Der Speierlingpapst wird 75

Heiko Fischer Foto: Archiv

Kronberg (mw) – Zu tun hat der „Speierlingspapst“ Heiko Fischer eigentlich immer etwas, aber wenn Erntezeit ist wie gerade jetzt, ist er rund um die Uhr mit „seinen Früchtchen“ und anderem Obst beschäftigt. Gerade ist er von der Pfarrer-Christ-Wiese nach Hause gekommen. Dort hat der Sturm, der in Kronberg große Schäden an den Bäumen angerichtet hat, auch einige Obstbäume niedergestreckt. Außerdem sind die Mirabellen aufgeplatzt und wollten schnell geerntet werden, damit sie sich noch verwerten lassen. „Daraus wollen wir ein Mirabellenwasser brennen lassen“, verrät der Vorsitzende des Kronberger Obst- und Gartenbauvereins, vielen Kronbergern durch sein langjähriges Engagement zur Erhaltung der Speierlingsbäume, aber als Unterstützer Streuobstwiesen und damit der Kronberger Kulturlandschaft, bekannt. Während viele nur darüber reden, wie wichtig die Erhaltung der Kronberger Kulturlandschaft ist, arbeitet er seit Jahrzehnten mit Tatendrang und viel Herzblut dafür, dass sie erhalten bleibt und wünscht sich, dass auch die Stadt Kronberg und die Kommunalpolitiker stärker dafür einstehen. Beispielsweise ist der Arbeitskreis Streuobstwiesen, der an die Stadt Kronberg angegliedert war, bereits vor einigen Jahren eingeschlafen, erinnert er. „Er könnte längst reaktiviert sein“, meint Fischer, der sich auch ein bisschen mehr städtische Unterstützung für die Instandhaltung der Obstwiesen wünscht.

Kommenden Samstag, den 19. August feiert Heiko Fischer seinen 75. Geburtstag. Bereits bei der Verleihung des Ehrenbriefes des Landes Hessen 2004 sagte der damalige Rathauschef Kreß in seiner Laudatio zu Fischer: „Sport und Speierling – mit dieser Kurzformel lassen sich Ihre Verdienste zusammenfassen“. Daran hat sich bis heute auch nichts geändert: Sein Interesse gilt nach wie vor dem Obst- und Gartenbau. Bis zu seinem 40. Lebensjahr war Heiko Fischer selbst aktiver Turner; vor allem aber war er über 40 Jahre lang Übungsleiter im MTV. Seit 1976 ist Fischer Mitglied des Obst- und Gartenbauvereins Kronberg und war viele Jahre Zweiter Vorsitzender. Als Nachfolger des Ehrenvorsitzenden Helmut Rapp hat Fischer seit 2000 das Amt des Vorsitzenden inne. Als geprüfter Baumwart für Obstgehölze, ausgebildet in der früheren Landesanstalt für Gartenbau in Groß-Umstadt, leitet er seit vielen Jahren die Schnittkurse des OGV Kronberg und bei vielen anderen Obst- und Gartenbauvereinen im Hoch- und im Main-Taunus-Kreis. Seit einigen Jahren kümmert sich Fischer insbesondere auch um die Speierlingsbäume in der Gemarkung Kronberg. Diese Bäume gehörten jahrhundertelang zum typischen Kronberger Landschaftsbild. Trotzdem gerieten sie mehr und mehr in Vergessenheit und wurden nicht mehr gepflegt. Das änderte sich erst, als der Speierling im Jahre 1993 zum „Baum des Jahres“ gekürt wurde. Der Experte setzt sich regional und überregional für Erhalt und Pflege der Speierlingsbäume ein, bietet Führungen an und hält Vorträge. Auf 30 bis 40 Vorträge hat er es in Hessen schon gebracht, schätzt er. In diesem Zusammenhang ist der Besuch einer rund 50-köpfigen Gruppe von Speierlingsexperten aus ganz Europa hervorzuheben, die im September 2004 zu Besuch in Kronberg war. Schon im Jahre 1999 hat die Stadt Fischers Engagement mit dem städtischen Umweltpreis gewürdigt. Ferner wurde er gemeinsam mit anderen Einzelpersonen und Vereinen mit dem Naturschutzpreis des Hochtaunuskreises ausgezeichnet. „Alle diese langjährigen Aktivitäten haben Sie aber nicht davon abgehalten, neue Projekte in Angriff zu nehmen, wie die gemeinsam mit der Regionalpark GmbH angelegten ,Erlebnis-Obstwiese’, inzwischen eine über unsere Stadt hinaus bekannte Attraktion vor allem für Kindergärten und Schulklassen, mittlerweile ergänzt durch die Pfarrer-Christ-Wiese“, freute sich schon zu Fischers 65. Geburtstags, der damalige Bürgermeister Wilhelm Kreß. Hinzugekommen ist eine dritte Wiese, die es zu hegen und zu pflegen gilt: die Jubiläums-Obstwiese, die 2009 zum 125-jährigen Jubiläum des Obst- und Gartenbauvereins eingeweiht wurde.

Und auch wenn das eben viel Tatkraft erfordert, hat Fischer für sich genau den richtigen Weg gefunden, um sein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben: Er wird nicht müde, regelmäßig Aktionen mit den Kindergärten und Schulen zu machen. Und er versteht es, bei den Kindern die Neugier für die spannenden Prozesse und Zusammenhänge in der Natur zu wecken. Welche Vögel und Tiere haben ihr Zuhause in den alten Obstbäumen? Was fliegt und kriecht da auf der Wiese? Ein Löwe? Ja, ein Ameisenlöwe. Was der kann, erfahren Kinder auf YouTube oder live vor Ort bei Heiko Fischer, der so einen Ameisenlöwen – Larven der Ameisenjungfer, die Fangtrichter zum Beutefang im Sandboden bauen kann – eigens für sie aufspürt.

Bei soviel Idealismus und Engagement für die Allgemeinheit kommen freilich auch die leiblichen Genüsse nicht zu kurz. Der Apfelwein wird bei Fischers selbstverständlich selbst gekeltert. Jährlich kommen je nach Ernte zentnerweise Speierlingsfrüchte dazu, aus denen sich Obstbrand und weitere Köstlichkeiten herstellen lassen, zusammengestellt in einem eigenen Rezeptbuch. „Davon gingen seit Erscheinen 2000 schon 1.700 Büchlein europaweit raus und es gibt das Büchlein sozusagen als Rarität nun schon in dritter Auflage.“

Wenn Heiko Fischer nicht in Sachen Speierling unterwegs ist oder sich im MTV-Fitnessstudio fit hält, könnte es sein, dass er zuhause mit seiner Frau gemeinsam kocht. „Ich komme nämlich auch nach so vielen Ehejahren – wir feierten längst schon Goldene Hochzeit – immer noch gerne nach Hause“, gesteht er freudestrahlend. Er freut sich einfach, dass ihn seine Frau bei seinen „Verrücktheiten“ immer unterstützt hat. „Und die süßen Speierlingsköstlichkeiten haben wir auch gemeinsam kreiert. Wenn wir in der Küche gemeinsam kochen, ist es nur wichtig, vorher abzustimmen, wer der Zuarbeiter und wer der Chef ist“, erzählt er schnunzelnd.

Bei allem gemeinsamen Glück wiegt der plötzliche Tod seines älteren Sohnes Frank Fischer, der vor eineinhalb Jahren, an einem Herzinfarkt starb, schwer. „Das habe ich bis heute noch nicht verkraftet“, sagt er leise. Gerade war dessen Frau aus Mexiko mit seinem 20-jährigen Enkelsohn aus Mexiko zu Besuch, ebenso die Kinder seines jüngeren Sohnes Lars. „Es war ein richtig schönes Familientrefffen.“ Seinen Geburtstag will er nun nur im kleinsten Familienkreis feiern.

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