Viel Komik und Action – um eine Telefonzelle und eine blaue Tonne

Diese Metallrohre im Prinzengarten haben sich ineinander verliebt. Bedlam Oz aus Australien spielten ihre „Slinkie Love“ im Prinzengarten der Burg. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – „Wir sind gespannt, wie das erste Da Capo unter neuer Leitung die Menschen begeistert.“ Mit diesen Worten begrüßte Bürgermeister Klaus Temmen die Gäste zum Da Capo auf der Burg. Die waren zumindest am Samstagabend im Vergleich zum Da Capo 2011 auf der Burg (2013 war es sprichwörtlich in den Regen gefallen) recht spärlich vertreten, allerdings war damals der Eintritt zu dem Kleinkunst-Programm auch noch frei, entsprechend der Überzeugung, dass Straßenkunst eigentlich für alle Bürger erreichbar sein sollte.

„Wir haben am Samstagabend 250 bis 260 am Sonntag 420 Eintrittskarten verkauft“, berichtet Jutta Dieing nach ihrem „Einstand“, dennoch zufrieden mit dem ersten „Da Capo“ unter ihrer Leitung als neuer Geschäftsführerin des Kronberger Kulturkreises. „Es waren sehr viele Familien mit Kindern auf der Burg“, freut sie sich. Entspannt sei sie ab dem Moment gewesen, ab dem bei der Wettervorhersage „Null-Prozent-Regenwahrscheinlichkeit“ stand. Allerdings räumte sie Handlungsbedarf in punkto „besserer Vermarktung“ des Kleinkunst-Festivals ein. Denn einigen Kronbergern, sicher aber auch auswärtigen Kulturbegeisterten war negativ aufgefallen, dass die Kronberger Kulturkreisseite zur Zeit nicht zur Verfügung steht, über die sie die Kulturliebhaber üblicherweise verlässlich über das Kulturkreisprogramm informieren konnten. Auch das Straßenbanner war nicht gehängt worden. Es soll aber nächstes Jahr, mit entsprechend neuem Logo zum Da Capo in der Altstadt wieder auf das Großereignis hinweisen, verspricht Dieing.

Die Programmpunkte selbst – zum Großteil noch von der Vorgängerin Dieings, Dorothée Arden zusammengestellt – setzte auf bekannte Gesichter mit neuen Inszenierungen aber auch auf neue Künstler – Akrobatik, Musik und Situationskomik gab es in guter Mischung, auch wenn man sich auf der Außenbühne noch einen größeren und beeindruckenderen Hauptact hätte vorstellen können. Die Ballenstedter „Speed Freakz“ hatten die Ehre, mit ihrer halsbrecherischen und kräftezehrenden Breakdance-Show das Festival auf der Außenbühne zu eröffnen und brachten sogleich die Gäste bei heißen Beats und grandioser Körperbeherrschung zum Mitklatschen. Kurz danach verzauberten die Australier Bedlam Oz mit ihrer Produktion „Slinkie Love“ die Herzen der Zuschauer. Vor bezauberndem Panorama im Prinzengarten spielten sie eine Liebesgeschichte der außergewöhnlichen Art: Bei ihnen sind es bewegliche Metallröhren, die zum Leben erwachen und die sich zitternd, robbend, in schwindelnde Höhe über sich hinauswachsend, aneinander annähern. Ebenfalls von Liebe, allerdings eher der bitteren Sorte, erzählt Albert Völkl, der in Kronberg schon ein Altbekannter mit seinem Puppentheater ist und Geschichten nicht nur für die Kleinsten bietet. Albert Völkl vermeintlich alte Märchen und Volksweisen kommen sprachlich unverblümt daher und allesamt längst ins moderne Zeitalter übersetzt. Während es in „Blaubart und Selinde“ am Samstagabend sprichwörtlich derb zuging, lockten kulinarische Leckerbissen, serviert von Achim Weigand, mit einem passenden Gläschen Wein, kredenzt von den Burgverein-Aktiven zwischen den Darbietungen in den Burginnenhof. Dort sorgte auch die von Jutta Diieng engagierte Marching Band BrassAppeal mit vielen bekannten – jedoch ungewohnt und witzig arrangierten – Melodien für super Stimmung und viele Lacher, als die Drummerin der vier Profi-Musikerinnen aus Berlin ihren Beat mal eben auf Tisch und Weinglas mitten im Publikum weitertrommelte.

Die beiden komischsten Acts an diesem wunderbar klaren, aber äußerst frischen Abend waren jedoch mit Abstand die „tonn Actions“ und Ivan Chary von der Compagnie Du Petit Monsieur, der aus Frankreich mit seiner Telefonzelle angereist war, die er schließlich ihren Platz unter den großen Zedern mit Blick in die Rhein-Main-Ebene fand. Doch für diesen herrlichen Weitblick sollte Letzterer an diesem Abend keine Muße finden und sein Publikum auch nicht, denn das war damit beschäftigt seine Bauchmuskeln zu trainieren: Ivan Chary ist ein Meister der Slapstick, allein sein äußerst überzeugendes Minenspiel ist so komisch, dass die Zuschauer vom ersten Moment seiner Show herrlich befreiend lachen mussten. Es sollte fast eine halbe Stunde vergehen, bis es dem kleinen Monsieur mit Unterstützung kleiner Helferinnen und Helfer aus dem Publikum und unzähligen akrobatischen Einlagen, die ganz einfach anmuten – endlich gelingt, in das Innere der Telefonzelle zu gelangen, um zu telefonieren.

Ebenfalls vom Publikum sofort geliebt wurden Clara Groeger und Christine Thevissen mit ihrer Produktion „tonnAction“. Hierin geht es um den Kampf um das eigene Dach über dem Kopf, das es mit Haut und Haaren zu verteidigen gilt. Keiner im Publikum rechnet damit, dass das zuhause – eine kleine blaue Tonne – am Ende beiden Herberge sein wird. Kopfüber landet die eine Akrobatin in der Tonne und kommt sogleich mit dem Kopf zuerst wieder heraus. Wie das gehen kann, vor allem aber wie sie beide zusammen in die Tonne passen, demonstrierten sie den überraschten Besuchern nach ihrer Tonnen-Akrobatik gerne. Viel zu erkennen von ihnen war im nächtlichen Scheinwerferlicht in der Tonne trotzdem nicht: „Zuerst kommen ihre Beine, dann meine, dann folgt ihr Oberkörper, dann meiner“, verriet die andere. Wie das gehen soll, konnte sich auch danach keiner der überraschten Zuschauer des liebevoll inszenierten Stücks so richtig vorstellen. Wer Sonntag den Burgberg erklomm, kam in den Genuss einer weiteren Nummer, und zwar der des „kleinen Clowns“ Franz Custers aus den Niederlanden. „Die Straßenkunst“, wie Jutta Dieing sie auch gerne nennt, wird bleiben, verspricht die Geschäftsführerin. Auch wenn sie selbst ihre Wurzeln in der Musik hat, will sie aus dem Straßentheater keinesfalls eine Klassik-Veranstaltung machen. „Mir ist wohl bewusst, dass die Klassik in Kronberg bereits stark besetzt ist“, sagt sie. Das Da Capo als feste Kronberger Institution solle auf jeden Fall fortgeführt werden. „Natürlich wird es nächstes Jahr meine persönliche Handschrift tragen und ich habe vor, diesen Bereich noch stärker auszubauen“, kündigt sie an. Sie sei bereits bei ihrem beruflichen Einstieg in Regensburg mit der Kleinkunst aber auch dem Kabarett vertraut gemacht geworden. „Und bei meiner beruflichen Tätigkeit in Bad Kissingen habe ich ebenfalls Straßenkunst in Parks und in die Altstadt gebracht.“



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