Super-Girls und Büttenreden ließen Fichtegickelshausen beben

Die Jugend von heute sind die Fastnachter von morgen. Schwungvoll und ideenreich präsentierte sich die kleine Garde des Traditions-Karnevalvereins 1902 Oberhöchstadt und zählte damit zu einem der Höhepunkte in einem kurzweiligen vierstündigen Programm. Klasse statt Masse und lieber etwas kürzer – so hat die Fastnacht dauerhaft eine Zukunft. Foto: Puck

Fichtegickelshausen (pu) – „Das Jahr ist jung, die Kasse voll, das finden wir besonders toll“, ließ der seit 15 Jahren amtierende Sitzungspräsident des Karnevalvereins 1902 Oberhöchstadt (KV02), Orlando Kieser, nach der „freiwilligen Rathaus-Schlüsselübergabe“ durch Stadtrat Prof. Dr. Jörg Mehlhorn keinerlei Zweifel an den Absichten der Narrenschar aufkommen, aller haushalterischen engen Spielräume zum Trotz bis Aschermittwoch die Regentschaft über die Stadt übernehmen zu wollen. Elferrat statt Magistrat, Tanz, Musik, Show sowie nützliche Tipps im Umgang mit Grill und pubertierenden Jugendlichen statt Bebauungsplänen und Haushaltskonsolidierung – Narren an die Macht!

Ihr Regierungsprogramm stellten die Karnevalisten am letzten Wochenende in der buntfröhlichen Narhalla Haus Altkönig vor und skizzierten erste Handlungsschwerpunkte. Wie Protokoller Hans-Georg Kaufmann in seinem Notizbuch festgehalten hatte, gibt es offenbar Nachbesserungsbedarf in punkto der öffentlichen Toiletten am Dalles. „So richtig öffentlich sind die nicht!“

Erst hätten die städtischen Tollitäten den Betreiber des gastronomischen Betriebs im Dalleshaus höflich daran erinnern müssen, dass die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss, doch „immer montags hat die Gastronomie Ruhetag, drum sollten alle im Ort wissen, montags wird daheim geschissen!“ Der „teuerste Bischof aller Zeiten“ Tebartz-van Eltz, der ADAC sowie die Steuerhinterzieher Alice Schwarzer und Uli Hoeness bekamen ebenfalls ihr Fett weg. Als Abschreckungsmaßnahme empfahl Kaufmann „Schwarzer und Hoeness in eine Zelle, das wäre für Uli Hoeness wohl die Höchststrafe“. Natürlich fehlte der aus dem Ruder gelaufene „Abischerz“ der Altkönigschüler „Auf unsere zukünftige Elite in diesem Bau, ein dreifach donnerndes Au, Au, Au“ in der „Pleiten, Pech und Pannen-Statistik“ ebenso wenig wie Diätenerhöhung der „Selbstbedienungstheke“ Bundestag.

Ein Hochgenuss waren auch die weiteren Büttenvorträge. Thomas Siebenhaar vom CluGeHu Weißkirchen knüpfte mit seinen Erlebnissen als „Griller“ nahtlos an die großen Erfolge der Vorjahre an. „Als wir noch in Höhlen hausten und uns gegenseitig lausten, da war der Mann noch ein echter Mann“, kam er schelmisch grinsend unverzüglich auf den Punkt. In den nächsten Minuten glühte nicht nur sein imaginärer Grill, sondern zusätzlich die Zwerchfellmuskulatur des aus dem Gickeln und Gröhlen nicht mehr herauskommenden Publikums. „Wollte man sich damals paaren, packte Mann Frau an den Haaren, da gings per Schleifspur in die Höhle und es gab weder Kopfweh noch Genöhle“, gab er zum Besten.

Mittlerweile stünde Mann jedoch selbst in der letzten Bastion „Grillen“ vor einer Flut von schwerwiegenden Entscheidungen, müsse wählen zwischen Würstchen mit und ohne Fleisch, Schnapswurst mit integriertem Willi, Würstchen für die Zeit vom Fasten, dann ist halt kei Worscht drin im Kasten, Pferde mit und ohne Zügel, Worscht vom Wildschwein oder Reh oder von Rindern, die von Hand massiert und dabei noch darauf achten, ob das „Fleisch auch mitten in einer Vollmondnacht mit einem von zwei Jungfrauen geführten Pferdewagen transportiert wurde“. Derart ge- und überfordert ist die Katastrophe vorprogrammiert: Zur Rettung von Familie Siebenhaars brennendem Garten rückt von Nato über DRK bis zu Greenpeace alles an, was Rang und Namen hat, doch schließlich bleibt nur die Erkenntnis: „Den Garten stellen wir künftig als Truppenübungsplatz und Dschungelcamp zur Verfügung und wenns uns nach einer Worscht gelüstet, gehen wir zur Imbiss- bude.“

Nicht minder unterhaltsam die Schilderungen eines Vaters zweier pubertierender Jugendlicher. „Das ist die Zeit, wenn Eltern komisch werden“, nahm Thomas Popitz vom Bommersheimer Karnevalsverein zunächst die bemitleidenswerten Heranwachsenden vermeintlich in Schutz, um kurz darauf sehr anschaulich den Alltag zwischen Eltern und Nachwuchs zu beschreiben. „Ohne Smartphone, Facebook, Twitter, ist die Welt der Jugend bitter, und ginge es nach ihrem Willen, würden sie 24 Stunden chillen.“ Göttlich seine Berichterstattung über seinen Großputz-Einsatz im Sprößlings-Zimmer. Ausgerüstet mit Anglerhose, Kärcher und Atemschutzmaske knietief in schmutzigen T-Shirts, Hosen und Socken, stehend, „finde ich in Hosentaschen Kondome und auch leere Flaschen.“

Lebenstipps von „Dr. Sommer“ lasen Generationen von Jugendlichen bundesweit heimlich unter ihren Bettdecken, die während ihres langen Ehelebens als Rüdigers Frau gesammelten Weisheiten Daniela Materns sind auch nicht ohne. Als sie während eines Restaurantbesuchs einen Mann erblickt, der an einem Tisch sitzend einen Whiskey nach dem anderen kippt, fragt ihr Mann sie: „Kennst du diesen Mann?“ Dies bejaht sie mit dem ergänzenden Hinweis, es handele sich um ihren Ex-Ehemann, den sie vor 26 Jahren verlassen habe und seitdem trinke er. Daraufhin er: „Erstaunlich, dass jemand so lange feiern kann…“. Die Retourkutsche kommt, als sich Rüdiger im Verlauf eines Streits zu der Aussage hinreißen lässt: „Ich war ja ein ganz schöner Trottel, als ich dich geheiratet habe.“ Daraufhin säuselt seine Frau: „Das stimmt so nicht, schön warst du nie!“

Erfahrene Kenner der Szene sagen Nachwuchstalent Steffen Reiter eine große Karriere als Fastnachter voraus. Seinen Worten zufolge kämpft er noch mit den Nach- und Nebenwirkungen seines neuen Promi-Status.Kaum tritt er morgens die Haustüre hinaus, erwarten ihn hysterische Menschenmassen auf der Straße, erreicht er auf Schleichwegen nassgeschwitzt die Schule unversehrt und öffnet leise die Tür, fängt die ganze Klasse an zu kreischen: „Helau, Helau, unser Steffen, der ist da.“ Genervt von der ganzen Chose, geht anschließend natürlich die Klassenarbeit in die Hose. Nichtsdestotrotz hat er seine Schlagfertigkeit nicht verloren, behauptete er frech, das Durchschnittalter der Dalles-Dream-Boys gleich mal „um ein halbes Jahrhundert gesenkt“ zu haben.

Diese Äußerung erwies sich wenig später natürlich als reine provokante Neckerei des „Greenhorns“. Unter Führung von Häuptling „Gickelnde Fichte“ striffen die „Apatschen“-Männerballetteusen tempo- und ideenreich durch den „Wilden Westen“, warfen nach blitzgeschwindem Kostümwechsel als Can Can Girls die roten Röcke und die Beine hoch und brachten damit den Saal ebenso zum Kochen wie die Gardemädels mit ihren „Pflichtprogrammen“ und den Schautänzen. So wirbelte die Kleine Garde als „Super-Girls“ über die Bühne, die Mittlere Garde feierte eine „Elfen-Party“ und die Große Garde reiste tanzend durch die Vereinigten Staaten von Amerika.

Ohne Zugabe durfte keine der Gruppen die Bühne verlassen, das galt selbstverständlich gleichermaßen für das KV02-Aushängeschild Lisa Hoffmann, die als Tanzmariechen und „Traum in Gelb“ eine mit Höchstschwierigkeiten gespickte Darbietung zeigte.

Trainer, Betreuer, die Zuständigen für die Kostüme sowie Aktive haben wie gewohnt vorbildliche Arbeit geleistet und wurden daher zurecht mit großem Applaus belohnt.

Für ordentlich Stimmung in der Bude sorgte außerdem die Musik- und Showband des Fanfarencorps Königstein 1966, die allein schon mit ihren Pelzmützen die Blicke magisch anzogen und mit ihren schmissigen Klängen faszinierten.



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