglich ist. Die Folgesituation für die Stadt wird durch das angrenzende Business-Hotel noch erschwert. Jeder in der Hotelbranche weiß, dass kaum eine Branche operativ vor größeren Umbrüchen steht. Und dies nicht erst seit dem disruptiven digitalen Geschäftsmodell von Airbnb, das gerade in Kronberg gegenüber einem Messe-Budget-Hotelkonzept aufgrund der hohen Wohnflächenqualitäten über erhebliche preisliche wie qualitative Wettbewerbspotenziale verfügt. Heutige Raumbücher für Hotels sind strikt auf den einzelnen Betreiber zugeschnitten und dies bei sich immer schneller ändernden Hotelkonzepten. Wirtschaftlich vertretbare Nachnutzungsmöglichkeiten sind faktisch kaum vorhanden, wenn der Pachtvertrag ausläuft oder schlimmer noch frühzeitig an sein wirtschaftliches Ende kommt. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus und des großen Kapitalanlagedrucks für institutionelle Investoren boomt derzeit der Hotel-Investmentmarkt, insbesondere im Budget-Segment und auch hier gerade in Frankfurt. Die Projektpipeline für 2016 hat sich allein für Frankfurt mit knapp 2.000 Zimmern nahezu verdoppelt und dies bei einer weitgehend gleich bleibenden Zimmerauslastung mit mehr oder weniger stagnierenden Zimmerpreisen. Zwei komplexe Betreiberimmobilien mit vergleichsweise unerfahrenen Investoren bzw. Betreibern an einem städtebaulich so neuralgischen Punkt zur gleichen Zeit zu errichten, erhöht in unverantwortlicher Weise die wirtschaftlichen Kumulrisiken für die Stadt und zeugt nicht von einem funktionierenden städtebaulichen Risikomanagement. Und wenn die Konzerthalle das Hotel braucht und umgekehrt – wie vielfach vorgetragen – dann sollten bei den politisch Verantwortlichen erst recht alle Alarmglocken schrillen.



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