Leserbrief

Aktuell

Unsere Leserin, Helga Schorr, Zeilstraße, Kronberg, schreibt zum Thema Bahnhofsgelände und Kammermusiksaal Folgendes:

Die Berichte zum Thema Bahnhofsbebauung wecken Assoziationen – wie zum Beispiel Hotelbau in der Frankfurter Straße (heute Büros und die Filiale der Deutschen Bank), Bürokomplex Accenture und vor allem Berliner Platz. Das ehemalige Fortbildungszentrum der Deutschen Bank im Wald steht vielleicht bald als nächstes Thema vor der Tür.

Die Fotosimulation des Musiksaales ist zweifellos faszinierend. Die reale Dimension wird aber deutlich, wenn man die kleinen Figuren, die Kante nach Süden und die Relation zu dem im Hintergrund sichtbaren Bauklotz als Maßstab nimmt. Da kommen leicht drei bis vier Geschosse zusammen. Das Bild täuscht auch darüber hinweg, dass das als Verlängerung des Parks anzusehende Dreieck zwischen Bahnhofs- und Schillerstraße überbaut wird, mit Wegfall der dort befindlichen Gartenanlage und der Fällung des Baumbestandes.

Zur Wirtschaftlichkeit des geplanten Konzertsaales ist den Ausführungen der Leser Becker und Prof. Dr. Nelles im vollen Umfang zuzustimmen. Man kann nur hoffen, dass sie von den Verantwortlichen auch ernst genommen werden. Die Verlagerung der Veranstaltungen der Academy in den neuen Saal bedeutet zwangsläufig Wegfall der Nutzung der bisher genutzten Räume. Für die Stadt Kronberg werden die Kosten für Stadthalle und andere Räume steigen.

Der Saal hat auch abgelenkt von den weiteren Planungen im Bahnhofsbereich. Dort hat sich zwar das äußere Erscheinungsbild der Architektur ein wenig positiv verändert, weitgehend gleich geblieben ist aber deren Monstrosität. Fünf, beziehungsweise drei Vollgeschosse über sogenannte Sockelgeschossen, die ihrerseits fast die Höhe zweier Normalgeschosse haben, werden das ganze Areal erdrücken. Bei diesen Dimensionen wird der Berliner Platz im Vergleich noch zur Idylle werden. Das zur Wirtschaftlichkeit des Saales gesagte gilt gleichermaßen für Hotel und umliegende Gebäude. Die bisher ansässigen Hotels haben vom Hörensagen nach nicht gerade an Überbelegung zu leiden und Geschäfts- und Büroräume stehen in beachtlichem Umfang leer. Ob sich teure Wohnungen in einem so eng bebauten Raum ohne Weiteres vermieten lassen werden – ist unsicher. Und wenn die Stadt die S-Bahnreisenden an den Südbahnhof verfrachten möchte, muss dort Parkraum geschaffen werden – weitere Kosten für die Stadt. Die hohe Verkehrsbelastung in Kronberg war bisher meist ein Thema vor Kommunalwahlen, wo Konzepte und Entlastungen versprochen wurden, es nach den Wahlen aber bei diesen Versprechungen blieb. Dankbar und anerkennend ist daher der Vorstoß des Schönberger Ortsbeirates zur „Untersuchung und Lösung der zusätzlichen Verkehrsbelastung durch die Bauvorhaben im Bahnhofsareal“ zu begrüßen. Die Lösung dieses Problems wird umso dringlicher auf dem Hintergrund von Gerüchten, dass die weitere Bebauung der Schillergärten mit mehrgeschossigen Bauten im Gespräch sein soll. In dem Bericht des Kronberger Boten vom 26. Juni 14 lässt ein Satz des Architekten Staab aufhorchen: „Es war schon eine enorme Baumasse, die an diesem Ort untergebracht werden musste.“ Dieser Satz aus dem Munde eines Architekten sagt alles! Offenbar hielt er selbst diese Masse dort nicht für sinnvoll.

Die Einfahrt mit dem Zug nach Kronberg ist nicht einladend. Aber vorherrschend ist viel Grün und wenn man ausgestiegen ist, geht der Blick in das weite Grün des Victoriaparks.Wird die jetzige Planung realisiert, wird der ankommende Gast in eine verbaute Steinwüste mit hohen Hauswänden und gepflasterten engen Plätzen mit einigen Bäumen entlassen. Wie offen ist dagegen der neu gestaltete Stadteingang vom Bahnhof in Oberursel! Die in Kronberg geplanten Bauten überragen das dort gebaute Ärztehaus um das Doppelte. Und der in Kronberg mögliche offene Übergang zum Park und von dort zur Stadt – wie er in Oberursel realisiert wurde – ist dann mit Allerweltsbauten verbaut.

Kronbergs Ruf lebt von seiner Lage im Grünen am Rande des Taunus und der daraus resultierenden Wohnqualität. Leider mehren sich die Zeichen, dass Kronberg sein bisheriges Gesicht leichtfertig auf Spiel setzt und gefährdet. Projekte wie der Berliner Platz und jetzt der Bahnhof sind Meilensteine auf diesem verhängnisvollen Weg. Vielfach hat man ohnehin den Eindruck, hier kann jeder bauen, wie er gerade möchte (jüngstes Beispiel der überdimensionierte „Klotz“ auf der Nordseite der Schönberger Straße in Oberhöchstadt). Sollte vielleicht doch das Gerücht stimmen, die Verwaltung strebe 20.000 Einwohner an, um von Titel und Bezügen in höhere Stufen zu gelangen? Diese Entwicklung kann nur geändert werden, wenn sich die Stadt davon löst, selbst nur noch Spielball von Investoreninteressen zu sein. Die Stadt muss eigene Vorstellungen für ihre mittel- und langfristige Entwicklung erarbeiten. Dazu wird sie sich professioneller Hilfe bedienen müssen. Fachleute dafür zu finden ist im Umfeld sicher nicht schwer, das Planungsbüro Speer wäre nur ein Beispiel. Auf der Basis eines solchen Gesamtkonzeptes kann die Stadt gezielter nach Investoren suchen. Je überzeugender das Konzept sein wird, umso mehr Investoren werden interessiert sein, sich zu engagieren.

Dazu gehört eine selbstbewusste und engagierte Stadtverordnetenversammlung und eine motivierte und kooperative Verwaltung, die die Entscheidungen des Parlaments loyal bearbeitet und umsetzt. Der Präsident des Hessischen Landtages hat nach der letzten Landtagswahl in einem Zeitungsinterview ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Parlamente die Träger der politischen Entscheidungen sind, die dann von den Regierungen und der Verwaltung umzusetzen sind. Das gilt auch für die Stadtparlamente. Deshalb sollten sich die Stadtverordneten als der Souverän nicht hindern lassen, Entscheidungen erst nach gründlicher sachlicher Prüfung zu treffen. Und dass noch Klärungsbedarf in einer ganzen Reihe von Fragen besteht, wird sowohl vom Architekten als auch vom Ersten Stadtrat bezeugt. Wer in dieser Situation die Klärung nicht ermöglicht und zu einer Abstimmung vor Erledigung der letzten offenen Frage drängt, setzt sich selbst dem Verdacht aus, an einer Klärung nicht interessiert zu sein und möglicherweise etwas verheimlichen zu wollen. Insoweit ist ganz besondere Sorgfalt und Vorsicht am Platze.



X