Vorträge zum Lutherjahr auf der Burg: Teil 1 Von der Leistung zum Glauben

Kronberg (war) – Dieses Jahr wird an den weltbekannten deutschen Lutherstätten wie Wittenberg, Worms, Marburg, Coburg und die Wartburg der Veröffentlichung der 95 Thesen des Reformators vor 500 Jahren mit vielfältigen Veranstaltungen gedacht. Aber auch Kronberg hat mit Hartmut XII. – dem „Bekenner“ – einen bedeutenden und sehr frühen Anhänger der damals neuen Lehre vorzuweisen. Immerhin stand Luther mit dem Kronberger zweitweise in direktem Kontakt. Aus diesem Grund hat der Burgverein den Fokus seiner diesjährigen Vortragsreihe auf Luther und die Reformation sowie Hartmut XII. gerichtet.

Für den ersten, vor Kurzem auf der Burg stattgefundenen Vortrag konnte Prof. Gilberto Da Silva von der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel engagiert werden. Ein Forschungsschwerpunkt Da Silvas, der in Oberursel den Lehrstuhl für Historische Theologie innehat, betrifft die Geschichte der Reformation. Der Titel seines Vortrags lautet: „Reformation: Kontinuität und Umbruch“. Eingangs betonte der Referent, dass das Reformationsgeschehen zu Beginn des 16. Jahrhunderts keineswegs isoliert zu betrachten ist, sondern vielmehr im historischen Kontext, gemäß dem Motto: Die Geschichte macht keine Sprünge. Da Silva dazu: „Bereits vor Luther bestand der Wunsch, die vielfach verkrusteten Strukturen in der katholischen Kirche aufzubrechen und somit zu reformieren.“ Erwähnt seien hier zuvorderst der englische Theologe John Wycliff (um1330-1384, 1415 posthum auf dem Konzil zu Konstanz zum Ketzer erklärt) und Jan Hus (um 1372- 1415 als Häretiker während des Konstanzer Konzils verbrannt) aus Böhmen, welche beide insbesondere die Hierarchien in der Kirche sowie deren Missstände kritisierten und für eine stärkere Rückbesinnung auf die Bibel plädierten. Vor allem wurde die zunehmende Verweltlichung der Kirche durch die sukzessive Verflechtung von Politik und Religion angeprangert. Diesbezüglich sei nur an die Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon auf Betreiben des französischen Königs Philipp IV., genannt „der Schöne“, erinnert, um die Kirche besser kontrollieren zu können. Aber auch das weitverbreitete Pfründenwesen und der nicht nur von Luther skandalisierte Ablasshandel förderte die Monetarisierung der Kirche. Eine wichtige – eventuell sogar die zentrale Veränderung in den Mentalitäten – war letztlich die Transformation weg von den Leistungen hin zum Glauben aufgrund der Reformation. In der Theologie des Mittelalters wurde der Mensch bis dato durch seine Werke beurteilt, da damals die Ansicht bestand, je mehr der Mensch in dieser Richtung leiste, desto eher werde er von Gott als gerecht angesehen, um so dessen Wohlwollen für das ewige Heil zu erlangen. „Heute würde man in dieser Hinsicht wohl von ‚Creditpoints‘ sprechen“, so Da Silvas Ansicht. Diese theologische Grundannahme mündete schließlich in einer regelrechten Inflation von Leistungsmöglichkeiten und -angeboten. Da Silva weiter: „Der durch Luther angeregte Paradigmenwechsel lautet hingegen, dass Gott keineswegs gerecht ist, weil er vom Menschen Gerechtigkeit in Form von Leistungen erwartet, sondern dass Gott gerecht ist, weil er in Jesus Christus durch das Evangelium dem Menschen seine Gerechtigkeit schenkt, und zwar ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen, weil er gnädig ist.“ Außerdem gilt für Luther der Grundsatz, dass der einzelne Mensch ohne Vermittlung der Kirche direkt vor Gott steht: „sola gratia, sola fide, solus Christus, sola scriptura“ – das heißt allein Gnade, Glaube, Christus und Heilige Schrift sind relevant. Für Da Silva bedeutet das: „Luther spricht hier vom Priestertum aller Getauften. Dadurch rückte die Reformation die Kirchengemeinde vor Ort zum Zentrum des kirchlichen Geschehens und führte zu einem Umbruch der bisher gewohnten Struktur. Jetzt gab es keine menschliche Institution mehr, die einem Christen eine Leistung abverlangen konnte, indem sie ihm diktierte, was er für sein Heil zu tun habe.“

Andererseits nutzten viele deutsche Fürsten wiederum die Reformation sogleich recht eigennützig dazu, um sich vom Reich, dem der Kaiser vorstand, und der bisherigen katholischen Kirche zu emanzipieren, um so ihre eigene Machtbasis auszubauen. Hier ist insbesondere Landgraf Philipp der Großmütige zu nennen, der von 1522 bis 1541 Kronberg nach einer Auseinandersetzung mit Hartmut XII von Kronberg besetzt hielt. Streng juristisch hätte er Kronberg als Reichslehen ohne kaiserliche Rücksprache gar nicht besetzen dürfen.

Der nächste Vortrag über die Reformation ist am 27. Juni zum Thema „Luther und Europa: Wege der Reformation und der fürstliche Reformator Philipp von Hessen“. Begleitend dazu wird vom 20. Juni bis 16. Juli die Wanderausstellung „Luther und Europa“ – erweitert um einige Kronberger Aspekte – auf der Burg zu sehen sein. Danach folgen am 25. Juli die Vorträge „Hartmut von Cronberg: „Frühreformatorischer Flugschriftenautor und Bundesgenosse Franz von Sickingens“ sowie am 29. August: „Hartmut XII von Cronberg: Glaubensheroe oder Adeliger?“. Beginn der kostenfreien Veranstaltungen ist jeweils um 19.30 im Wappensaal der Mittelburg.



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