Waschechte Fassenacht – Rasselböck halten die alten Traditionen hoch

Als Double von Andreas Gabalier rockte Kevin Wagner aus Mainz in Krachledernenden den Saal. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Wer am Montagabend bei der Kneipenfassenacht der Rasselböck, dem Oberhöchstädter Verein für Dialekt- und Brauchtumspflege noch einen Platz ergattert hatte, der hatte seine Trauer über den nicht stattfindenden Oberhöchstädter Fastnachtsumzug schnell vergessen. Denn der Abend hielt nicht nur einen Höhepunkt bereit. Die Rasselböck, die nach der Schließung des Nassauer Hofs in Oberhöchstadt bei der Cronberger Schützengesellschaft ein Dach über dem Kopf gefunden haben, warteten mit vielen angesagten Fastnachtern aus der Mainzer Fassenacht auf, unterstützt von ihrer Hauskapelle, der „Sound Collection“. „Es ist eine bodenständige Fassenacht geblieben, wie früher“, freute sich der erste Vorsitzende der Rasselböck, Michael Endres, ohne Bühne, die Fassenachter ganz dicht am Publikum. „Die Schützen haben uns ein Dach gegeben, wir sorgen dafür, dass Geld in ihre Vereinskasse kommt und die Feuerwehr hat die Tische und Bänke gestellt.“ Vor allem aber über das Publikum freute er sich, das genauso munter weiterfeierte, wie vor zwei Jahren noch beim „Sachs“. Dass das Publikum bereits um 21 Uhr im holzvertäfelten Saal der Schützen tobte, lag aber zweifelsohne auch an dem kurzweiligen Programm, das mit guten Reden mit Nah- und Fernblick, witzigen Sketchen, herrlichen Comedy- und Showeinlagen, einfach alles bot, was einen gelungenen Fassenachtsabend ausmacht. Die „Äppelkrätscher“ der Rasselböck erlaubten sich einen herzhaft erfrischenden Rückblick von Kronberg, den Otto Sehr erarbeitet hatte: Dank der Sperrung der Frankfurter Straße habe der Einzelhandel Ruhe gehabt, freuten sie sich. Das sei auf jeden Fall eine gelungene Art und Weise gewesen, „Verkehrsberuhigung zu mache“. Ganz abgesehen von der tollen neuen engen Straße, auf deren breiten Bürgersteig die Rollatorfahrer sich Rennen liefern könnten, lobten sie. Im Opel-Zoo war die Terrasse mit 60 Leuten abgerutscht („das machte die sonst nie“). Nur sei noch ungeklärt, ob sie morsch war oder die Leute zu schwer. „Hartnäckig hält sich das Gerücht, den Landrat Banzer hätt‘ es auch erwischt.“ Von der Post aus Oberhöchstadt wussten sie zu berichten: „Der Betreiber kommt net klar und der ist mehr weg als da!“

Auch Dirk Markgraf und Hildegard Jäger hatten bei ihrem Sketch von einem Zahnarztbesuch die Lacher auf ihrer Seite. Doch so richtig zu kochen begann es im Saal mit dem Auftritt von Bernd Bruch aus Zeilsheim als Security-Da-ame. Ja, als Frau trat er auf und im Kost-a-ümchen, und mit diesem Sprachfehler, der bereits nach wenigen Minuten das Zwerchfell der Zuhörer gehörig strapazierte. Herrlich komisch anzusehen waren ebenfalls die Tanzeinlagen dieser Security-Dame, als Bauchtänzerin und Musical-Star, schließlich war sie in ihrem Job weit herumgekommen. Selbst die A-Promis durfte sie begleiten und berichtete zur Freude der Zuhörer von ihren Erfahrungen mit Helene Fischer, die überall ihre CD mit Weihnachtsliedern einlegte, was kaum auszuhalten gewesen sei: „Stellen Sie sich vor, das singt die im knallengen roten Kleidchen ,Maria durch den Dornwald ging‘. Am Ende der mit Tanzeinlagen gespickten Show gab es Standing Ovations für Bernd Bruch, einem „echten Fassenachter alter Schule“, wie Endres verriet.

Nach einem weiteren Sketch, dieses Mal von Otto Sehr und Birgit Herda umgesetzt, über das richtige Alter ihrer Tochter, um ein trägerloses Kleid zu tragen, rockte der 19-jährige Kevin Wagner aus Mainz den Saal, der in Krachledernen als Double des österreichischen Show-Stars Andreas Gabalier auftrat, mit wunderbar sonorer Stimmer, live gesungen, versteht sich. Nach seinem Auftritt kam die Tanzpause gerade recht. Danach überzeugte Dirk Markgraf als frisch heimgekehrter Matrose und Ursula Seel als dessen Mutter, die nicht glauben kann, was für einen Bären er sich von seiner Frau hat aufbinden lassen. Die hatte während seiner Abwesenheit einen Sohn geboren, so schwarz wie die Nacht und ihm erklärt, die dunkle Hautfarbe habe er von der schwarzen Amme, die ihn gestillt habe, angenommen. „Und Dich habe ich nach der Geburt an den Euter einer Kuh angelegt“, nimmt sie ihn ob seiner Dummheit hoch. „Und weißt Du, was Du deshalb geworden bist, das größte Rindvieh der Welt!“

Vor vielen Jahren schon hatte Michael Endres Frau Martina ihn, damals noch blutjung, beim hr kennengelernt, die Freundschaft hat bis heute gehalten: Der heute 31-jährige Thorsten Schweinhardt, der beim hr als Journalist arbeitet, ließ es sich nicht nehmen, die Rasselböck-Gäste mit einem geschliffen scharfen Protokoll zu unterhalten, dem es an nichts mangelte: In entsprechendem Reim ließ er alle wichtigen wie unwichtigen Ereignisse des vergangenen Jahres noch einmal Revue passieren, nicht ohne klar Stellung zu beziehen: Ob er vom Terror oder den Flüchtlingsströmen berichtete, er sagte ungeschminkt die Wahrheit. Endlich seien die Deutschen einmal bejubelt worden, ob ihrer Freundlichkeit bei der Flüchtlingsaufnahme: „Von Österreichern und auch mal Dänen – Deutschland ist gut, bleibt gern bei dene!“ Pegida will er in seinem Protokoll am liebsten streichen und der VW-Skandal macht ihn einfach nur noch fassungslos: „Wie kann man die ganze Leut‘ nur so linke.“ Dagegen lobte er die Bundeswehr: „Immerhin schieße die auch bei Rege und bei Wind geradeaus, weils halt‘ Sturmgewehre sind!“ Vom Fußballsumpf berichtete er genauso wie von der Katzenberger: „Sie wurde Mutter, vermarktet wurde das wie Pralinenbutter“. Spannend bis zur letzten Minute war seine Rede, in der er den Bogen von der AfD, vor der er eindrücklich warnte, über die Anschläge in Paris, dem hoffentlich endlich ernst genommenen Klimawandel bis zum Tod von Pierre Brice und Helmut Schmidt gekonnt zu spannen wusste. „Helmut Schmidt, das hat verstört, hat mit dem Rauche aufgehört. Politisch war er nie der Lasche, drum sag ich Frieden seiner Asche.“ Standing ovations auch für ihn. Martina Hölzle-Endres entführte die Gäste noch als Dagmar Düse, Stewardess einer Billigfluglinie in die Luft, um am Ende Seehofer, Merkel und Gabriel aus dem Fenster zu schmeißen: „Da freut sich ganz Deutschland, wenn die weg sind“, bevor noch mit „Pali“ Elvis-Fans auf ihre Kosten kamen und von Alfons Kirch, dem „Bachelor aus Mainz-Finthen“ Kurioses berichtet wurde. Allen voran aber begeisterte Harry Borgner – ebenfalls aus Mainz – der Mann der 1.000 Stimmen das Publikum. Als Fischer trat er mit seiner Gitarre vor die versammelte Schar, um seine Fischgeschichten in beachtlicher Stimmbreite zu erzählen und zu singen, dabei imitierte er unzählige Sänger wie beispielsweise Joan Baez. Er sang abgehackt wie Grönemeyer traurig nuschelnd wie Udo Lindenberg („Sonderzug nach Pankow“), interpretierte Matthias Reim, Roger Whittaker und Roland Kaiser. Dabei klangen seine Songs

genauso schön wie die Originale, bei furchtbar komischem Inhalt, da er die ganze Zeit über dem stinkenden Fisch treu blieb. Mit den Rasselböck ging am Rosenmontag die Fassenacht, wenn auch nach einem abgesagten Umzug einen Tag zu früh, so doch herrlich stimmungsvoll, ja einfach waschecht, zu Ende.



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