Was ist tugendhafter – Wahrheit oder Lüge?

„die hannemanns“ kokettierten mit der „die Wahrheit“. In dieser Anfangszene genießen Alice (Samantha Wynn) und Michel (Jochen Mittag), die im wirklichen Leben ein Ehepaar sind, noch ihre Affäre – doch das Glück der beiden bekommt schon erste Kratzer.

Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Das Thema ist für eine Boulevardkomödie nicht wirklich ungewöhnlich, und wird immer wieder gerne aufgegriffen: die Untreue in der Partnerschaft. Beliebt dabei auch und durchaus im realen Leben zu finden: der Betrug unter Paaren, die sich schon lange kennen und beste Freunde sind. Anders als man es schlechthin in Komödien kennt, ist allerdings der Umgang des Autors des Stücks, Florian Zeller, der schon mehrere hochgelobte Theaterstücke verfasst hat, kann mit diesem altbekannten Thema. In „die Wahrheit“, dargeboten am Wochenende in der Stadthalle von der Kronberger Theatergruppe „die hannemanns“, wird die Wahrheit als moralisch höchstes Gut infrage gestellt. In paradoxem Wechsel wird sie als moralisch richtig, dann wieder die Lüge als die respektvollere Variante präsentiert. Dann nämlich, wenn der Partner, mit dem man „eigentlich“ glücklich ist, von der Wahrheit nur erschlagen und enttäuscht würde und man sich nur zur Wahrheit entschließt, um sein eigenes Gewissen zu erleichtern. Florian Zeller hat seiner Komödie denn auch folgende Zeilen Voltaires vorangestellt: „Die Lüge ist eine Tugend, wenn sie es erlaubt, das Leiden zu vermeiden. Lügen Sie, meine Damen...Seien Sie tugendhaft... Ich werde Ihnen bei Gelegenheit Gleiches mit Gleichem vergelten.“

Die Brillanz des Stückes ist der Schlagabtausch, den das Darsteller-Quartett bestehend aus Dr. Jochen Mittag und Carmen Töpfer als Terése und Michel sowie Samantha Wynn und Enrico Freudenberg als Alice und Paul in sieben Szenen textsicher und ausdrucksstark umzusetzen weiß.

Dabei darf natürlich gelacht werden, über Michel, der sich ganz klar fürs Lügen ausspricht und am Ende völlig verunsichert ist, weil er der von den drei anderen komplett hinters Licht geführte zu sein scheint. Aber auch über sich aufschaukelnden Lügen, bei denen letzen Endes klar ist, dass sie ein „erfahrener“ Ehemann oder eine „liebende Ehefrau“ längst durchschaut haben muss. Aber über alledem bleibt die Frage bestehen, ist es nun respektvoller eine Affäre totzuschweigen oder sie zu beichten. Hier geht es nicht um tiefschürfende Philosophie, wohl aber um ein pointenreiches Stück, das die Vier von den „hannemanns“ mit Bravour zu meistern wissen. Allen voran zollt das Publikum Michel die ungeteilte Aufmerksamkeit, was an seiner tragenden Charakterrolle liegen mag. Aus dem von sich selbst überzeugten Mann wird ein gänzlich verunsicherter Ehemann, dem es allerdings auch an dieser Stelle nicht gelingt, ein Stück weit sein eigenes egoistisches Verhalten kritisch zu überdenken.

Doch allen vier Schauspielern ist am Premierenabend die Spielfreude anzumerken und sie überzeugen in ihren Rollen als befreundete Paare und Eheleute. Und deshalb soll an dieser Stelle gar nicht mehr zu den satirischen Dialogen verraten werden: Die Hobbytheatergruppe zeigt ihre neue Komödie Samstag, 27. Mai um 20 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Idstein-Eschenhahn, Sonntag, 11. Juni um 16 Uhr im Augustinum in Bad Soden-Neuenhain sowie Samstag, 17. Juni noch einmal in Kronberg und zwar in der Taunus-Tanzschule. Regie und Produktleitung führen Lore und David Wynn, als künstlerische Beratung und Dialog-Regie fungiert Lilo Ehret-Bachmann. Sonstige Mitwirkende sind Christine Bandy als Souffleuse, Lore und David Wynn, auch zuständig für die Bühnenausstattung, Patrick Oberdörfer für Ton und Licht sowie Astrid Terbeck für die Maske. Ihnen allen zollten die Besucher am Samstagabend zur Premiere lang anhaltenden Applaus.

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