Passionskonzert mit Text, Musik, Bild und Emotion

Kronberg (kb) – Zum „Tag des letzten Abendmahls“ am Gründonnerstag schloss sich an den traditionellen Abendgottesdienst in der Johanniskirche ein Konzert an, das in seiner musikalischen und emotionalen Komplexität die Zuhörer sichtbar bewegte.

Die „Sieben Worte Christi am Kreuz“, in zwei sehr unterschiedlichen musikalischen Vertonungen, wurden optisch bereichert durch einen auf eine große Leinwand projizierten Aquarell-Zyklus, so dass aus Zuhörenden gleichzeitig Zuschauende wurden, Zuschauende und damit Teilnehmende am Kreuzestod Christi.

Den Einzelteilen der sehr textbezogenen Komposition der „Sieben Worte“ für Soli, Halbchor und Chor aus dem Jahr 1855 von Charles Gounod wurden abwechselnd kontrastierend entsprechende Sätze aus der Uraufführung eines Werks für Klarinette und Orgel von Jürgen Niessner gegenübergestellt. Die Wiedergabe forderte den Ausführenden ein hohes Maß an musikalischem Einfühlungsvermögen ab, das in der durchdachten Registerauswahl des Orgelparts (Bernhard Zosel) und der meist in tiefer Lage eingesetzten Klarinette (Dorothea Herrmann) überzeugend zum Ausdruck gebracht wurde. Der als Schlagzeuger ausgebildete, aber auch als Lehrbeauftragter tätige Jürgen Niessner, in der Burgstadt kein Unbekannter, orientiert sich in seiner Komposition ganz anders als Gounod nicht am Text, sondern fordert die Zuhörer zu einem eigenen emotionalen Umsetzen des Kreuzigungserlebnisses heraus.

Das tiefe Leiden Christi, aber auch das Licht der Erlösung brachte der 1944 in Ostpreußen geborene und jetzt in Radevormwald lebende freischaffende Künstler Bernhard Guski mit seinen sieben Aquarellen des Kreuzestodes eindrucksvoll nahe. Der Kontrast der Komplementärfarben Gelb und Blau wurde im vierten Bild „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ mit dem schreienden Haupt des Gekreuzigten besonders ausdrucksstark deutlich gemacht. Dazu ließen die scharfen schwarzen Striche, mit denen Kreuz und Gekreuzigte auf allen sieben Aquarellen immer wieder umrissen werden, an die tiefen körperlichen und seelischen Verletzungen denken. Im letzten Bild sicherten die scheinbar zu einer Einheit zusammengewachsenen Hände Gottes dem Kreuz und damit der Menschheit die den Gläubigen zugesagte Aufnahme in das himmlische Reich zu.

An dieser geglückten Verbindung von Text, Musik, Bild und Emotion hatte der Kammerchor St. Johann vocal unter der Leitung von Bernhard Zosel wieder einmal seinen beträchtlichen Anteil. Innerhalb der schon kleinen Besetzung der einzelnen Chorstimmen ragten klangschön und intonationssicher solistische Partien heraus, die der Gounod’schen Vertonung der „Sieben Worte“ zusätzliche Farbigkeit entlocken konnten. Eindrucksvoll im ersten Teil des Konzertabends waren auch die beiden etwa 400 Jahre auseinander liegenden a-cappella-Vertonungen von „Timor et Tremor“ – Furcht und Schrecken –, bei Francis Poulenc und Orlando di Lasso der Zeit entsprechend ganz unterschiedlich musikalisch ausgedeutet mit bei di Lasso bewusst schwierigen Tempoverdichtungen.

Den Einstieg in dieses wie gewohnt inhaltsreiche Musikereignis in St. Johann gab Bernhard Zosel mit einer Orgelbearbeitung eines Oratoriumsteils von Charles Gounod, dessen nicht gebührend allgemein bekanntem Wirken auch als Kirchenmusiker hier ein Denkmal gesetzt wurde.



X