Nino Haratischwili lässt Porträts in schillernden Farben entstehen

Nino Haratischwili erzählte in den Kronberger Lichtspielen von der Entstehung ihres neuen Buchs.

Foto: Sura

Kronberg (aks) – Nino Haratischwili, 1983 in Tiflis, Georgien, dem diesjährigen Gastland der Buchmesse, geboren, ist Theaterregisseurin, Dramatikerin und Romanautorin. Sie war zu Gast von Dirk Sackis, der die Lesung der jungen Erfolgsautorin aus ihrem neuen Roman „Die Katze und der General“ in weiser Voraussicht gleich ins Kronberger Kino verlegt hatte, das fast ausverkauft war. Bevor es dazu kam, konfrontierte Dirk Sackis sie mit dem bekannten Literaturkritiker Dennis Scheck, der vor Kurzem in der Stadtbücherei ihren neuen Roman „Die Katze und der General“ verriss. Da kommt Haratischwili gleich aus ihrer Deckung und macht unmissverständlich klar, was sie davon hält, dass „einer, der in öffentlich-rechtlichen Sendungen auftritt, die mit unseren Steuergeldern finanziert werden, Bücher wegwirft“, die er schlecht findet. Das ist für sie befremdlich und respektlos. Sie holt noch weiter aus, dass er nämlich jedes Mal vor ihr die Flucht ergreife. „Er mag mich nicht, aber man kann nicht von jedem gemocht werden.“

Der Stoff

Sie beruhigt sich und erzählt von der Entstehung ihres neuesten Buchs „Die Katze und der General“, das auf der Shortlist des Deutschen Buchhandels platziert ist. Die russische Journalistin Anna Politkowskaja, eine mutige Journalistin, die jahrelang für die Zeitung über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien schrieb und keine Risiken scheute, wurde 2006 vor ihrer Wohnung mitten in Moskau ermordet. Grosny wurde zur Kulisse eines tragischen Ereignisses, das später als Schauprozess in Russland verhandelt wurde. Russische Soldaten kamen in das Kriegsgebiet und fanden einen trügerischen Frieden vor, der sie immer misstrauischer gegenüber Zivilisten machte. Die Stimmung heizte sich so auf, dass es zu einer Gewaltorgie kam, in der auch eine 17-Jährige vergewaltigt wurde. „Die brutale Geschichte hat mich nicht mehr losgelassen.“ Fragen, warum Menschen zu Tätern werden und wie der Krieg die Psyche der Menschen verformt, treiben sie seitdem um. Die jungen Soldaten kamen mit Hoffnungen und Träumen und landeten in der Hölle.

Der Roman

In ihrem Roman existieren zwei Ebenen, die eines „Generals“ der das tschetschenische Inferno miterlebte und „der es nicht schafft, sich abzugrenzen“ und die der „Katze“, einer Schauspielerin, die beide in Berlin eine neue Heimat suchen. Hier die Hölle, dort das vermeintliche Paradies einer neuen Heimat in Deutschland. Nino Haratischwili beginnt mit einer Lesung aus dem Prolog, der von dem 17-jährigen Mädchen handelt, von ihrer Jugend, ihrem Eigensinn, ihrer Schönheit und ihrem viel zu kurzen Leben. Die Sprache ist kraftvoll, sehr bildhaft. Man begleitet die ruhige Autorin mit sanfter Stimme gern „auf leisen Sohlen durch frostige Nächte“, durch ein düsteres Dorf mit seinen missgünstigen und bigotten Bewohnern, wo sie sie „mit Blicken verdammen“, wo „etwas lauerte“. Man spürt die Gefahr für Leib und Leben des jungen Mädchens, dessen ihr Freiheitsdrang zum Verhängnis werden wird. Aufrecht geht sie durch die dunklen Straßen: „Mit gebücktem Rücken kann man sich nicht durchsetzen.“ Mädchen am späten Abend scheinen wie Freiwild – an diesem Abend beginnt der Krieg. Mehr erfährt man nicht. „Sie sollen ja das Buch kaufen und lesen“, schmunzelt sie.

Sie macht eine Pause. Und erzählt dann von der „Katze“, eine Schauspielerin, die zu einem Geburtstagsfest in Berlin eingeladen ist, im „Salon für Glücksucher“. Viele der versammelten Georgier sind in den 90er-Jahren aufgebrochen auf der Suche nach einem besseren Leben. Das Paradox: schon bald werden sie von der Sehnsucht nach der Hölle eingeholt, die sie verlassen haben. Die Hoffnung ist surreal, das Leben aber real mit realen Berufen ohne reale Chancen. „Sie blieben merkwürdige Geschöpfe mit lustigem Akzent.“ Ihr Leitmotiv ist die Vergangenheit – „glücklose Nostalgiker“, so nennt Haratischwili sie. Die Porträts der Gäste beschreibt sie in schillernden Farben, man sieht sie vor sich die Gastgeberin in den Fünfzigern, den Dichter und Guru aus Odessa, die Slawistik-Professorin, die „Emanze“, den Gigolo in weißen Jeans und weißem Seidenschal und man hört die „deutsch-georgisch-russische Kakophonie“, die gleichzeitig anheimelnd und fremd ist.

Frage nach den Wurzeln

Dann schließt sie das Buch mit den Worten: „Ich hoffe, dass wir uns unterhalten können.“ Sie scheint ehrlich interessiert an dem, was von den Zuhörern kommt. Die Frage nach ihren Wurzeln bewegt sie ernsthaft. Sie frage sich selbst, was sie denn nun sei: eine deutsche Autorin mit georgischen Wurzeln, eine Georgierin, die deutsch schreibt, eine Migrantin, die die Grenzen überschreitet, weil sie nicht nur über ihre Heimat schreibt? Das findet sie „unerhört“, schließlich sei sie ja Schriftstellerin: „Das ist dumm zu meinen, dass man eins zu eins über das schreibt, was man kennt.“ Sie sehe eine große Gefahr darin, wenn man Künstlern in Deutschland vorschreibt, was sie schreiben sollen – vor allem denen mit Migrationshintergrund. Sie schreibe in deutscher Sprache, weil es nicht ihre Muttersprache sei und weil sie in Deutschland lebt: „Ich merkte, dass es schön ist und ich mehr Spielraum habe als in der Muttersprache.“

Bald im Kino?

„Acht Leben“ wurde im Thalia-Theater aufgeführt, das sei ein Glücksgriff für sie, weil das Theater ein wichtiges Medium sei, „ein Roman ist etwas ganz anderes.“ Sie lacht als Antwort auf die Frage, ob der Roman bald verfilmt werde. Da gebe es keinen konkreten Vorschlag, aber vielleicht wäre das Stoff für eine Serie bei Netflix. Die geneigten Leser dürfen gespannt sein, die junge Autorin hat gerade erst begonnen, ihre Stimme zu erheben.



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