Trauer um die Stadtbaumeisterin und Malerin „Lilo“ Wolf

Lilo Wolf, die langjährige Stadtbaumeisterin und Künstlerin ist gestorben.

Foto: Westenberger/Archiv

Kronberg (mw) – Die langjährige Stadtbaumeisterin Liselotte Wolf ist am 25. Oktober im hohen Alter von 101 Jahren gestorben. 29 Jahre lang sorgte sie als Stadtbaumeisterin dafür, dass die Kronberger Altstadt ihren unverwechselbaren Zauber und ihren Reiz behielt. Die Architektin Lieselotte Wolf, die vom 1. September 1948 bis zum 31. März 1977 das städtische Hochbauamt leitete, bis 1958 gleichzeitig auch noch das Tiefbauamt, war die erste Frau in einer so verantwortungsvollen Position im Rathaus. Dass sie aber nicht nur Sinn für Stadtentwicklung und Architektur hatte, das stellte sie nach ihrer Pensionierung unter Beweis. 1988 begann sie zu malen, präsentierte ihre Gemälde in viel beachteten und hoch gelobten Ausstellungen in der Receptur, im Hellhof, in der Galerie Eichenstraße, im Altkönig-Stift und im Museum Kronberger Malerkolonie. „Ihr Name ist untrennbar mit der städtebaulichen Entwicklung der Stadt Kronberg verbunden“, hob Bürgermeister Klaus Temmen in seinem Geburtstagsbrief zum 100. Geburtstag letztes Jahr die Verdienste der Jubilarin hervor. „Insbesondere ist es Ihnen zu verdanken, dass die Kernstadt in ihrem unverwechselbaren Charakter erhalten geblieben ist. Die Altstadt und die für unsere Stadt prägenden Grünanlagen lagen Ihnen dabei immer besonders am Herzen. Als Stadtbaumeisterin haben Sie sich große Verdienste um die Stadt Kronberg erworben.“ Dafür war ihr 1995 die Ehrenplakette der Stadt Kronberg verliehen worden.

Zu den wichtigen Projekten, die während ihrer Amtszeit entstanden, gehörten das Feuerwehrgerätehaus an der Heinrich-Winter-Straße, die Seniorenwohnanlage Ernst-Winterberg-Haus, der neue Friedhof Thalerfeld sowie die Wohngebiete Eichenheide, Roter Hang, Freiherr-vom-Stein-Straße einschließlich einer neuen Kindertagesstätte und die Schmiedeberger Straße.

Als Architektin brauchte sie für ihre Arbeit einen sicheren Strich, um ihre Ideen umsetzen und deutlich machen zu können. Von Computer gesteuerten Programmen, mit denen Architekten heutzutage arbeiten, wagte damals noch niemand zu träumen. Architekturzeichnungen waren reine Handarbeit. Dieser sichere Strich und ihr geschultes Auge für Proportionen und das Wesentliche kamen ihr bei ihrer zweiten Karriere zugute, mit der sie 1988 begann – der Malerei.

„Obwohl der Tradition verpflichtet, ist Lilo Wolfs Malerei in ihrer Innerlichkeit und feinfühligen Durchgeistigkeit etwas ganz Eigenständiges“, so schrieb ein Kritiker über eine Ausstellung in der Receptur anlässlich ihres 85. Geburtstags. „Einfühlsam gelingt es ihr, den Wesenskern des Dargestellten zu erfassen. Es sind keine rasch hingeworfenen Studien, sondern ausgereifte, in äußerster Konzentration durchgestaltete Bildnisse, die etwas von der Möglichkeit auf der Suche nach Wahrheit erahnen lassen. Das Einfache, Unscheinbare, wird durch ihre künstlerische Formulierung zum Besonderen, zum Wertvollen.“

Nicht nur Stadtansichten, Landschaften und Naturstudien hielt sie im Bild fest. Auch Tiere reizten sie immer wieder zu eindrucksvollen Darstellungen. Dabei kam es Lilo Wolf auf die Verbindung zwischen Mensch und Tier an, eine Verbindung, die so alt ist wie die Menschheit, gehören doch die Höhlenmalereien der Frühsteinzeitmenschen zu den ersten Kunstwerken überhaupt. Viele ihrer Tiermodelle fand sie im Opel-Zoo. Beispielsweise die Elefantendame Wanki, die zu ihren Lieblingen gehörte. Aber auch Erdmännchen, Truthahn, Zebra, Streifengnu, Giraffe, Mesopotamischer Damhirsch, Strohhalsibis und die dekorativen Papageien malte sie mit sicherem Strich, der stets das Charakteristische traf und hervorhob. Ihre Bilder waren nie redselig, eher knapp und karg, drückten immer reine, starke Empfindungen aus. Sie beherrschte die Kunst des Weglassens und viele ihrer Bilder fanden bei den Ausstellungen begeisterte Käufer.

Ihre Verbundenheit mit dem Opel-Zoo und seinen Bewohnern brachte sie auf ganz besondere Weise zum Ausdruck. Sie schenkte die Tierbilder, die sie 2007 im Restaurant „Lodge“ des Opel-Zoos ausstellte, kurzerhand dem Zoo. Mit dem Verkaufserlös, so bestimmte sie damals, sollte den Tieren im Zoo und der Natur Gutes getan werden. Auch mit 100 Jahren hatte „Lilo“ noch zu den agilen Bewohnern im Seniorenwohnstift Kronthal gezählt, auch wenn die Augen für die Malerei nicht mehr mitmachten. Auch wenn sie mit den Altersmühen mitunter haderterte, ihren ganz besonderen Humor hatte sie bis ins hohe Alter beibehalten. „Gegen das Leben kann man nichts tun“, erzählte sie bei einem Besuch am 100. Geburtstag. „Wenn ich beim lieben Gott vorbei komme, dann werde ich ihm ausrichten, er möge über die Menschen eine Portion Glück von oben herunterrieseln lassen, damit es bei allen ankommt, so wie es bei mir angekommen ist.“



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