Der Traum vom Schreiben – Traumtörtchen in der Bücherstube

Das sind die echten Traumtörtchen, gebacken von Nadja Hanussek, die für die Heldin des Romans Patin stand (rechts im Bild). Links die Autorin Claudia Siedenbiedel mit Buchhändler Dirk Sackis. Foto: Diel

Kronberg (ks) – Es ist immer toll, Menschen zu treffen, die ihren Traum leben. Und Claudia Siedenbiedel gehört dazu. Das jedenfalls wurde allen Besuchern am vergangenen Donnerstagabend im Hinterhof des Dingeldein- Hauses klar. Vor einer stimmungsvollen Kulisse aus ehemaligem Schweinestall und Scheune las Claudia Siedenbiedel im Rahmen einer Veranstaltung der Kronberger Bücherstube aus ihrem im März dieses Jahres erschienenen Buches „Traumtörtchen“ vor. Ein gemütliches Ambiente mit echten Traumtörtchen, Technik und Getränken hatte Buchhändler Dirk Sackis für die Zuhörer geschaffen und der Innenhof war voll, allerdings fast ausschließlich voll von literaturinteressierten Damen. Träume und Torten, das sind die Schlagworte für das, was kommen sollte. Claudia Siedenbiedel erzählt in ihrem unter dem Namen Julia Simon erschienenen Roman die Geschichte einer jungen Frau namens Nina, einer angesehene Unternehmensberaterin, die eigentlich ein perfektes Leben führt. Aber sie ist auf der Suche nach ihrem Lebenstraum, nämlich der Eröffnung einer Patisserie. Auf diesem Weg darf der Leser dabei sein. Die Heldin des Buches stammt aus einer Konditorenfamilie und hat das Backen eigentlich von der Pike auf gelernt. Dennoch hat sie zunächst studiert und den Beruf der Unternehmensberaterin gewählt. Sie ist liiert mit Sören, der gleichzeitig ihr Chef ist. Ein weiterer Mann, Matthias, kommt später ins Spiel und so entstehen zwei Spannungsfelder, die die Autorin unterhaltsam und anhand geschickt ausgewählter Textstellen vorlas. Eine junge Frau, die sich mitten in ihrer Karriere mit dem befasst, was ihr wirklich wichtig ist und diese Karriere für ein ganz anderes Leben aufgibt.

Und Nina gibt es in Wirklichkeit. Die Rede ist von Nadja Hanussek, die genau diesen Weg gegangen ist und die Siedenbiedel als ihr „fachliches Vorbild und erste Leserin des Buches“ bezeichnet. Sie habe auch an die entsprechenden Textstellen des Romans, in denen es ums Backen ging, nicht gezögert, an den Textrand Bemerkungen wie „...hier würde ich die Butter schmelzen lassen“ hinzuschreiben. Und Lokalkolorit gibt es in dem Roman ebenfalls, spielt er doch in „Kronstein“, ein kleiner Ort im Taunus, die zwei Orte, die hier Pate standen, wohl leicht zu erraten sind. Nadja Hanussek hat sich mit der Kronberger Patisserie Marmelina einen Namen gemacht und wer deren Internetseite besucht, weiß gleich zu Beginn, was der Traum von Nadja Hanussek bedeutet: „Handgemachtes mit Herzblut“, so heißt es dort in großen Lettern.

Die erste Szene, die Siedenbiedel zum Besten gab, spielt im Schlosshotel Kronberg, das eindrucksvoll authentisch beschrieben wird. Nina und ihr Partner Sören unterhalten sich über die Pläne Ninas, es ist ein Versöhnungsgespräch, das den Leser gleich in die Problematik des Karriereausstiegs einführt. Als literarisches Gegenstück hierzu folgt eine Szene, in der die weitere männliche Hauptfigur, der Zahnarzt Matthias, vorgestellt wird. Er sammelt gerne Gegenstände vom Sperrmüll und verwendet sie weiter. Auch er lebt damit einen Traum, der mit Karriere nicht viel zu tun hat und bildet den Gegensatz zu dem Partner Ninas. Eine weitere Kostprobe aus dem Roman spielt in der Stadthalle Kronberg, in der Nina erstmalig ihre selbst gemachten Naschereien präsentiert. Kritisch setzt sich Siedenbiedel mit der Schickeria Kronbergs auseinander und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie spöttisch und mit einer gehörigen Ironie von „Charity-Frauen, die nicht wissen, wo sie herkommen und sich nur über ihre Männer definieren“ oder von toupierten Haaren und nicht alternden Frauen in Chanel-Kostümen erzählt. Die Hauptdarstellerin des Romans stellt angesichts dieser Klientel ihren Entschluss zwar immer wieder in Frage, ihr ist aber auch bewusst, dass sie mit diesen Menschen auskommen muss, um beruflich erfolgreich zu werden. Auch wenn so herrlich eine Szene beschrieben wird, in der die Kronsteinerinnen sich über die Zutaten und Farben der Torten unterhalten: Es wird klar, dass jeder Traum auch an der Realität gemessen werden muss. Zutaten aus biologischem Anbau, das ist der Trend der Zeit, Aldi und Co. sind nicht in der Essensphilosophie der Kronsteinerinnen vorgesehen und das teilen sie Nina auch schonungslos mit.

Ob Nina sich erfolgreich in der Schickeria durchsetzen wird und für welchen Mann sie sich am Ende entscheiden wird, erfuhren die Gäste natürlich nicht. Auf die Frage aus dem begeisterten Publikum, ob es eine Fortsetzung des Romans geben werde, verriet sie, dass sie bereits zwei Plots geschrieben habe. Die Härte im Business mit Büchern wurde deutlich, als sie sagte, der Verlag warte zunächst bis Ende Juni die Verkaufszahlen der Traumtörtchen ab. Dann erst wird entschieden, ob und mit welchem Plot es weitergehen würde. Bei der einen Idee würde es eine direkte Fortsetzung geben, bei der anderen eine andere Geschichte, die aber auch im Taunus spielt. „Ich würde aber auf jeden Fall die authentischen Orte genauer beschreiben, das ist gut fürs Marketing“, so Siedenbiedel. Fluffig und süß, aber auch kritisch und provokant, das macht den Roman aus mit diesem Eindruck durfte das Publikum jedenfalls nach Hause gehen. Eine Lesung, die Laune und Appetit machte, nicht nur auf das Buch, sondern auch aufs Backen, aufs Träumen...



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