Politisches Kabarett im Kino – leider ohne Politik

Kronberg (pf) – Ein Engländer, ein Türke und das Thema Europa – das birgt jede Menge Zündstoff für politisches Kabarett, gerade heute nach dem Brexit und der sich nach dem missglückten Putschversuch täglich zuspitzenden aktuellen Lage in der Türkei. Mit dem gebürtigen Engländer Mike McAlpine und dem gebürtigen Türken Aydin Isik hatten der Kronberger Kulturkreis und die Kronberger Lichtspiele für ihre neue Veranstaltungsreihe „Kabarett im Kino“ zwei Künstler eingeladen, die als Schauspieler, Comedians, Musiker, Tänzer und Pantomimen einiges zu bieten haben. Doch wer, wie angekündigt, „politisches Kabarett im Kino“ erwartet hatte, wurde enttäuscht.

In ihrem Programm „Nord-Süd-Gefälle“ spielen Mike & Aydin mit den Klischees vom typischen Nord- und Südeuropäer: Mike, ganz Gentleman im Frack mit weißer Fliege, Aydin ganz Macho mit überschwänglichem Temperament und strotzend vor Vitalität. Doch das allein macht noch kein politisches Kabarett aus. Es war zwar ganz unterhaltsam, wie der Engländer in einem Spaziergang Istanbul entdeckt - „Aber wo sind denn die Kamele?“ Antwort des Türken: „Die stehen alle im Parkhaus“ - und wie der Türke umgekehrt Bekanntschaft mit London, dem Buckingham Palace und dem Glockenturm Big Ben macht, doch auf politische Aussagen wartete das Publikum vergebens.

Zwar erwähnte der Türke eher nebenbei, er könne nicht verstehen, warum in England auf Pressefreiheit so großen Wert gelegt wird – Erdogan hat inzwischen reihenweise Journalisten verhaften und kritische Zeitungen, Fernsehsender und Online-Medien schließen lassen - und der Engländer roch in Istanbul eine Wolke von Tränengas. Damit ging die Polizei gegen Demonstranten vor, die als Zeichen der Solidarität zur Redaktion der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ ziehen wollten. Aber damit waren die Hinweise auf die aktuelle Lage in der Türkei bereits erschöpft.

Ach ja, der neue US-Präsident Donald Trump, der mit seiner Art zu regieren und seinen umstrittenen Dekreten politischen Kabarettisten fast täglich eine Steilvorlage nach der anderen liefert, wurde auch einmal ganz kurz erwähnt – als es um die Südeuropäer auf der iberischen Halbinsel ging. Hätte Columbus nämlich seinerzeit tatsächlich den Seeweg nach Indien gefunden und nicht Amerika entdeckt, meinte Aydin Isik, dann hätten wir Trump heute nicht. So einfach ist das also. Dabei hat Trump deutsche Vorfahren. Sein Großvater stammt aus Rheinland-Pflanz, aus dem kleinen Örtchen Kallstadt an der Deutschen Weinstraße im Landkreis Bad Dürkheim, aus dem auch der Großvater des Ketchup-Imperium-Gründers Heinz stammt. Die Einwohner von Kallstadt sind übrigens in der Region seit Ewigkeiten als „Brulljesmacher“ verschrien, als Sprücheklopfer und Angeber.

Mike & Aydins Programm „Nord-Süd-Gefälle“, das Mike in seiner Anmoderation mit Vorschusslorbeeren wie Intelligenz, Witz, Wortwitz, Pantomime und Livemusik bedachte, blieb in vielen Punkten hinter diesen Ankündigungen zurück. Und die Anmoderation zu wiederholen, erwies sich als Gag mit nicht geplanten Folgen. Denn beim Verlassen der Bühne stieß Mike heftig mit dem Kopf gegen den Scheinwerfer, warf ihn um und verletzte sich an der Stirn. Beim zweiten Anlauf musste er daher nicht nur mit der von Aydin ins Spiel gebrachten roten Rose, sondern auch noch mit einem großen Pflaster auf der Stirn auftreten.

Hübsch anzusehen und gelungen waren die Musik- und Tanzeinlagen der beiden Künstler. Viele im Publikum konnten auch über ihre Sketche lachen wie die Balkonszene aus Shakespeares „Romeo und Julia“, die sich Aydin als temperamentvoller Südländer ganz anders vorstellen konnte. Doch wer wegen des angekündigten politischen Kabaretts gekommen war, fühlte sich enttäuscht, hatten sie doch erwartet, was im Programmheft stand: Dass die beiden erklären würden, wie ein gemeinsames Europa funktionieren kann. Ihr Urteil beim Verlassen des Kinos: Thema verfehlt. Schade, hätte es doch Anlass für viele überraschende Einsichten und Pointen geboten.

Mike McAlpine und Aydin Isik spielten in ihrem Programm „Nord-Süd-Gefälle“ mit Klischees.

Foto: Wittkopf



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