Leserbrief

Aktuell

Unser Leser, Arnold Willnat, Kastanienstraße, Oberhöchstadt, schreibt zum neuen Gedenkbuch für gefallene Soldaten des 1. Weltkrieges unter der Überschrift „Bestehen wir den Humanitätstest?“ Folgendes: Ein Zugereister bin ich (1991), mein „Nest“ wurde also außerhalb von Oberhöchstadt gebaut. Deshalb will ich um zurückhaltende Formulierungen bemüht sein. Verständnis habe ich für Kinder, Enkel und Urenkel, die das Ansehen ihres Familiennamens verteidigen, pflegen oder wiederherstellen wollen. Deshalb habe ich kein Problem mit privater Trauer um Kriegssoldaten, die eben auch geliebte Familienangehörige waren. Doch es gibt daneben eine andere und zudem sehr berechtigte Sicht: Deutsche Soldaten der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden weltweit eher als Täter in einem barbarischen Angriffskrieg wahrgenommen.

Natürlich hat ein breites Propagandabündnis auch vor diesem Krieg versucht, die geplante Eroberung als „Verteidigung“ darzustellen und ist dabei von Kirchenführern und Militärpfarrern unterstützt worden. In ungeheuerlichen Verdrehungen und Verharmlosungen wurden aus getöteten Kriegern „Gefallene“, die unter dem Segen Gottes ausgezogen waren und nach seinem unausforschlichen Ratschluss nicht mehr heimkehren konnten, weil sie ihr Leben ließen im aufopferungsbereiten Dienst für das geliebte Vaterland. Wer hätte sich ansonsten freiwillig in den nackten Horror des ersten Maschinengewehr- und Gaskrieges gestürzt? Ist das aber nur Geschichte oder wirkt diese (mehrfach wiederbelebte) Propaganda bis heute in unseren Köpfen? Wie gesagt, ich akzeptiere private Soldatentrauer – öffentliche Trauerbücher und Denkmäler sehe ich aber kritischer an: Was soll hier hervorgekehrt, verdrängt oder sogar verdreht werden?

Den außerordentlichen Arbeitseinsatz der Herren Bauer und Schneider somit in allen Ehren, in dem Zeitungsbericht hätte ich mich aber über ein wenig mehr Neutralität und zumindest eine Erwähnung auch der Opfer von Soldaten gefreut. Auch Bürgermeister Temmen wird nur mit den „jungen Menschen, die ihr Leben gelassen haben“ zitiert. Ich bin sehr gespannt auf das Folgewerk zu den „Gefallenen“ des 2. Weltkriegs. Auf der Internetseite des Heckstadt-Vereins existiert bereits ein entsprechendes „Trauerbuch“. Dort werden auch historische Anzeigen abgebildet. Wenn der Tenor ihrer Formulierungen die Grundrichtung für das nächste Buch vorgeben sollte, schwant mir wenig Gutes. Unsere aktuell durch die Flüchtlingsfrage massiv herausgeforderte christliche Solidarität erweist ihre Echtheit erst in der Konfrontation mit den schuldlosen Opfern – so war es früher und gilt auch noch heute. Verdrängung war noch nie ein guter Ratgeber.



X