Bachs Goldberg-Variationen in ungewohnter Durchsichtigkeit

Marco Rizzi, Violine, Diemut Poppen, Viola, und Manuel Fischer-Dieskau, Violoncello, spielten Samstagabend im Altkönig-Stift Johann Sebastian Bachs Goldberg Variationen in einer Transkription für Streichtrio von Dmitri Sitkovetski.

Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – Wenn drei gestandene Musikerpersönlichkeiten, alle drei Professoren ihres Instruments an unterschiedlichen deutschen und zusätzlich auch spanischen Hochschulen, sich als Streichtrio Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen vornehmen, verspricht das nicht nur musikalischen Hochgenuss, sondern auch ein völlig neues Erleben dieses großartigen, ursprünglich für zweimanualiges Cembalo komponierten Werks. Was für einen Pianisten, der die von Bach selbst schlicht als „Clavier-Übung“ betitelten Variationen auf einem modernen Flügel spielt, eine enorme Herausforderung ist, muss er doch auf nur einem Manual die ohnehin schon hoch komplizierten und schwierigen Läufe bewältigen, erlauben sie es den drei Streichern, jeden Ton dieses einzigartigen Werks zu würdigen und auszukosten.

Dem Geiger Marco Rizzi, der Bratschistin Diemut Poppen und dem Cellisten Manuel Fischer-Dieskau, die am Samstagabend im Festsaal des Altkönig-Stifts die Goldberg -Variationen spielten, gelang eine bis in den letzten Ton durchsichtige Interpretation, die den Zuhörerinnen und Zuhörern einen völlig neuen Blick auf das Werk erlaubte. Die Transkription des Cembalo-Werks für Streichtrio stammt von dem 1954 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans geborenen russischen Violinist und Dirigent Dmitri Sitkovetski.

Er habe sich gefreut, sich als Cellist mit diesem Werk Johann Sebastian Bachs auseinandersetzen zu dürfen, meinte Manuel Fischer-Dieskau, der in dem dritten Konzert dieser Saison in der Reihe „Klassik in Kronberg“ als Moderator in die Variationen einführte. Laut Bach-Biograf Johann Nikolaus Forkel soll der in russischen Diensten stehende deutsch-baltische Diplomat und Förderer Johann Sebastian Bachs Hermann Carl Graf von Keyserlingk das Werk in Auftrag gegeben haben. Er wünschte sich ein paar Stücke, “die so sanften und etwas muntern Charakters wären”, dass sie ihm die Zeit in schlaflosen Nächten auf angenehme Weise vertreiben könnten. Spielen sollte sie für ihn sein Hauscembalist Johann Gottlieb Goldberg, so Bach-Biograf Forkel. Ob die Variationen jedoch tatsächlich nach ihm benannt sind, wird von einigen Musikwissenschaftlern bezweifelt, war der Bach-Schüler damals doch gerade einmal 13 Jahre alt.

Statt der munteren Stücke schrieb Bach einen monumentalen Variationszyklus in 30 Teilen, der bis heute Musikliebhaber entzückt. Der Lohn, den der Komponist dafür erhielt, war königlich – und der höchste, den er jemals für eine seiner Kompositionen erhielt: Ein goldener Becher, angefüllt mit hundert Louisd‘or. „Und als er diesen vor sich auf dem Tisch ausleerte, lag vor ihm ein Goldberg – vielleicht stammt der Name seiner Variationen auch daher“, merkte Fischer-Dieskau schmunzelnd an.

Kenner der auf dem Klavier, beispielsweise von Glenn Gould, eingespielten Goldberg- Variationen mussten sich erst an die so anderen Töne und Klangfarben von Violine, Viola und Violoncello gewöhnen. Dann aber erlebten sie Bachmusik in höchster Vollendung – auch wenn der große Meister sie auf diese Art selbst wohl nie zu hören bekam. Ein ungewöhnlicher Konzertabend, der in Erinnerung bleiben wird.



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