„(S)Türmisches“

Es ist noch gar nicht so lange her, da saßen sich verliebte Pärchen händchenhaltend in ihrem Lieblingslokal gegenüber und hatten sich sehr viel zu erzählen. Sollte mal eine Gesprächspause aufkommen, dann wurde die gern dazu genutzt, den anderen in einer Mischung aus Spott und Mitleid auf das altgediente Ehepaar hinzuweisen, das sich am Nachbartisch schon den ganzen Abend lang angeschwiegen hatte. Gesprochen wurde bei denen nur mit dem Kellner, und das auch nur dann, wenn etwas bestellt werden musste. Danach herrschte wieder Ruhe, und das junge Pärchen versprach sich gegenseitig, ganz bestimmt niemals so bedauernswert sprachlos zu enden. Das hat sich geändert, seitdem die elektronische Kommunikation uns alle im Griff hat. Heutzutage kann man mehr und mehr junge Paare beobachten, die wahrscheinlich immer noch bis über beide Ohren ineinander verliebt sind, dies aber offenbar vorzugsweise ihren Handys mitteilen. Jedenfalls sieht es so aus, wenn jeder für sich auf das Ding eintippt, während die verbale Kommunikation Pause hat. Wahrscheinlich schicken sie ja per Whats App leidenschaftliche Bekenntnisse an ihr Gegenüber, vielleicht aber auch nur ein Foto ihrer Mahlzeit an einen ihrer tausend Facebook Freunde. Wer weiß das schon, aber sogar am Strand kann man manchmal Zeitgenossen beobachten, die zwar in der heißen Sonne schwitzend im Sand sitzen, sich aber anscheinend trotzdem von einer App den Wetterbericht durchgeben lassen. Aber weil ja bekanntlich alles zwei Seiten hat, entdeckt man dafür inzwischen wieder ältere Ehepaare, die sich analog miteinander verständigen, weil sie die neue Technik wohl noch nicht so richtig verinnerlicht haben. Oder einfach nur deshalb, weil die, die sich tatsächlich immer noch gern miteinander unterhalten, plötzlich viel mehr auffallen. Da muss man sich nicht wundern, dass sogar der Bundestag auch dann oft so kärglich besetzt ist, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Die kann man schließlich auch twittern, immerhin sieht man sogar die Kanzlerin ständig auf ihr Handy einhacken. Vielleicht sollte man einfach mal in den Schulen das Fach „Verbale Kommunikation“ einführen, dann gäbe es möglicherweise in Zukunft auch nicht mehr so viele Missverständnisse zwischen den Regierungen: Das zwischen der EU und der Türkei zum Beispiel. Da wurde ja anscheinend ein gegenseitiges Übereinkommen zugunsten der vielen Flüchtlinge von der einen Seite so verstanden, dass die Türken demnächst mehrere Milliarden nebst Visafreiheit bekommen würden, während die andere Seite immer noch ganz fest daran glaubt, dass dies an bestimmte Konditionen gebunden sei. Oder diffuse Prophezeiungen, die ein Journalist aus „sicherer Quelle“ über den wahrscheinlich nächsten SPD Kanzlerkandidaten erhalten haben will. Nur er allein wusste davon, wahrscheinlich hatte es ihm die Quelle zugetwittert, ohne allerdings zu ahnen, dass er damit gleich an die Öffentlichkeit gehen würde.

Ein sonniges Wochenende mit vielen analogen Gesprächen wünscht Ihnen deshalb heute



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