40 Jahre Fassenacht – Martina Hölzle-Endres im Erzählcafé

Martina Hölzle-Endres mit 40 ihrer 400 Karnevalsorden und ihrem Maskottchen, dem Teddy-Narr.

Foto: Diel

Kronberg (die) – Lange vor Beginn der vom Verein Heckstadt organisierten Veranstaltung kürzlich im Gemeindezentrum St. Vitus in Oberhöchstadt saßen die zahlreichen Gäste bereits gemütlich bei Kreppel und Kaffee beisammen und freuten sich auf Martina Hölzle-Endres. Dann folgte eine Faschingsveranstaltung der ganz besonderen Art. Karneval unplugged! Martina Hölzle-Endres berichtete über vierzig Jahre karnevalistischer Erfahrung als Büttenrednerin. Angefangen hatte alles eigentlich schon an ihrer Taufe in der Faschingszeit, als auf dem Weg zur Kirche die Hupe des Wagens aufgrund eines Kurzschlusses auf dem ganzen Weg deutlich zu vernehmen war. Da dachten die Passanten, ein Faschingsumzug würde stattfinden! Mit drei Jahren brüllte Klein-Martina dann „Helau“ aus dem Fenster, allerdings nicht zu Fasching, sondern zum Fronleichnamsumzug. „Mir liegt der Fasching wohl in den Genen“, beschreibt sie ihre Passion.

Als dann anlässlich der Silbernen Hochzeit ihrer Eltern keiner der drei älteren Schwestern eine eigens gedichtete Hommage vortragen wollte, fiel die Wahl auf die damals zehnjährige Martina. Die konnte das auf Anhieb und galt von da an als Wunderkind für die Bütt. So dauerte es auch nicht lange, bis zahlreiche Faschingsvereine auf sie aufmerksam wurden. Und es begann eine Zeit, aus der Martina eine lustige Anekdote nach der anderen erzählen konnte. „Ich habe so ziemlich alle Sachen beim Fasching gemacht,“ so Martina, „...vom Pagen beim Karnevalspräsidenten über Sängerin, Tänzerin der Garde und Trainerin des Männerballetts“ – alle Facetten hat Martina erlebt, bis sie ein Superstar in der Bütt wurde. Und lustig sein kann sie, denn allein die Erzählungen über das „Lustigsein“ brachten die Zuhörer andauernd zum Lachen. „Ich bin als Büttenrednerin in eine absolute Männerdomäne eingebrochen“, berichtet Martina vom Beginn ihrer Karriere in den siebziger Jahren, als das Reden Männer- und das Tanzen Frauensache war – jedenfalls karnevalistisch gesehen.

Eine Büttenrede mit gebrochenem Steißbein, eine vergessene Hose, für die der Sohn seine eigene ausziehen und der Mutter hinter der Bühne ausleihen musste – ein Techniker, der während laufender Büttenrede unter den Rock von Martina alias einer besoffenen Weinkönigin kriechen musste, um die Batterien des Mikrofons, das in ihrer Unterhose untergebracht war, auswechseln zu können – die Anekdoten waren unbeschreiblich komisch. Zum Beispiel auch noch die, wo Martina Hölzle-Endres 1999 bei einer Damensitzung einen Auftritt hatte. Die Vereine meinten zu dieser Zeit, männliche Stripper seien gut für den Frauenfasching. Sie sei in eine vollkommen stille Faschingsveranstaltung geraten, es hätten zwei Notarztwagen vor der Tür gestanden. Kurz vor Ende der Stripperdarbietung, also nur noch im Slip, sei einer der Jungs ausgerutscht, über den Tisch in der ersten Reihe gesegelt und sodann gestürzt. Zum Piepen sei der Anblick des gestählten, geölten, fast nackten „Traumkörpers“ gewesen, der am Tropf mit einer Infusionsflasche hing. „Die Jammermiene werde ich nicht vergessen“, schmunzelt die Erzählerin. Die Besucherinnen der Sitzung waren den Tränen nahe gewesen, weil der „süße goldische Kerl“ vom Tisch gefallen sei. Witzig auch die Schilderung ihres Castings beim Hessischen Rundfunk. Sie habe in einem kahlen Raum gesprochen, sie im Zuschauerbereich, die Jury auf der Bühne, direkt vertauscht und ohne eine einzige Luftschlange. Einen Tusch habe es auch nicht gegeben. Das Härteste aber war, dass keiner der Juroren wirklich gelacht habe – nur ein einziges Mal. Eine Jury, die Büttenreden für Fasching auswählt – und nicht einmal selbst lacht – das muss man sich mal vorstellen! Allerdings wurde sie von 300 Bewerbern für das Fernsehen ausgewählt. Viele prominente Künstler sind ihr seitdem begegnet, sie erzählt, die Wildecker Herzbuben seien so nett, Wencke Myhre könne wirklich kaum Deutsch und Nik P. (Ein Stern, der deinen Namen trägt...), habe immer furchtbares Lampenfieber vor einer Sendung. Vier bis fünf Auftritte habe sie an einem Abend oft absolviert, teilweise in verschiedenen Bundesländern mit verschiedenen Faschingsrufen: „Helau“ hierzulande und in Mainz, „Hehopp“ etwa in Schwetzingen und „Ahoi“ in Mannheim. Nicht, dass man da was durcheinander bringen dürfte! Aber auch Nachdenkliches gab Martina den Zuhörern mit auf den Weg. Durch das Smartphone hätte sich die karnevalistische Kultur sehr gewandelt. Der Saal sei durch die Displays blau illuminiert, man blicke nur auf gebeugte Nacken und selbst Bürgermeister und Stadtverordnete würden mittlerweile wie viele andere gar nicht mehr zuhören. Oder man erzähle sich eigene Witze am Tisch. „Da weiß ich gar nicht, warum die mir überhaupt noch applaudieren,“ beklagt sich Hölzle-Endres. Nicht jeder Auftritt mache mehr Spaß, heutzutage sei das Publikum gesättigt, man wolle keine platten Witze, sondern komödiantische Höchstleistungen. „Die Leute hören nicht mehr auf die Botschaft zwischen den Zeilen!“ , so Hölzle-Endres. Eine Botschaft, die trotz der Bombenstimmung, die sie nach Oberhöchstadt gezaubert hatte, nachdenklich stimmt. Wer übrigens die volle Bandbreite der Erlebnisse von Martina Hölzle-Endres erfahren möchte, der sollte seine Augen offen halten. Martina schreibt nämlich gerade an einem Buch über ihr Leben als Büttenrednerin. Übrigens: Am Rosenmontag nehmen sich die Rasselböck dieses Jahr einmal eine Auszeit.



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