Zsuzsa Bank beim Lesefestival: „Ich häkle mich von Masche zu Masche“

Die zierliche Schriftstellerin zog das Publikum mit ihrem großen Ernst und mit leiser sanfter Stimme in ihren Bann. Foto: Sura

Kronberg (aks) – Zsuzsa Bank war am Dienstagabend prominenter Gast des Lesefestivals Kronberg, einer Kooperation der Kronberger Bücherstube, des Kronberger Kulturkreises, den Kronberger Lichtspielen und der Stadtbücherei. Die preisgekrönte Frankfurter Schriftstellerin ungarischer Herkunft las in der voll besetzten Stadtbücherei aus ihrem neusten Werk „Schlafen werden wir später“.

Die zierliche Schriftstellerin zieht das Publikum mit ihrem großen Ernst und mit leiser sanfter Stimme in ihren Bann. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt dem Buch in ihrer Hand. Man spürt ihre Behutsamkeit und die Zärtlichkeit, die sie für ihre Protagonistinnen, Marta und Johanna, moderne Frauen um die 40, empfindet, die sich fast täglich schreiben – E-Mails, mit Datum und Uhrzeit. Diese Frauen-Porträts sind lebendig und eindringlich dank der Schreibkunst Zsuzsa Banks auf hohem emotionalen Niveau. Es gibt keine Tabus im Schriftverkehr der beiden Freundinnen, die sich in Freude und Leid innig verbunden sind. „Die winzigen Dinge, die wir dem Leben abringen“ – das ist die Basis ihres gemeinsamen Glücks. Das Schreiben bietet einen Schutzraum, „eine Kapsel“, in der alles erlaubt ist, ohne Angst vor Verurteilung. Es darf geweint und gelacht werden.

Sie schreiben sich über drei Jahre lang ihre Ängste, ihre Sorgen, ihre Glücksmomente und ihre Wünsche von der Seele. Diese verwundeten, zaghaften, aber auch mutigen Seelen finden im innigen Dialog zueinander, alles können sie sich anvertrauen. Zwei junge moderne Frauen „im Koordinatensystem des Alltags“ stellen sich die großen Fragen und stellen dabei ihre eigenen Lebensziele immer wieder in Frage. Sie kämpfen mutig für ihre großen und kleinen Freiheiten. Schmerzlich machen sie sich ihr Lebensalter bewusst – die Hälfte des Lebens ist bereits vergangen. Der melancholische Grundton verbindet beide, die doch ganz unterschiedliche Leben führen: Marta ist Schriftstellerin und wohnt mit ihrem Mann Simon und drei Kindern in Frankfurt in der Körberstraße, Johanna hat keine Kinder, wurde gerade von ihrer großen Liebe verlassen und hat eine Krebserkrankung besiegt. Sie schreibt an ihrer Dissertation über Annette von Droste-Hülshoff im Schwarzwald – im „schwarzen Wald“. Johanna beschreibt sich als „vogelfrei, hochgeschwebt und niedergefallen“. „Ich habe keine Kinder, ich bin das Ende einer Kette. Es gibt nur meine Linie, die nirgendwo hinführt“.

Marta hält die Kinderlosigkeit der besten Freundin für eine kluge Entscheidung. Sie selbst habe ständig Angst um die Kinder. „Das muss man aushalten können!“ Es gäbe schließlich Unfälle, Diebstähle und seltene Viruskrankheiten, „aber das sagt einem vorher keiner“. „Jetzt sitz ich da mit meinen Ängsten!“. Sie hadert mit ihrem Traum von einer Familie, an den sie immer weniger glaubt: „Den gibst du besser auf.“ Auch der Urlaub am Ammersee „ohne Körberstraßengrau...mit meinen blassen und hustenden Kindern“ hilft nicht gegen das Gift und die bittere Galle, die sich in ihre Liebesbeziehung eingeschlichen haben. Statt gut gemeinter gegenseitiger Ratschläge ist da die Ehrlichkeit, mit der diese schonungslose Selbsteinsicht betrieben wird, die diese beiden Seelenverwandten stärkt statt zu schwächen. Das gibt Trost und Hoffnung. Wer Zsuzsa Bank kennt, weiß, dass sie nie einen Rosengarten verspricht - und eben auch kein Happy-End. Das Ende bleibt offen und eine Lösung gibt es nicht. Die Autorin hat diesen Roman in Echtzeit geschrieben. Drei Jahre lang begleitete sie fiktiv ihre Heldinnen und erzählt auf 700 Seiten von deren inneren Dialogen – ohne Tabus. Auf die Frage, wie viel davon denn autobiografisch sei, antwortet Bank mit leichter Ironie, dass sie mit ihrem Leben keine 700 Seiten füllen könnte, wohl aber Kleinigkeiten aus ihrer Erinnerung einfließen lässt, etwa wie die ungarische, in Stanniolpapier gewickelte Schokolade schmeckte. Ihre Romane seien nicht konstruiert. „Am Anfang weiß ich gar nichts“, gibt sie zu. Die Geschichte entwickle sich beim Schreiben: „Ich bin eher der Häkeltyp: Ich häkle mich von Masche zu Masche“. Eine Fortsetzung der beiden Frauenschicksale werde es wohl nicht geben, auch wenn die Verführung manchmal groß ist, die Geschichte weiterzuspinnen: „Ich weiß, wann es zu Ende erzählt ist.“ Nach ihrer Lesung in der Stadtbücherei signierte Zsuzsa Bank fleißig Bücher.



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