Quartiersentwicklung Bahnhof – „Die Architektur muss überzeugen“

Kronberg (mw) – „Um das Projekt Bahnhof zum Erfolg zu führen, müssen wir die Bürger mit ins Boot holen, und das ist gar keine leichte Aufgabe.“ Für diese Erkenntnis erntete Erster Stadtrat Jürgen Odszuck (parteilos) nach umfassendem und wohl strukuriertem Vortrag über die Planungen für die sogenannte „Quartiersentwicklung“ am Bahnhof von allen Seiten Applaus. Rund 150 interessierte Bürger waren der Einladung der Koalition aus CDU und SPD in Spielmanns Lokschuppen am Bahnhof gefolgt, um sich über den Sachstand der Bahnhofsbebauung aus erster Hand zu informieren. „Das ist eine Premiere“, erklärte Moderator Hans-Jörg Niermann (CDU) zur Begrüßung der Sonntagsgäste, „dass CDU und SPD gemeinsam zum Frühschoppen einladen.“ „Wir wollen Sie objektiv informieren“, betonte CDU-Stadtverbandsvorsitzender Reinhard Bardtke eingangs zum Zweck des politischen Frühschoppens. Man wolle damit die Schreckensbilder, die über die Bahnhofsbebauung durch die Presse geisterten, zerstreuen. Als Gäste auf dem Podium waren neben dem Ersten Stadtrat der mögliche Investor des Bahnhofhotelbaus, Daniel Rinck, geschäftsführender Gesellschafter der Contraco GmbH, Oberursel geladen. Des Weiteren standen die CDU-Stadtverordnete Claudia Gruchow (Architektin und Partnerin im Büro von Christoph Mäckler in Frankfurt) und der SPD-Stadtverordnete Hans Robert Philippi den Bürgern Rede und Antwort.

Odszuck setzte den Schwerpunkt seines Vortrags auf die Gedanken, die man sich städtebaulich bereits am Bahnhof in großem Umfang gemacht hat – nicht ohne die Eckpunkte für die feststehende Rahmenplanung mit Hotel, Bahnhofsgebäude, Bahnhofsvorplatz, Gewerbe- und Wohnquartier sowie als Perspektive die Entwicklung der Schillergärten, kurz zu umreißen. Wichtiger aber schien es ihm, die Bedeutung des topografisch planerisch nicht einfachen Bahnhofsareals als Visitenkarte der Stadt Kronberg deutlich zu machen. Vor über hundert Jahren war der Kronberger Bahnhof der Motor der Stadt, blickte er zurück. Die Entscheidung, die Bahn bis Kronberg zu führen, habe damals letztendlich auch Kaiserin Victoria in ihrem Entschluss, sich in Kronberg niederzulassen bestärkt. Die positiven Entwicklungen, die das nach sich zog, der Schlossbau, die Burgsanierung, die Parkanlagen etc. seien hinlänglich bekannt. Jetzt bestehe die Chance, den Bahnhof zum zweiten Mal als Entwicklungsmotor für die Stadt zu nutzen: Zur Veranschaulichung, was für das Bahnhofsgebäude und den geplanten Platz davor als Bindeglied zum Hotel gestalterisch möglich ist, zeigte er gelungene Beispiele von sanierten Bahnhöfen und Plätzen, unter anderem aus den Nachbargemeinden Bad Soden und Oberusel. „Wir haben uns an dieser Stelle entschieden, den Ankömmlingen einen öffentlichen Raum mit städtebaulichem Charakter, aber auch grünem Charakter zu bieten“, erklärte Odszuck. Der öffentliche Raum solle zum Aufenthalt einladen, gleichzeitig als Scharnier zwischen dem Ortsteil Kronberg und Schönberg dienen und für attraktive Fußwegeverbindungen möglichst durchs Grüne, anstatt entlang der Straße, sorgen. „Was wir an dieser Stelle wollen, ist bewusst eine Stimmung erzeugen“, warb er für das städtebaulich große Projekt. Das soll nach dem Erhalt des historischen Lokschuppens mit dem Bahnhofsgebäude und dem neu hinzukommenden Kammermusiksaal, den die Kronberg Academy in Eigenverantwortung bauen und betreiben will, die „Kultur als Klammer über alle Funktionen“ erhalten. „Wenn man schaut, welche Büros bei dem Architekturwettbewerb mitmachen“, dürfen sich die Bürger auf gute Gestaltungsvorschläge freuen, betonte der Erste Stadtrat. Zehn Büros haben sich zur Teilnahme am Architekturwettbewerb, der von der Architekturkammer Hessen begleitet wird, angemeldet. Nach neuer Beschlusslage wird nicht nur das Hotel, sondern auch der Kammermusiksaal als Gesamtensemble für die Architekten zu gestalten sein. Ende April bereits sollen die Ergebnisse des Wettbewerbs vorliegen, sodass mit einer Entscheidung über die Vorschläge im Stadtparlament noch vor der Sommerpause gerechnet wird. Odszuck verriet im Rahmen der zeitlichen Planungen auch, dass die Stadt noch im Dezember Eigentümer des Bahnhofsgebäudes werde. Mit einer fertigen B-Plan-Aufstellung für das Hotel rechnet er vorsichtig Ende 2014 bis Anfang 2015. Bis dahin sei Zeit genug, um mit passendem Sanierungsträger für das Bahnhofsgebäude ein Konzept auszuarbeiten. „Sodass wir hoffentlich mit beiden Baustellen gleichzeitig starten können.“

Daniel Rinck von Contraco, dem, wie Claudia Gruchow darlegte, als möglichem Investor „exklusives Verhandlungsrecht“ mit der Stadt bis Mitte nächsten Jahres eingeräumt wurde, warb in seinem Podiumsbeitrag für Vertrauen in die Planungen seines Büros. Rinck erläutert, er habe das Projekt über seinen Freund und damaligen Partner Christian Kahl bereits 2010 kennengelernt und sich schon da um das Grundstück beworben. Als Kronberger habe er sich intensiv mit dem Standort und der Rahmenplanung auseinandergesetzt. „Ich würde nicht hier stehen, wenn ich nicht von dem Projekt überzeugt wäre“, sagte er und ließ nicht unerwähnt, dass man bereits einen Vorvertrag mit einem international bekannten Betreiber („Hampton by Hilton“) abgeschlossen habe. Die Veröffentlichung der möglichen Gebäudeansichten sei „zu früh passiert“, denn um die Gestaltung, die Form, die Flächenstruktur und die Fassadengestaltung habe man sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch gar nicht detailliert auseinandersetzen können.

Claudia Gruchow betonte in diesem Zusammenhang, dass die Koalition von dem Betreiberkonzept bereits überzeugt sei, „die ganz spannende Phase“ aber nun erst mit dem Architekturwettbewerb beginne. „Herr Rinck hat zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Bebauungrecht. Er muss uns erst noch von der Architektur überzeugen.“ Den Stadtverordneten werden auf deren Antrag die abgegebenen Wettbewerbsbeiträge zur Diskussion in einem maßstabsgetreuen Modell präsentiert.

In der sich anschließenden Fragerunde wurde schnell klar, welchen Punkten beim Bahnhofsareal die Bürger skeptisch gegenüber stehen, trotz grundsätzlich wohlwollender Zustimmung zu einer Neugestaltung des Bahnhofareals. „Es sind die Punkte Volumen, Wirtschaftlichkeit und Architektur“, fasste ein international agierender Hotelentwickler und Gast an diesem Morgen die Sorgen der Bürger zusammen. Thema war aber nicht nur die befürchtete möglicherweise zu geringe Auslastung des Hotels oder eine zu massive Bauweise (8.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche sind maximal zugelassen, Contraco liegt mit seiner Planung von 110 Zimmern darunter), sondern auch Bedenken zu Veränderungen hinsichtlich zunehmender Verkehrsströme. „Wir werden jetzt nach dem Beschluss ein echtes Verkehrsgutachten in Auftrag geben“, kündigte Odszuck an. Zuvor hatte er auf die Planung hingewiesen, in Kronberg Süd neue P&R-Plätze bauen, um für die Pendler ein gutes Angebot an der Peripherie mit schneller Anbindung an die Umgebung zu schaffen. Das derzeit kostenfreie Parkdeck werde neben den rund 80 Auspendlern, die in die S-Bahn umsteigen, von etwa 60 Dauerparkern und 40 bis 50 Einpendlern genutzt. Es für Dauerparker und Einpendler zu halten, sei Luxus, den die Stadt sich eigentlich nicht leisten könne. Er erinnerte daran, dass dieselben Parkplätze, noch unter Parkraumbewirtschaftung, an dieser Stelle kaum genutzt worden waren. Über eine möglichst große Tiefgarage mit über 100 Tiefgaragenplätzen (55 Stellplätze sind für Contraco Pflicht) mache man sich bereits Gedanken, so gab Rinck bereitwillig Auskunft. Weitere Gäste bei Veranstaltungen im Kammermusiksaal mit bis zu 500 Plätzen, soll das städtische Parkhaus am Berliner Platz aufnehmen. Hans Robert Philippi und Rathauschef Klaus Temmen, der aus terminlichen Gründen erst später zur Diskussionsrunde dazu stoßen konnte, betonten an dieser Stelle noch einmal, den hohen Wert, den sie in der Ansiedlung eines Hotels am Bahnhof für die Stadt sehen. Längst habe man die Unternehmen vor Ort dazu befragt und sei sich sicher, dass diese Ansiedlung für die bestehenden Unternehmen vor Ort äußerst wichtig sei, genauso wichtig aber für die Stadtentwicklung selbst, denn zentrales Thema sei, weitere Unternehmen zu finden, die sich in Kronberg ansiedeln, um der Stadt über höhere Steuereinnahmen wieder mehr Gestaltungsfreiraum zu verschaffen.



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