Grüttner sieht Pflegeversicherung auf gutem Weg

Der hessische Minister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, referierte auf Einladung der Senioren Union. Foto: S. Puck

Schönberg (pu) – Seit Beginn des Jahres sind die neuen Pflegestärkungsgesetze in Kraft, die einen Umdenkprozess in der Pflege eingeläutet haben. Nunmehr stehen nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit nicht nur jährlich 5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, sodass die Pflegeversicherung um etwa 20 Prozent leistungsfähiger geworden ist. Vielmehr soll gerade die Situation von Menschen mit Demenz, die erstmals einen gleichberechtigten Zugang zu allen Leistungen der Pflegeversicherung haben, in Zeiten des demografischen Wandels und des daraus resultierenden rapiden Anstiegs Demenzerkrankter verbessert werden. Das Risiko, an Demenz zu erkranken, nimmt mit dem Alter zu. Im Jahr 2050 werden nach bisherigen Erkenntnissen schätzungsweise 3 Millionen Menschen betroffen sein.

Kürzlich referierte auf Einladung der Senioren Union der hessische Minister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner (CDU), in der Bibliothek der Seniorenwohnanlage Rosenhof zu diesem Thema, wohlwissend um die zahlreichen Fragen zu den Veränderungen, die seit Jahresanfang unter anderem neben körperlichen auch geistige und seelische Beeinträchtigungen bei der Begutachtung gleichberechtigt berücksichtigen.

Dies geschieht durch die Modifikation von drei Pflegestufen auf fünf neue Pflegegrade. Im Übrigen verwies der Minister mit Nachdruck darauf, dass mitnichten nur Ältere pflegebedürftig werden können, sondern auch Jüngere durch Unfälle oder Erkrankungen mit drastischem Verlauf.

Ende der Pflege nach Stoppuhr

Durch die stärkeren Ausdifferenzierungsmöglichkeiten steht laut Grüttner mehr Zeit für den zu Pflegenden zur Verfügung, ob zum Gespräch, zum zuhören, „ein Stück Empathie“ im Gegensatz zur bisher gängigen Pflege nach der Stoppuhr. Pflege soll demnach ein Stück menschlicher werden.

Auch Angehörigen, die einen geliebten Menschen zu Hause betreuen, wird stärker Rechnung getragen durch einen allen Pflegebedürftigen zustehenden Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro im Monat, der anfallende Kosten im Alltag etwa für Bügeln, Waschen, Kochen, den Gang zum Friedhof und vieles mehr reduzieren soll. Nach den Worten Grüttners werden von 200.000 zu Pflegenden allein 150.000 zu Hause betreut. Sicher sei man, räumte er ein, mit diesen Maßnahmen noch nicht am Ende des Weges zu sein, beispielsweise müsse im nächsten Schritt erreicht werden, dass künftig auch Einzelpersonen ohne Angehörige den Entlastungsbetrag erhalten können. „Wir sind dran!“

Vereinbarkeit

Aus seiner Beobachtung heraus ist insgesamt schon einiges in Bewegung gekommen, um betreuende Angehörige besser zu unterstützen. Wohlwissend, dass überwiegend Frauen diesen Part leisten, rückte Grüttner in den Vordergrund, inzwischen sei nicht mehr allein von Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Rede, sondern zusätzlich von der Vereinbarkeit von Familie und Pflege oder der von Pflege und Beruf. In diesem Zusammenhang richtete er die Aufmerksamkeit auf die vor zwei Jahren gegründete hessische Charta zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, der mittlerweile schon 150 Unternehmen von der Großbank bis zum Steuerberater beigetreten seien mit der Selbstverpflichtung, Mitarbeitern Hilfe anzubieten. „Das Bewusstsein im Land ist ein anderes als noch vor ein paar Jahren“, unterstrich Grüttner, es gelte „selbstvorhandene Kräfte zu stärken und zu helfen, wo das nicht mehr möglich ist, auf diesem Weg sind wir hier in Hessen“, warb er knapp fünf Monate vor der im September stattfindenden Bundestagswahl für die Position der Christdemokraten und kritisierte die SPD, die seiner Ansicht nach der festen Überzeugung ist, „der Staat kann alles regeln“.

Eigenverantwortung

Der Minister schlug, um ein weiteres Beispiel zu nennen, einen Bogen zur Kindererziehung. „Man muss nach unserer Meinung Familien und Individuen Verantwortung übertragen, wir maßen uns nicht an, als Staat eine bessere Kindererziehung zu leisten als die Eltern!“ Des Weiteren sei es notwendig, jungen Menschen Anreize zu bieten, sich zu entwickeln, für eine Ausbildung zu motivieren, damit sie später im Beruf ihren Mann oder Frau stehen. „Die junge Generation ist besser als ihr Ruf, aber man kann sie nur einbinden durch die Chance einer unterschiedlichen Entwicklung, denn zum Glück sind wir nicht alle gleich. Wenn das gelingt, ist mir nicht bange um unser Land!“ Handlungsbedarf sieht Grüttner in Bezug auf die Alterssicherung, aktuell würden neue Modelle entwickelt. Der Ansatz der Christdemokraten sei dabei, die zusätzliche Eigenvorsorge für alle zur Pflicht zu machen. Wer das nicht wolle, müsse dann selbst aktiv werden. „Verhaltenspsychologen bescheinigen uns, dies sei der richtige Weg, da der Mensch von Natur aus träge ist und ihm dadurch zu lästig aus eigenem Antrieb aus dem System auszusteigen mit der Konsequenz, sich alternativ selbst um eine zusätzliche Eigenvorsorge kümmern zu müssen!“ Zum Thema Altersarmut hat er eine dezidierte Meinung: „Statistisch gesehen können aktuell nur zwei Prozent der älteren Menschen nicht aus eigenem Mitteln ihren Lebensunterhalt bestreiten!“ Von einer Altersarmut zum jetzigen Zeitpunkt könne man daher nicht sprechen.

Dennoch müsse man sich der Zukunft stellen, allein schon infolge der veränderten Erwerbsbiografien.

Zentrum für internationale Fachkräfte

Angesprochen auf die gegenwärtig langwierige und komplizierte Anerkennung der Qualifikation ausländischer Fachkräfte trotz nachweislich schwieriger Lage durch die andauernde Mangelsituation in der Kranken- und Altenpflege räumte er bestehende Probleme ein, die durch die Schaffung eines Zentrums für internationale Fachkräfte baldmöglichst behoben sein sollen.

Auf die aus dem Publikum heraus gestellte Frage nach künftiger Krankenhaus-Versorgung verwies Grüttner auf die Krankenhaus-Reform, „einer der größten, die je auf den Weg gebracht wurde, einem Paradigmenwechsel bezüglich Qualität“. „Leistungen werden nun nach Qualität bezahlt, schlechte Krankenhäuser verwarnt und im äußersten Fall wird die rote Karte gezeigt!“

Andererseits „muss nicht jeder alles machen, weil nicht jeder alles kann.“ Darunter sei zu verstehen, dass das Erfolgsrezept der Zukunft für Krankenhäuser in Zusammenarbeit und Spezialisierung liegt. „Die Zeit des Einzelkämpfertums ist vorbei, private Krankenhäuser machen es vor!“



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