Leserbrief

Aktuell

Unsere Leserin Gwendolyn E. Wiesinger, Niederhöchstädter Straße, Kronberg, schreibt zur von der Stadt für 18. Januar angekündigten Fällung der Grünbestände am Bahnhof Folgendes: Mittwoch war es so weit: Zwei über 300 Jahre alte, noch lange lebensfähige Kastanien sowie ein 40-jähriger Mammutbaum samt 100 weiteren Bäumen fielen dem Bauprojekt am Kronberger Bahnhof, einem umstrittenen Hotel und einer Konzerthalle der Kronberg Academy, zum Opfer. Tragisch ist, dass es Architekturentwürfe gab, welche diese drei besonders wertvollen Bäume am Straßenrand gegenüber des Schillerweihers integriert und den Eingangsbereich der Konzerthalle landschaftsarchitektonisch bereichert hätten. Warum gab es unter den Verantwortlichen (Auftraggeber, Stadtparlament) keine Mehrheit für eine solch schöne Verbindung von Architektur, Kultur und Natur?

Ästhetisch und moralisch betrachtet gebührt der Schönheit und dem hohen Alter solch seltener Baume Bewunderung und Respekt und es sollte das Bestreben sein, sie zu hegen, zu pflegen und möglichst lange zu erhalten. Die beiden Kastanien mit ihren umfangreichen, knorrigen Stämmen, ihre windenden Äste und ihr dichtes sommerliches Blätterdach strahlen trotz etwaiger Spuren des Alterns noch immer einen starken Lebenswillen aus. Sie haben jahrhundertelang Wind und Wetter – und dem Menschen – getrotzt. Sie sind Zeugen und Teil der Kronberger Geschichte. Kaiserin Victoria, eine ausgeprägte Baumliebhaberin, ließ bekanntlich viele Bäume pflanzen und schützen, mitunter Kastanien auf städtischem Gelände. Viele Bürger haben die Planungsentscheidung leider verpasst, auch weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass die zwei alten Kastanien und der 40-jährige Mammutbaum, ein Geschenk des Wellingtonia Garden Clubs an die Stadt Kronberg, so weit oben in Straßennähe überhaupt zum Bahnhofsareal zählen und überhaupt betroffen sein könnten. Zudem ist die vordere Kastanie mit einer Plakette als Naturdenkmal gekennzeichnet. Daher war die Überraschung und das Entsetzen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern so groß.

Gut gemeinte Neupflanzungen und die geplante künstlerische Verwertung des Holzes als eine Art „Weiterleben“ der Bäume können über den Verlust solch einzigartiger Bäume, die noch lange leben könnten, kaum hinwegtrösten.

Bei der künstlerischen Verwandlung von Teilen des Baumes durch einem Bildhauer bleibt letztendlich verhältnismäßig wenig von der ursprünglichen Gestalt und Schönheit der Bäume übrig, auch wenn an einem größeren, zusammenhängenden Stück gearbeitet wird. Immerhin ist diese Verwendung einer üblichen „Entsorgung“ vorzuziehen. Begrüßenswert wäre, einen Großteil (bis zu 3 Meter) der vorderen Kastanie samt den untersten Teil des Stammes an einer geeigneten Stelle in Kronberg zu platzieren (zum Beispiel Stadtpark).

Man kann nur hoffen, dass neueste Erkenntnisse über das bisher unbekannte Leben der Bäume in unser Bewusstsein dringen, wie sie zum Beispiel der berühmte deutsche Förster und Autor Peter Wohlleben in seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume.“ Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt“ beschrieben hat. Seine erstaunlichen Einblicke basieren auf fundierter naturwissenschaftlicher Forschung und haben nichts mit Esoterik oder romantischer Naturschwärmerei zu tun. Zumindest in der Schweiz scheint schon ein anderes Bewusstsein von der faszinierenden Lebenswelt der Pflanzen vorzuliegen, wo in der Bundesverfassung laut Wohlleben steht, dass „… im Umgang mit Tieren, Pflanzen und anderen Organismen der Würde der Kreatur Rechnung zu tragen ist.“



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