Die Frankfurter Historikerin Silke Wustmann las bei den Silberdisteln aus ihrem Buch.
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Kronberg (kb) – Wer Liebesgeschichten mit bestimmten Orten verbindet, der denkt sicherlich zunächst an Paris, Venedig oder Rom, aber nicht an Frankfurt. Dass auch Frankfurt über Jahrhunderte ein Ort von Liebe, Leid und Leidenschaften war, davon wollten sich die Silberdisteln ein Bild machen und hatten die bekannte Frankfurter Historikerin Silke Wustmann zu einem Lesenachmittag aus ihrem Buch „Frankfurter Liebespaare, Romantisches und Tragisches aus 1200 Jahren“ eingeladen. Was die Silberdisteln zu hören bekamen, wurde dem Titel des Buches mehr als gerecht.
Für die Lesung hatte die Autorin unterschiedliche Liebesgeschichten ausgewählt. Die erste war „Romantik pur“, auch wenn sie tragisch endete. Es war die Geschichte des Junkers Johann Adolf von Glauburg, der mit 41 Jahren als Witwer und Vater von sieben kleinen Kindern aus erster Ehe wieder auf Brautschau ging. Da er als Patrizier im lutherischen Frankfurt keine Möglichkeiten hatte, musste er sein Glück außerhalb Frankfurts suchen. Hierbei traf er auf die hübsche 17-jährige Ursula Freher aus Nürnberg und beide verliebten sich ineinander. Die herzerfrischenden Briefe, die Ursula Freher an ihren künftigen Gatten, den „hertz lieben Juncker“ schrieb, sind noch im Original erhalten und gehören zu den ältesten und bekanntesten Frankfurter Liebesbriefen. Die penible Dokumentation aller Ereignisse durch den Bräutigam zeigt uns noch heute zahlreiche Details dieser Liebesbeziehung, etwa die sich über vier Tage hinziehenden Vertragsverhandlungen über die Ehebedingungen oder auch die Marschordnung des spektakulären Hochzeitszuges vom 13. November 1598. Dieser Zug setzte sich aus jeweils 141 Herren und Damen zusammen, wobei die traditionelle Rangordnung exakt eingehalten werden musste. An der Spitze der Herren liefen der Bräutigam, sein Stiefvater und der Schwiegervater, dahinter die männlichen Gäste in absteigender Reihenfolge ihres Standes und zuletzt die Junggesellen. Dann erst kamen die Frauen zunächst mit der Gruppe der Jungfrauen, gefolgt von den weiblichen Gästen in aufsteigender Reihe ihres Standes, zum Schluss die Brautmutter und am Ende die Braut selbst.
So romantisch und glücklich wie diese Ehe begann, ging sie zunächst auch weiter. Nach der Hochzeit bezog das Ehepaar ein großzügiges Anwesen in der heutigen Junghofstraße. Während sich der Ehemann der Verwaltung seines umfangreichen Vermögens widmete, führte die Ehefrau das große Haus und erzog ihre zahlreichen Stiefkinder. Sie schenkte ihrem Mann noch fünf eigene Kinder und verstarb 1610 im Alter von 30 Jahren an den Folgen ihrer letzten Entbindung. Ein Jahr später verstarb auch ihr Ehemann.
Als eher tragische Variante einer Frankfurter Liebesgeschichte folgte die Geschichte des Dichters Clemens Brentano. Zunächst war dessen Familie entsetzt über seine Beziehung mit Sophie Mereau. Nicht nur, dass Sophie acht Jahre älter war als Clemens, sie war auch noch geschieden und alleinerziehende Mutter, was damals schon als K.-o.-Kriterium galt. Erst als ihre Schwangerschaft bekannt wurde, willigte die Familie Brentano in die Hochzeit ein. Ihr Zusammenleben mit Clemens beschrieb Sophie einer Freundin einmal als Himmel und Hölle, wobei die Hölle vorherrschend wäre. Sophie bekam drei Kinder, davon starben zwei kurz nach der Geburt, das dritte kam tot zur Welt und noch im Wochenbett verstarb auch Sophie im Alter von 36 Jahren. Brentanos zweite Ehe mit Auguste Bußmann wurde oft als Hassliebe bezeichnet. Sie war ein Auf und Ab der Gefühle und beinhaltete Skandale, Lügen, Flucht aus der Stadt, gegenseitige Beschimpfungen, massive Prügeleien und wiederholte Versöhnungen. In einem Brief an Clemens schrieb Auguste einmal „O du abscheulicher, garstiger, böser, hassenswerther, gehaßter, geliebter Clemens. Clemens, warum thust du mir solche Qual an? Ich küsse dich heute nicht, ich schlage dich, ich beiße dich, ich kratze dich, ich drücke dich tod aus Liebe wenn du kommst.“ Nachdem Auguste auch noch zwei großinszenierte Suizidversuche unternahm, ließ sich Clemens 1814 von Auguste scheiden. 1832 wählte Auguste den Freitod und ertränkte sich im Main.
Die Silberdisteln waren von dieser Lesung begeistert und stimmten dem Vorwort von Silke Wustmann zu ihrem Buch zu, dass nämlich Liebegeschichten immer in ihrer Zeit gesehen werden müssen und dass jede Liebe ihre eigene Dramaturgie hat, die sie einzigartig sein lässt.