Die Flüchtlinge singen und beten – Militärbischof Rink beim Forum

Militärbischof Dr. Sigurd Rink gab sich bei vielen Antworten sehr persönlich und es war deutlich, 365 Tage in der neuen Verantwortung haben nicht zuletzt auch ihn selbst verändert. Foto: privat

Schönberg (kb) – Der Evangelische Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. Sigurd Rink, hat in der Evangelischen Kirchengemeinde in Schönberg die Leistung der Soldaten der Bundeswehr bei ihrem Einsatz für Flüchtlinge gelobt. Die Bundesmarine habe im Mittelmeer wechselnd mehrere Schiffe im Einsatz, auf denen Seelsorger sich um die Helfenden kümmerten. Es lasse sich durchaus von tiefgreifenden, existentiellen Erfahrungen sprechen, die die Soldaten dort machten. Für die etwa 100 Zuhörer im Gemeindehaus schilderte Rink, wie die an Bord Aufgenommenen sich oft für die Rettung bedankten: „Die Flüchtlinge singen und beten, um ihr neues Leben zu begrüßen.“

Rink ist als Pfarrer und ehemaliger Propst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für das Kirchengebiet Süd-Nassau im Taunus bestens bekannt. Am vergangenen Montag sprach er in Schönberg erstmals als Bischof für die Soldaten der Bundeswehr. Das Amt der EKD mit Sitz in Berlin hat er seit genau einem Jahr inne. Eingeladen hatte ihn das Schönberger Forum, bei dem Moderatorin Barbara Luh, Unternehmer Klaus Mellin, Mitarbeiterin Heidy Schonebeck und Pfarrer Dr. Jochen Kramm besondere Verantwortung in der Vorbereitung tragen. Barbara Luh ließ in ihrer Begrüßung anklingen, dass Rink, der in Falkenstein und Usingen in den 80er und 90er Jahren Pfarrer gewesen war, das verantwortungsvolle Amt im Spannungsfeld zwischen der christlichen Botschaft von der Nächstenliebe und dem Gebot „Du sollst nicht töten“ zu führen habe. Sie freue sich auf diesen Gast und seine persönlichen Anmerkungen. Der Bischof ging deshalb auf seine Motivation ein, weshalb er die Aufgabe bei den Soldaten übernommen habe. Als Theologiestudent habe er keinen Wehrdienst leisten müssen, seine Kirche habe sich in den 50er Jahren mit ihrem ersten Kirchenpräsidenten Martin Niemöller der Westintegration und einer Wiederbewaffnung entgegengestellt. Wie viele junge Männer hätte er sich am Ende der 70er Jahre eher für einen alternativen Dienst als den Wehrdienst, entschieden. Seine Meinung zum Militär habe sich allerdings beim Völkermord in Ruanda 1994 völlig verändert. Damals hätten die Vereinten Nationen (UN) nicht eingegriffen und damit eine humane Katastrophe ausgelöst. Es gebe eine Verantwortlichkeit der internationalen Gemeinschaft, Leben zu schützen und mit rechtserhaltender Gewalt einzugreifen. „Man kann in Konflikten an einen Punkt kommen, wo der Einsatz von Waffen unumgänglich wird“, sagte Rink. Das werde so in der Friedensdenkschrift der EKD von 2007 angesprochen und die Kirche habe damit einen Wandel vom „Gerechten Krieg“ zum „Gerechten Frieden“ vollzogen.

In einer fast einstündigen Rede ließ Rink die Zuhörer am Aufbau der Bundeswehr als einer Parlamentsarmee teilnehmen. Noch 1990 habe die Zahl der Soldaten in Deutschland bei 700.000 gelegen. Schon bald würden es nach einer erheblichen Truppenreduzierung nur noch 185.000 Männer und Frauen sein. 100 evangelische und etwa 80 katholische Seelsorger kümmerten sich um die grundgesetzlich garantierte Religionsausübung an noch immer über 300 Standorten. Eine Frau im Rang eines Kapitänsleutnants habe ihm bestätigt, dass gerade in Auslandseinsätzen die Militärseelsorge ein unverzichtbarer Gesprächspartner sei. „Mein erster Gang nach einer Patrouille in Afghanistan war das Gespräch mit meinem Pfarrer“, habe sie geschildert. Einige Einsätze der Bundeswehr seien wenig bekannt, so „UNIFIL“ in Zypern zur Verhinderung von Waffenschmuggel oder das kleine Kontingent in Mali. In solchen Friedensmissionen gehe es oft darum, Pufferzonen zwischen Konfliktparteien herzustellen, einheimische Soldaten und Sicherheitskräfte auszubilden oder Hilfsorganisationen ihre medizinische Hilfe oder Arbeit vor Ort zu ermöglichen. Waffenlieferungen wie die 17.000 Sturmgewehre der Bundeswehr in den Irak sieht Rink äußerst skeptisch, denn es sei kaum zu kontrollieren, in welche Hände sie am Ende gelangten.

Die anschließenden Fragen der Zuhörer in der Markus-Gemeinde zeigten: der Abend hatte vielen etwas gebracht. Rink gab sich bei vielen Antworten sehr persönlich und es war deutlich, 365 Tage in der neuen Verantwortung haben nicht zuletzt auch ihn selbst verändert. Wie nachhaltig der Einsatz in Afghanistan sein wird? Was macht ein Bundeswehrangehöriger, der einem Auslandseinsatz nicht Folge leisten will? Was bedeuten die hohen Rüstungsausgaben von 31 Milliarden Euro in der Bundesrepublik? Rink gab bereitwillig Auskunft und er sieht eine Perspektive, die die Frage nach der Nächstenliebe vom Anfang besser verwirklichen könnte: Weltweit müsse man größere Energie aufwenden, um Friedensprävention zu betreiben, beim wirtschaftlichen Aufbau von Ländern zu helfen und die Entwicklungszusammenarbeit besser zu fördern.

Ein Video zum Vortrag Rinks findet sich auf http://youtu.be/MKDYTI2hHT0.

Den nächsten Vortrag im Schönberger Forum hält Pfarrvikarin Katrin Hildenbrand: Evangelische Pfarrhäuser – ein Leben zwischen Wunsch und Wirklichkeit Montag, 16. November um 20 Uhr.



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