Die Weichen für Kammermusiksaal und Hotel am Bahnhof sind gestellt

Viele Bürger waren zur Sondersitzung ins Rathaus gekommen, um die Abstimmung über den Bebauungsplan „Bahnhofsquartier Baufeld II“ als Satzung mitzuverfolgen.

Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Mit breiter Mehrheit haben die Stadtverordneten in einer Sondersitzung des Stadtparlamentes den Bebauungsplan „Bahnhofsquartier Baufeld II“ als Satzung beschlossen und damit die Weichen für die Weiterentwicklung und Umsetzung des Projektes mit den beiden Investoren, der Contraco GmbH für das Hotel und der Kronberg Academy für den Kammermusiksaal sowie das Studien- und Verwaltungszentrum, gestellt. Der B-Plan als Satzung und die Beschlussvorschläge aus den eingegangenen Anregungen wurden mit einer breiten Mehrheit beschlossen. Bei namentlicher Abstimmung votierten 21 Stadtverordnete mit „Ja“, sieben Stadtverordnete (KfB und Grüne), stimmten mit „Nein“ und die beiden FDP-Stadtverordneten enthielten sich ihrer Stimme.

Im Rathaussaal, dessen Empore und Treppe bis zum letzten Stehplatz, wie nur selten, mit Bürgern von „Pro“ bis „Contra“ Hotel am Bahnhof besetzt waren, die die wichtige Entscheidung über die zukünftige Gestaltung von Kronbergs Bahnhofsentrée live mitverfolgen wollten, ließen der Erste Stadtrat Jürgen Odszuck (parteilos) als auch die Stadtverordneten noch einmal die Entwicklungen auf dem Bahnhofsareal aus ihrer Sicht Revue passieren. Es sollte ein breites und überzeugendes Plädoyer für ihre Entscheidung werden, Kronberg am Bahnhof ein neues Gesicht mit Kammermusiskaal und Hotel zu geben: Jürgen Odszuck wiederholte eingangs die wesentlichen Änderungen und Ergänzungen des Bebauungsplanentwurfs (wir berichteten), bezüglich des Immissionsschutzes, des Artenschutzes, der Vorprüfungen auf Umweltverträglichkeit sowie Anpassungen des städtebaulichen Vertrags, der den Stadtverordneten in überarbeiteter Fassung ebenfalls vorliegt.

Odszuck und später die CDU-Stadtverordnete und Architektin Claudia Gruchow erinnerten an den internationalen Architekturwettbewerb in 2014 für das geplante Ensemble am Bahnhof, bei der eine Reihe ganz großer Architekturbüros sowie ambitionierte junge Büros mitgewirkt hatten. „Der Architekturwettbewerb wurde damals von einer Fachjury zu Ende gebracht, in der auch wir Stadtverordneten vertreten waren“, betonte sie. Vorgaben über mögliche Traufhöhen des Hotels habe es damals übrigens von keiner politischen Seite gegeben, dafür nach 15-stündiger gemeinsamer Diskussion ein einstimmiges Votum für den Entwurf von Staab Architekten aus Berlin, „einem der renommiertesten Büros in Deutschland“, wie sie anmerkte. Staab Architekten habe sich der topografisch als auch mit drei Gebäuden unterschiedlicher Funktion ausgesprochen komplexen Aufgabe mit Bravour gestellt. „Sein Entwurf ist das richtige Konzept für diesen Ort“, so Gruchow. Odszuck nannte den Entwurf „eine grandiose Antwort auf den Rahmenplan“. Gruchow bat, nun den Fachleuten gegenüber Vertrauen aufzubringen. Volker Staab sei nicht nur sehr erfolgreich, sondern stehe auch für einen behutsamen Umgang mit der Umgebung, arbeite gekonnt mit ortstypischen Materialien und er sei ein Architekt, der bis zum Ende für die Fortführung seiner Idee einstehe, also keiner der Architekten, für den nur der Entwurf zähle. Insgesamt traten fünf CDU-Stadtverordnete ans Rednerpult, so auch Prof. Helfried Moosbrugger, der für den Kammermusiksaal warb: „Kronberg braucht den Kammermusiksaal, weil sie die Welthauptstadt des Cellos ist“, formulierte der Förderer der Kronberg Academy und bemerkte ganz nebenbei, dass die Finanzierung des Academy-Projekts inzwischen zu 100 Prozent stehen würde, die Stadt Kronberg finanziell an dem Projekt nicht beteiligt ist, doch als Stadt damit ein Geschenk erhalte, das ihr Renommee steigern werde. „Heute wird ein Jahrhundertprojekt angestoßen“, freute er sich. Mehrere CDU-Redner, so auch Michael Dahmen, verwiesen darauf, dass die Entscheidung mit gutem Gewissen vor der Kommunalwahl gefällt würde, da die über 74 Prozent der Wähler 2012 ihnen genau dafür bereits ihre Stimme gegeben hätten. Nur KfB und Grüne hätten sich von Beginn an gegen das Projekt am Bahnhof ausgesprochen. „Und der Wille des Bürgers ist nicht der Wille der Kronberger Bürger“, betonte Dahmen. Schon gar nicht, wenn die Unterschriften der Perspektiven-Gruppe, die mit „Bettenturm“ etc. gegen das Projekt Unterschriften gesammelt hatten, mit Falschaussagen werbe und eine Vielzahl von Unterschriften von Bürgern, die gar nicht in Kronberg wohnten, stammten.

Max-Werner Kahl (CDU) richtete bei seinem Wortbeitrag die Aufmerksamkeit auf die Biodiversität „als wichtigen Garant für Lebensqualität“. Um den Stadtverordneten und Bürgern zu demonstrieren, dass es auch die CDU den Umweltaspekten wie dem Artenschutz bei dem Großprojekt am Bahnhof Respekt zolle, brachte er den Grünen einen selbst gefertigten Stieglitz, auch Distelfink genannt, mit und forderte die Grünen auf, beim Bahnhofsquartier mit ihnen an einem Strang zu ziehen, statt bei ihrem kategorischen Nein zu bleiben. Es gäbe noch viel zu planen, die Dachbegrünung, zusätzliche Grünstreifen etc. „Gestalten sie doch bitte mit!“ Doch Udo Keil von den Grünen untermauerte die Ablehnung dem Projekt gegenüber, das er von allen Seiten zu kritisieren wusste. Er sprach von den über 100 Bäumen, die wohl für manche Wildwuchs wären, für die Grünen jedoch mehr als das, von dem Mammutbaum und der Esskastanie von 1692, die der Bebauung zum Opfer fallen werde, von einem „Hotelgiganten“, und von den Befürchtungen der Grünen, dass dieser zur „20-Meter-hohen-Investitionsrunie“ werden könne. Dabei ließ er sich nicht von Odszucks Ergänzung, dass die Esskastanie sich im Sterbeprozesse befinde und man keine Städteplanung um einen sterbenden Baum herum mache, irritieren. Der Baum biete gerade als alter Baum ein wichtiges Habitat für eine Vielzahl von Tieren, sagte er.

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, mit diesen Worten begann der FDP-Fraktionsvorsitzende Volker Stumm seine Rede. Missfallen findet die FPD an dem Hotel, das sie nach wie vor „verschlankt“ sehen möchte. „Alle Kreativität konzentrierte sich offensichtlich auf den leicht und pfiffig daherkommenden Kammermusiksaal – dem Hotel blieb nur das Schicksal einer Pflichtübung“, so kritisierte Stumm.. „Da wir jedoch kein negatives Signal gegen das Gesamt-Projekt setzen möchten, haben wir uns nach nächtelangen Diskussionen – insbesondere, um das beispielhafte Engagement der Academy und ihres Gründers Raimund Trenkler zu würdigen –, entschieden, den Antrag nicht abzulehnen.“ Man erwarte nach wie vor ein Entgegenkommen und die Hoteldimensionierung betreffend eine Nachbesserung nach der Kommunalwahl.

„Wir sind froh, dass wir der Realisierung des Projekts Bahnhofsquartier jetzt ein großes Stück näher kommen“, verkündete der SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph König. „Es gibt für dieses Projekt eine demokratisch legitimierte Mehrheit.“ Man sei vor fünf Jahren mit dem Vorhaben in die Wahl gegangen, habe nun fünf Jahre gründlich an diesem Vorhaben gearbeitet. Nun sei es Zeit, für das Projekt, das eine starke politische Rückendeckung benötige, Farbe zu bekennen. Die Dimensionen des Kammermusiksaal als kulturelles Aushängeschild für Kronberg könnte noch gar nicht ganz erfasst werden, und das Hotel böte eine Chance, Kronberg auch touristisch weiter zu entwickeln. „Den Kammermusiksaal wird es ohne Hotel aber nicht geben“, bemerkte er. Reinhard Bardtke, CDU-Stadtverbandschef und CDU-Stadtverordneter stellte unmissverständlich klar: „Hier geht es um die Entwicklung von Kronberg, nicht um nachbarschaftliche Interessen oder das Grün vor der eigenen Haustür.“

„Wir unterstützen das Projekt“, verkündete denn auch der UBG-Fraktionsvorsitzende Oliver Schneider. Seit Jahren habe dafür bereits breiter Konsens unter den Stadtverordneten bestanden. „Doch um so näher die Wahl rückte, um so mehr Ablehnung habe es plötzlich gegeben und verschiedene Zahlen die Hotelhöhe betreffend. Danach verteilte er im Wahlkampfgetöse-Modus „Blumen“ an die FDP, „die sich nie entscheiden könnte“ und an die Grünen, die sich aufgrund ihrer „naturnahen Ausrichtung“ nun einmal nicht für das Projekt aussprechen könnten und an die KfB: Sie bezeichnete die KfB als „Stadtneurotiker“, und „größte Retterin der Unterdrückten“, die immer auf den Plan komme, „um dagegen zu sein“ und auch vor „Diffamierung und Verleumdung“ nicht zurückschrecke. Nach seiner Aufforderung, „diesem Schauspiel der Klientelpolitik ein Ende zu setzen“, gab es unverhohlene Zustimmung einer breiten Mehrheit aus dem Stadtparlament.

An der breiten Mehrheit des Bebauungsplans „Bahnhofsquartier Baufeld II“ als Satzung konnte denn auch die KfB und ihre Fraktionsvorsitzende Dr. Heide-Margaret Esen-Baur nichts mehr ändern, die zuvor noch ihre Überzeugung äußerte, wonach das geplante Projekt mit Hotel und Kammermusiksaal ein „Jahrhunderprojekt ist, das nicht zu Kronberg passt“. Für die KfB wäre „die höchste Form der Demokratie, dieses Jahrhundertprojekt gemeinsam mit den Bürgern zu entscheiden“, sagte sie. Die KfB sei nicht gegen eine Bebauung auf dem geschriebenen Baufeld, aber „gegen die hier entwickelte“.

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